Dienstag, 19. März 2024

Archiv


Die Häuser der Heuschrecken

Die 90er-Jahre stellen einen Einschnitt in der deutschen Wohnungswirtschaft dar. Zwei klassische Säulen des Nachkriegswohnungsbaus bröckeln: die Werkssiedlungen und der Wohnungsbestand in öffentlicher Hand. Später dann nahmen ausländische Investoren den Mietimmobilienmarkt als lukrative Anlagemöglichkeit ins Visier.

Von Kay Bandermann | 10.03.2011
    Ein grauer, nasskalter Wintertag in Dortmund-Westerfilde. Bei diesem Wetter wirkt die Wohnsiedlung am Kiepeweg noch ein wenig trostloser als sonst. Bäume und Sträucher sind kahl und frisch gestutzt. Sie geben den Blick frei auf die Wohnhauswürfel rechts und links der Straße: Flachdach-Gebäude mit zurückliegenden Balkonen. Es ist die typische Sichtbeton-Architektur der Großsiedlungen, wie sie in den 60er- und 70er-Jahren überall in (West-)Deutschland gebaut wurden. Jetzt, kurz nach Mittag, sind nur wenige Menschen auf der Straße unterwegs. Monika Hohmann führt ihren Hund Monty aus, gemeinsam mit ihrer Nachbarin Walburga Ströter.

    "Wenn Sie sich mal so umgucken, sehen Sie ja, wie hoch der Leerstand ist. Also, das ist schon sehr gravierend. Und wenn jemand als Neumieter hier durchgeht, der guckt sich natürlich zunächst das Umfeld an. Und ich weiß nicht, ob das im Moment so einladend ist."

    An vielen Stellen der Häuser sind grüne oder braune Flecken an der Fassade zu sehen; an anderen Stellen bläht sich der Putz auf. Das sind keine Schönheitsfehler, sondern ein sicheres Zeichen für Feuchtigkeit in den Wänden. Jeder in der Siedlung kennt den Grund: Die Dachrinnen sind seit Jahren kaputt, deshalb läuft Regenwasser ungehindert an der Wand herunter; auf die Balkons und in die Wohnungen.

    Der Sanierungsstau in dieser Siedlung ist unübersehbar und geht in die Millionen. Schrottimmobilien werden solche Siedlungen genannt. Doch der Eigentümer, ein Immobilienfonds aus Dänemark mit dem Namen Griffin Rhein Ruhr GmbH, tut nichts dagegen.

    "Wenn man in die Häuser reinkommt, sieht man also auch, dass da seit 30 Jahren nichts gemacht wurde. Keine Hausflure gestrichen, sind Risse in den Wänden. Das wird nicht gemacht. Und in den Wohnungen setzt sich das dann fort."

    In der Wohnung von Monika Hohmann ist davon auf den ersten Blick nichts zu merken. Sie ist warm, trocken und gemütlich eingerichtet. Seit 30 Jahren wohnt sie bereits hier; Nachbarin Walburga Ströter sogar seit 34 Jahren. Der Umzug in die neue Siedlung mit den Dreieinhalb-Zimmerwohnungen war für junge Familien damals eine Riesenverbesserung.

    "Das Umfeld sah gut aus; die Wohnungen sahen damals auch gut aus. Man hat viele Menschen im gleichen Alter getroffen, die auch Kinder hatten, die alle klein waren. Das Umfeld stimmte, Geschäfte waren alle da. Es war alles fußläufig zu erreichen. Man hatte Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, alles war in der Nähe und die Kinder konnten sich austoben. Es war genügend Spielfläche da, Auslauffläche. Es war schon toll!"

    Selbst als sie in den 90er-Jahren wegen ihres guten Einkommens die sogenannte Fehlbelegerabgabe zahlen mussten, 160 Mark pro Monat, blieben die Hohmanns in ihrer Erdgeschosswohnung. Doch sie spürten allmählich: Irgendetwas verändert sich um sie herum. Es war eben nicht mehr so "toll" im Kiepeweg zu wohnen.

