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Die Polen Spaniens
Katalanische Satireserie "Polònia" mit Topquoten

"Polen" nennt man die Katalanen in Spanien wegen ihrer angeblich unverständlichen Sprache. "Polònia" heißt auch das meist gesehene Satireprogramm im katalanischen Fernsehen: Die Politsatire ist seit elf Jahren ein Quotenbringer – und feiert mitten in der Krise um eine Unabhängigkeit neue Höhenflüge.

Von Julia Macher | 26.10.2017
    Dreh am Set der politischen Satire-Serie "Polònia" am 25.10.2017. In der Mitte zu sehen ist der Schauspieler Queco Novell in der Rolle des katalanischen Regionalpräsident Carles Puigdemont.
    Dreh am Set der politischen Satire-Serie "Polònia" am 25.10.2017. In der Mitte zu sehen ist der Schauspieler Queco Novell in der Rolle des katalanischen Regionalpräsident Carles Puigdemont. (Deutschlandradio / Julia Macher)
    Diesen Teaser kennt in Katalonien so gut wie jeder: Jeden Donnerstag um fünf vor zehn schalten in Katalonien Hunderttausende Polònia ein. Das Satireprogramm ist fast so bedeutend wie die Hauptnachrichten: Die zehn Gags, in denen die Schreiber die Woche Revue passieren lassen, sind für viele junge Leute die wichtigste politische Informationsquelle.
    "Klar ist das toll, dass sich junge Leute wegen uns für Politik interessieren – obwohl natürlich Zeitung lesen besser wäre."
    Sagt pflichtgemäß Jaume Buixo, einer der Produzenten der Erfolgsserie und freut sich dann natürlich doch über das Kompliment. Angeblich wurde auch schon der ein oder andere Politiker um ein Autogramm angehauen mit den Worten "Ich kenne sie aus Polònia".
    Mariano Rajoys leicht großväterliches Auftreten, Carles Puigdemonts Bauernschläue, die jungen Wilden der linksradikalen CUP mit ihren aufbrausenden Trotzreaktionen: Eine Charaktereigenschaft plus eine gute Maske - und die Ähnlichkeit mit der Vorlage ist verblüffend.
    "Lange ging es darum, wer am besten pokert"
    Das Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit war von Anfang an eines der Markenzeichen der Sendung: Jahrelang haben die Figuren innerhalb der Sendung die Sendung kommentiert, jetzt leiten sie zuweilen zum nächsten Beitrag über oder beschweren sich über den ein oder anderen Gag. Die Prise Brecht'sche Verfremdung ist nicht dem distinguierten Publikum geschuldet, sondern ist auch Reminiszenz an die – gewaltige – Theatralik der katalanischen Politik, sagt Produzent Jaume Buixo.
    "In der katalanischen Politik gab es eine Menge Theatralik. Vermutlich waren die Politiker viel bessere Schauspieler als unsere. Lange ging es bei der Unabhängigkeitsdebatte tatsächlich nur darum, wer am besten pokert, wer den längsten Atem hat. Seit ein paar Wochen aber wird gehandelt, da werden Fakten geschaffen."
    Seit der Katalonienkonflikt hochkocht, dauern die Redaktionskonferenzen nur halb so lang, seien aber doppelt so ergiebig, sagt Buixo. Je komplizierter die politische Lage, desto schneller purzeln die Gags.
    Die Reaktionen auf seine Jetzt-doch-noch-nicht-Unabhängigkeitserklärung erhielt Puigdemont vor zwei Wochen als onomatopoetisches Gedicht.
    Jetzt kämpft er mit der alten verführerischen Garde seiner Partei und der kompletten Planlosigkeit seiner Regierung – für den Fall der Unabhängigkeit.
    Die Sympathien der Programmmacher liegen - ohne Präferenzen für eine bestimmte Partei zu zeigen – eindeutig bei den unabhängigkeitsbewegten Katalanen.
    Die politische Spannung bringt gute Quoten
    Die Regierung aus Madrid ist ein Haufen leicht vertrottelter, ewig Gestriger, der den gefürchteten Artikel 155, die Aufhebung der katalanischen Autonomie, als King Kong von der Leine lässt.
    Je angespannter die Situation, desto besser die Quote. Die Sendungen nach dem Unabhängigkeitsreferendum und den Ultimaten aus Madrid und Barcelona gehörten mit einem Marktanteil von 27 Prozent zu den meist gesehenen in der elfjährigen Geschichte des Programms.
    "Die Fernsehbilder von den alten Leuten, die Platzwunden von den Polizeiknüppeln hatten, haben uns alle ziemlich fertig gemacht und haben gezweifelt, ob wir überhaupt senden sollten. Dann haben wir aber gemerkt, dass darin auch eine Chance liegt, zur Entspannung der Situation beizutragen – und die Leute zum Lachen zu bringen, ohne sie ins Lächerliche zu ziehen."
    Beliebtes Stilmittel: die musikalische Einlage. Wenn ein wieder auferstandener Diktator Francisco Franco, umringt von rumbatanzenden Polizisten, näselnd seine Weise vom 1. Oktober trällert, können auch diejenigen darüber lachen, die sich ein paar Stunden zuvor noch fürchterlich über Madrids hartes Durchgreifen echauffiert haben.
    Für heute hat die Redaktion zwei Programme gedreht: Eines für den Fall, dass Puigdemont am späten Nachmittag doch noch einlenkt und Neuwahlen ausruft, eines für den wahrscheinlicheren Fall einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung.
    Am Set laufen die Proben für einen Gag. Carles Puigdemont steht vor einem Green Screen und deklamiert – da wird er von zwei spanischen Polizisten verhaftet. Es wäre nicht das erste Mal, das Realität und Fiktion bei Polònia verschmelzen.