    "Das geht ganz schleichend, das war nicht von jetzt auf gleich, sondern das hat sich ganz langsam entwickelt: dieser Leerstand, der immer größer wurde, zusätzlich hauten dann auch einige Geschäfte ab. Es war auch nicht mehr diese Versorgung da wie früher. Und auf einmal kriegten wir Bescheid, dass unsere Wohnungen verkauft waren."

    Das war nicht nur in Dortmund-Westerfilde so. Die 90er-Jahre stellen einen Einschnitt in der deutschen Wohnungswirtschaft dar. Zwei klassische Säulen des Nachkriegswohnungsbaus begannen zu bröckeln: die Werkssiedlungen und der Wohnungsbestand in öffentlicher Hand. Firmen wie Thyssen oder E.on folgten den Börsenanalysten, die konstatierten, dass der Besitz von Hochhäusern kein sogenanntes Kerngeschäft des Unternehmens sei. Der Verkauf dagegen spülte eine große Summe Geld in die Kasse, sagt Volker Eichener, Professor an der EBZ-Fachhochschule für die Wohnungswirtschaft in Bochum.

    "Anschließend haben dann kommunale und staatliche Wohnungsunternehmen den gleichen Weg eingeschlagen, weil insbesondere die wohnungspolitische Notwendigkeit, den Wohnungsmangel durch eigene, öffentliche Wohnungsbestände zu bekämpfen, weggefallen war durch die Entspannung der Wohnungsmärkte. Und weil die Kämmerer und Finanzminister Geld für ihre Kassen wollten."

    Das war keine Frage des Parteibuchs: Die Stadt Dresden verkaufte vor fünf Jahren ihre Gesellschaft WOBA mit 48.000 Wohnungen. Berlin trennte sich zuvor von 66.000 Wohnungen der kommunalen Gesellschaft GSW. In Freiburg hätte die grün-schwarze Ratsmehrheit beinahe die kommunale Wohnungsgesellschaft Stadtbau verkauft, wurde aber durch einen Bürgerentscheid gestoppt, der unter anderem von der örtlichen FDP unterstützt wurde. Zwischen 1999 und 2006 wechselten rund 1,3 Millionen Wohnungen auf diese Weise den Eigentümer, darunter die der Deutschen Bahn und der Bundesversicherungsanstalt. Die letzte große Transaktion war die Privatisierung der landeseigenen LEG Wohnen in Nordrhein-Westfalen 2008, die von der US-Gesellschaft Whitehall gekauft wurde – trotz des erbitterten Protestes von Mietern, Gewerkschaften und der damaligen rot-grünen Opposition im Düsseldorfer Landtag.

    Welche Gründe hatte es, dass ausländischen Investoren plötzlich den deutschen Mietimmobilienmarkt als lukrative Anlagemöglichkeit ins Visier nahmen? Rückschauend ist das vielen Experten ein Rätsel. Die Fonds seien von falschen Voraussetzungen ausgegangen, sagt Alexander Rychter vom Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Nordrhein-Westfalen.

    "Viele Investoren, die nach Deutschland kamen, sind mit den Vorstellungen ihrer Heimatländer hier hingekommen. Haben sich nicht wirklich ein Bild davon gemacht, was für einen Stellenwert hat in Deutschland Stadtentwicklungspolitik; was für eine Bedeutung haben Mieter-Schutzrechte; wie ist das Mietrecht bei uns ausgestaltet; wie kontinuierlich hat Wohnungswirtschaft über Jahrzehnte Wohnungsbestände auch dauerhaft vermietungsfähig gehalten? Was für einen Stellenwert hat überhaupt der Mietwohnungsmarkt in Deutschland?"

    Dagegen hatten die Anlagestrategen vor allem Zahlen im Kopf. Sie sahen das im europäischen Vergleich niedrige Mietniveau hierzulande. Sie sahen die geringe Eigentumsquote in Deutschland und erhofften sich, viele Wohnungen direkt an die Mieter verkaufen zu können. Vor allem aber kam ihnen zugute, dass lange Zeit viel Geld zu sehr niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt zur Verfügung stand. Volker Eichener spricht vom sogenannten Leverage-Effekt, von der Hebelwirkung. Und er rechnet vor, wie man mit geringem Risiko als Investor hohe Gewinne erzielen konnte.

    "Was den Finanzinvestoren geholfen hat, war das ganz niedrige Zinsniveau für Fremdkapital. Also, wenn sie sechs Prozent Gesamtkapital-Rendite durch Wohnungsbewirtschaftung erzeugen, was keine große Kunst ist, und sie zahlen vier Prozent Zinsen für ihr Fremdkapital und haben 90 Prozent Fremdkapital, dann haben sie eine Eigenkapitalrendite am Ende von 24 Prozent. Das heißt nach vier Jahren haben sie ihr Eigenkapital schon wieder raus, und ab da klingelt es richtig kräftig in der Kasse."

    Waren die Investoren mit den Gewinnen zufrieden, wurden die Siedlungen schnell an die nächste sogenannte Heuschrecke weiter verkauft. Auch die Siedlung in Dortmund-Westerfilde hat eine solche Eigentümer-Geschichte. Die zum Stromriesen E.on gehörende Viterra AG verkaufte sie in einem Paket von mehreren Tausend Wohnungen an die "MIRA Grundstücksgesellschaft in München". Die gab sie knapp ein Jahr später weiter an die "Wohnprojekt Essen GmbH". Am 1.1.2006 wurde dann der dänische Fonds Griffin Eigentümer. Fast genauso häufig wechselte in der Siedlung von Monika Hohmann und Walburga Ströter der Verwalter, also, ihr unmittelbarer Ansprechpartner.

    "Eine Verwaltung saß, zum Beispiel, in Munster-Lager. Und die haben so einen langen Atem gehabt, dass die Mieter gedacht haben, es kann hier passieren, was will: die machen nichts."

    Tatsächlich sind den Verwaltern die Hände gebunden. Sie haben nicht genügend Geld für die Instandhaltung zur Verfügung. Die anonymen Briefkasten-Firmen sparen, wo sie können. Selbst bei Notreparaturen. Als in einem Griffin-Hochhaus der Fahrstuhl defekt war, streckte der örtliche Mieterverein das Geld für die Handwerker vor. Eine Abwärtsspirale- so nennt es Daniela Schneckenburger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag von Nordrhein-Westfalen.

    "Der Wohnraum verfällt nach und nach. Die Geschäfte in der Umgebung überlegen, wie sie mit der Situation umgehen sollen, ob für sie überhaupt noch eine Existenz da ist; schließen. Menschen ziehen weg aus dem Stadtteil. Es gibt Leerstände. Insofern gibt es so eine Abwärtsspirale innerhalb des Quartiers. Und unterm Strich steht dann ein Stadtteil, der zum richtigen Problem-Stadtteil geworden ist; mal ne gute Lage war, aber in Zukunft ein soziales Problem für die Stadt darstellt."

    Allein in Dortmund haben Finanzinvestoren in den vergangenen fünf Jahren 40.000 Wohnungen gekauft. Jede fünfte Wohnung in der Stadt gehört einem Eigentümer, dem es nicht auf eine langfristige Vermietung ankommt, sagt Hans-Peter Neuhaus, der Leiter des städtischen Wohnungsamtes. Fast alle Ruhrgebietsstädte haben mit diesem Phänomen zu tun, sagt er, aber nicht nur sie.

    "Das hat etwas damit zu tun, dass wir einen entspannten Wohnungsmarkt hier im Ruhrgebiet haben. Aber wir wissen auch aus boomenden Städten – sei es München, Frankfurt oder Hamburg – dass es auch da nach und nach immer mehr Probleme mit diesen ausländischen Finanzinvestoren gibt. Die sind dort nur anders ausgeprägt, als es bei uns ist. Bei uns ist das häufig mit Leerständen und mit negativen Entwicklungen in einzelnen Stadtteilen bemerkbar."

    Dortmund versuchte frühzeitig, die Abwärtsspirale, in die ganze Stadtteile durch die vernachlässigten Schrottimmobilien gerieten, zu stoppen; etwa durch gemeinsame "Runde Tische" aller Wohnungsgesellschaften des Viertels. Doch dabei stand die Stadt vor einem weiteren Problem: früher hatten die Vermieter ein Gesicht, es gab Ansprechpartner.

    "Aber mit den ausländischen Finanzinvestoren, die ihren Sitz in Kopenhagen, auf der Isle of Man oder wo auch immer haben, gibt es unmittelbar gar keine Kontakte. Wenn wir erfahren, dass die solche Wohnungsbestände gekauft haben, versuchen wir mit denen in Kontakt zu treten. Wir bieten ihnen Gespräche an, dass wir bereit sind mit ihnen gemeinsam bestimmte Wohnquartiere weiter zu entwickeln. Aber im Regelfall kommt keine Resonanz darauf."

    Im Frühjahr 2009 gelang es dem Mieterverein Dortmund überraschend, einen Manager des dänischen Griffin-Fonds zu sich einzuladen. Der Mann gab sich freundlich, zeigte sich betroffen von den Missständen und versprach rasche Abhilfe. Passiert ist seitdem wenig, sagt Rainer Stücker vom Mieterverein.

    "Es wird behauptet, dass daran gearbeitet wird, dass noch mal neue Gelder bereitgestellt werden, um deutlich zu verbessern. Umgesetzt davon ist nichts. Wenn Gelder freigegeben werden, gehen die in die dringendsten, notwendigsten Reparaturen. Da werden vielleicht mal ein paar Fenster getauscht, aber eine Komplettsanierung oder –modernisierung gibt es nicht. Und das ist nicht gut für die Mieter, weil die mit schlechten Wohnungen, in schlechten Beständen seit mehreren Jahren leben müssen."

    Der größte Missstand in Siedlungen wie der in Dortmund sind die einfach verglasten Aluminiumfenster. Das schlimmste ist für Monika Hohmann die Feuchtigkeit, die sich dort sammelt.

    "Hier haben wir eines unserer berühmten Alu-Fenster. Im Winter sind die nass geschwitzt, sodass man morgens gezwungen ist, erst mal mit einem Eimerchen und einem Wischleder alles abzuledern. Teilweise ist es auch so, dass die Fenster angefroren sind. (Zwischenfrage: Das ist jetzt wie alt?) Das ist genauso alt wie das Haus, also 34, 35 Jahre."

    Dreimal wurde diese Wohnung bereits wegen Schimmelbildung saniert. Doch der Schimmel kommt immer wieder. In der Wohnung von Franz-Jürgen Böckler ist es besonders schlimm. Man fühlt und riecht die krankmachende Feuchtigkeit regelrecht, in der eine vierköpfige Familie wohnt. Rund um die Fenster zieht sich ein breiter, dunkler Schimmelstreifen. Die Fensterbank aus Holz löst sich durch die permanente Nässe langsam, sagt Franz-Jürgen Böckler.

    "Entwickelt beziehungsweise aufgetreten ist es relativ schnell, allein mit dem Wechsel der Jahreszeit. Und dann fing es an einer Ecke an. Und in rasender Geschwindigkeit hat sich dann der ganze Schimmel ausgebreitet. Kann man hier wunderbar sehen. Das ist an allen anderen Fenstern genauso."

    Wenn Wohnungen die Gesundheit akut bedrohen oder eine andere Gefahr für die öffentliche Ordnung von ihr ausgeht, können die Behörden auch jetzt schon nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz eingreifen. Aber das sei mühsam und mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden, erläutert Wohnungsamts-Chef Hans-Peter Neuhaus seine Erfahrungen.

    "Wir müssen erst mal den Eigentümer zur freiwilligen Abhilfe auffordern. Das heißt ich brauche schon mal eine angemessene Frist von drei bis vier Wochen je nachdem, welche Mängel vorhanden sind. Gleichzeitig drohe ich ihm ein Zwangsgeld an. Das heißt nach drei, vier Wochen muss ich das Zwangsgeld festsetzen. Dann ein erneutes Zwangsgeld androhen, was häufig auch noch nicht dazu führt, dass man tätig wird. Erst wenn der Druck auf dem Kessel etwas größer wird, dann bemüht man sich, Maßnahmen durchzuführen, macht das Nötigste. Und das Schlimme an der ganzen Sache ist: das, was ich an Zwangsgeld eingenommen habe in der Zeit, muss ich dann auch wieder auszahlen, weil das Zwangsgeld nur ein Beugemittel ist. Das heißt wir haben riesige Verwaltungsaufwände, die sich über Monate erstrecken. Und letzten Endes haben wir als Kommune gar nichts davon."

    Neuhaus ist ein Mann der Praxis und wünscht sich schärfere Waffen. Aber er weiß: Weil das Eigentum den Schutz des Grundgesetzes hat, tun sich die Politiker bisher schwer, den Finanzinvestoren offensiver zu Leibe zu rücken.

    Nordrhein-Westfalen unternimmt jetzt als erstes Bundesland einen Anlauf, die negativen Auswirkungen zu bekämpfen. Der Landtag hat eine überparteiliche Enquete-Kommission eingerichtet, um die Ursachen zu analysieren und mögliche Gegenstrategien zu entwickeln. Daniela Schneckenburger von den Bündnis-Grünen ist die Kommissions-Vorsitzende.

    "Wir sind nicht die einzigen – Nordrhein-Westfalen – die mit solchen Problemen zu kämpfen haben. Wobei Nordrhein-Westfalen trotz allem ein Brennpunkt ist. Hier gab es eben viele Werkswohnungen, die verkauft worden sind. Aber da warten auch andere in der Bundesrepublik drauf, was wir so rausfinden und wie man sozusagen einen Instrumentenkoffer kriegt, mit dem man dann auch wirklich gegen diese Heuschrecken und die desolate Situation in den Stadtteilen vorgehen kann."

    Der Beifall der Mieter und der Mietervereine ist ihr mit solchen Ankündigungen gewiss. Die private Wohnungswirtschaft ist zurückhaltender. Verbandssprecher Alexander Rychter hält nicht nur den Begriff der "Schrottimmobilie" für missverständlich und falsch. Es werde dabei übersehen, so Rychter, dass ein Großteil der Wohnungsgesellschaften sehr wohl an einer langfristigen Pflege ihrer Bestände und an zufriedenen Mietern interessiert sei – auch dann, wenn sie mittlerweile ausländische Eigentümer haben, so wie die Deutsche Annigton, GAGFAH oder die LEG.

    "Es hat natürlich auch Auswirkungen für Wohnungsunternehmen, die in den lokalen Märkten in der Situation sind, dass nebenan ein Bestand ist, wo der Investor auf den Cayman Islands sitzt, sich überhaupt nicht mehr kümmert. Aber das ist nicht ein Versagen des Marktes. Der Markt ist, wie ich meine, weitgehend reguliert. Das sind dann Einzelprobleme in den lokalen Märkten, der sich Politik natürlich zuwenden muss. Aber das wird nicht mit einfachen Lösungen getan sein."

    In Dortmund hat man bereits einen Schritt unternommen. Für die Siedlung des dänischen Investors Griffin hat die Stadt eine Satzung erlassen, in der sie sich ein Vorkaufsrecht für dessen Häuser einräumt. Die städtische Wohnungsgesellschaft stünde als Käufer bereit und würde in großem Stil modernisieren; vorausgesetzt, sie macht dabei keine Verluste. Das aber funktioniert in Dortmund und anderswo nur, wenn der Rückkauf von öffentlicher Seite finanziell unterstützt wird. In diesem Punkt erwartet Rainer Stücker vom Deutschen Mieterbund eine Richtungsentscheidung durch die neue Enquete-Kommission.

    "Der Markt regelt es nicht. Und wenn es der Markt nicht tut, muss es über die öffentliche Hand geschehen. Da kann man über Zwischenlösungen reden – also ein Träger, der vorübergehend diese Bestände hält, bis sie weiter entwickelt sind – das ist sicherlich auch eine Option. Wir brauchen eigentlich einen Konsens für eine solche Zwischenlösung. Und da sollten die Blockaden aufhören."

    Gemeint sind die politischen Blockaden, denn was Stücker fordert, steht im Gegensatz zum konservativ-liberalen Credo "Privat vor Staat". Von Re-Kommunalisierung ist die Rede. Und das hieße im Extremfall: Die verwahrlosten Schrottimmobilien würden den Heuschrecken mit Steuergeldern abgekauft. Dagegen haben allerdings auch die Befürworter solcher Rückkauf-Strategien wie Daniela Schneckenburger ihre Bedenken.

    "Was nicht geht, ist, dass Finanzinvestoren Wohnungsbestände aufkaufen, ihren Finanzgebern versprechen, eine Rendite von 20 Prozent zu erzielen. Die Wohnungen ausbluten, und am Ende sozusagen alles auf den Steuerzahler überwälzen, indem sie versuchen, sich möglichst über die Kosten der Unterkunft der Städte die Mieterschaft zu halten. Oder auch die abgewirtschafteten Wohnungsbestände dem Land oder der Kommune vor die Füße kippen. Das geht nicht."

    Das wäre ein klassischer Fall nach dem Prinzip: "Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert", sagt Wohnungswirtschaftsexperte Volker Eichener. So würde das Fehlverhalten der Heuschrecken auch noch belohnt; ein falsches Signal, findet er. Stattdessen sollte die Politik auf den seit Jahrzehnten in Deutschland bewährten Mix aus privaten, öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen auch in Zukunft vertrauen.

    "Märkte funktionieren immer dann besonders gut, wenn wir ganz unterschiedliche Gruppen haben von Investoren; weil diese unterschiedlichen Eigentümergruppen sich dann gegenseitig ausbalancieren. Außerdem braucht die öffentliche Hand auch eigene Wohnungsunternehmen um im Bereich der Stadtentwicklung agieren zu können."

    Dazu gehört für Volker Eichener auch der Mut zum Abriss. Allein in Berlin stünden derzeit 150.000 Wohnungen leer, sagt er. Dort wie in vielen anderen Ballungsgebieten gebe es zu viele Wohnungen, die niemand brauche: weil sie zu klein oder zu alt seien; und bei denen eine Sanierung nicht mehr lohne.

    "Wir haben ältere Menschen, die Ansprüche an barrierefreie Wohnungen haben, altersgerechte Wohnungen. Wir haben aber auch klimapolitische Ziele, die sich nicht erreichen lassen, wenn wir ökologische Monstren im Altbau-Bereich haben. Also, es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die dafür sprechen, dass wir nicht mehr zukunftsfähige Wohnungen abreißen müssen und die dann zum Teil ersetzen durch moderne, gut gedämmte, energetisch optimierte und auch sozial nachhaltige, weil altersgerechte Neubauten."

    Walburga Ströter und Monika Hohmann sind mit ihrer Siedlung in Dortmund-Westerfilde älter geworden. Altengerecht sind ihre Wohnungen allerdings nicht. Immer wieder hören sie die Frage, warum sie nicht längst woanders hingezogen sind, raus aus einem Haus mit verschimmelten, rissigen Wänden.

    "Weil wir uns unsere Wohnung nach unserem Geschmack so gemacht haben, wie wir es gerne hätten. Es ist vielleicht auch eine Gewohnheitssache. Man hat sich das alles so eingerichtet. Man fühlt sich wohl – eigentlich.

    Ich möchte hier im Raum bleiben. Und was ich bis jetzt an Wohnungen gesehen habe, wäre für mich keine Verbesserung. Und wenn ich diesen Schritt mach', will ich mich verbessern, aber nicht noch mehr verschlechtern."