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Die Rolle der Gen-Analyse in der Landwirtschaft

Dem Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft, also in der freien Natur, stehen breite Teile der Öffentlichkeit skeptisch bis ablehnend gegenüber. Ganz im Gegensatz zur Anwendung im medizinischen Bereich. Hier - im geschlossenen Labor - gibt es so gut wie keine Vorbehalte. Und auch ein weiterer Arbeitszweig mit Genen, die Genanalyse, ist wenig umstritten - und das wiederum auch für und in der Landwirtschaft. Denn in Zeiten der Rinderkrankheit BSE kann mit Hilfe der Genanalyse beispielsweise die Herkunft eines Rinderbratens geklärt werden. Eine Einrichtung in Deutschland, die vielseitig mit Genanalysen arbeitet, ist das Tierärztliche Institut in Göttingen. Und in einem Punkt ist die Arbeit sogar - nach eigenen Angaben - weltweit einzigartig: das Institut sammelt nämlich Proben von allen Tierarten für eine internationale Gen-Datenbank.

von Elke Drewes | 17.10.2001
    Er ist den Pferdemördern auf der Spur, Versicherungsbetrügern und Etikettenschwindlern: Der Direktor des tierärztlichen Institutes der Göttinger Universität, Bertram Brenig ist eine Art Gen-Detektiv. Sein wichtigstes Instrument: eine Maschine, die aus Hautfetzen oder Fellhaaren DNA-Sequenzen isoliert. Die Genanalyse klärt mit 99,9-prozentiger Sicherheit die Identität eines Tieres.

    Was bei der Identitätskontrolle untersucht wird sind verschiedene Gen-Orte im Genom der Tiere, in der Erbsubstanz der Tiere und man vergleicht diese verschiedenen Gen-Orte, untersucht eine entsprechenden Anzahl genetischer Merkmale und wenn nur eines abweicht, dann muss ausgeschlossen werden, dass da etwas identisch ist .

    Ein spektakulärer Fall aus jüngster Zeit: die Kriminalpolizei hat den Gen-Detektiv beauftragt, die Spuren zu deuten, die Pferdemörder in Norddeutschland hinterlassen hatten.

    Hier sind Spuren wichtig von den Pferdedecken, Blutspuren an Messern, um herauszufinden, ob die Täter, die Pferdemorde durchgeführt haben, die gleichen sind.

    Die Ermittlungen laufen noch, deshalb verrät Bertram Brenig nicht das Untersuchungsergebnis. Nicht nur die Kriminalpolizei, auch Versicherungen wenden sich an ihn. Zum Beispiel, wenn ein Autofahrer Totalschaden an seinem Wagen meldet, weil ihm angeblich ein Reh ins Auto gelaufen ist.

    Wir müssen dann klären, anhand von Haaren, ob es sich um ein Wildschwein, einen Fuchs, ein Reh handelt oder ob vielleicht ein Haushund des Besitzers als Unfallverursacher eingesetzt worden ist.

    Im letzteren Fall zahlt die Versicherung nicht, sondern zeigt an wegen Betrug. Im Auftrag des Zolls deckt der Göttinger Gen-Detektiv auch Etikettenschwindel auf: Wenn z.B. der Zoll ganze Ladungen Kaviar sicherstellt, soll er prüfen, ob die teure Delikatesse vom Stör stammt oder nur eine billige Fisch-Rogenmischung ist. Doch den Löwenanteil an Aufträgen bekommt der Göttinger Molekularbiologe von Rinderhaltern und -züchtern. Die beunruhigt seit kurzem eine tödliche Knochendeformation bei den Schwarzbunten. Die Anlagen dazu hatte ein Zuchtbulle an Nachkommen weitergegeben:

    Das ist die "CVM", eine Deformation der Wirbelsäule. Man sieht es nicht bei Tieren, die nur die Anlage tragen, sie geben aber diesen Defekt weiter an die Nachkommen. Für die Untersuchung können ganz verschiedene Materialien verwendet werden. Es muss aber Erbsubstanz, DNA, enthalten: Sperma von Bullen, Blut, oder im einfachsten Fall: ausgezupfte Haare mit Haarwurzeln.

    In Zukunft setzen die Rinderzüchter auch andere Methoden ein, um Gewebe von jedem Tier zu konservieren: wenn das Kalb eine Ohrmarke bekommt, wird automatisch ein Stück Gewebe aus dem Ohr gestanzt und in einem kleinen Plastikrohr verplombt. Mit diesen Gewebeproben kann Bertram Brenig nicht nur Gen-Defekte, sondern auch die Herkunft eines Tieres genau bestimmen. Seit der BSE-Krise bekommt das tierärztliche Institut besonders viele Anfragen, hat z.B. auch die Herkunft des Azorenrindes untersucht, das an BSE erkrankt war und laut Papieren von deutschen Zuchttieren abstammen sollte. Da es von den angegebenen Eltern Gewebeproben gab, zeigt die vergleichende Genanalyse eindeutig, dass sie nicht die Eltern waren. Die Gewebeprobe ist also ein wichtiges Indiz. Deshalb rät der Göttinger Molekularbiologe allen Tierzüchtern: Gewebeproben an das Institut zu schicken.

    Nicht nur Rinderproben, sondern auch Proben von wertvollen Pferden oder Katzen. Sollten die in Diebeshände geraten, kann eine vergleichende Gen-Analyse ihre Identität fälschungssicher aufdecken.

    Und weltweit einzigartig: der Göttinger Wissenschaftler ist dabei, eine internationale Gen-Datenbank anzulegen. Sie soll u.a. vom Aussterben bedrohte Tierarten retten.

    Da werden Tiere dann quasi genetisch konserviert, da müssen wir neben der reinen Speicherung von Gewebe auch Material speichern, das wieder eingesetzt werden kann, um Tiere zu zeugen, d.h. Sperma und Embryonen.

    Mit künstlicher Befruchtung können dann seltene Wasserbüffel- und Hausschweinarten wieder vermehrt werden. Und nicht nur das.

    Da hatten wir eine Nachfrage aus den arabischen Emiraten: ob es möglich wäre von ganz wichtigen Hengsten Probenmaterial zu konservieren, um damit über Klonierung das Material eines wertvollen Renntieres zu konservieren. Das ist möglich, in dem Fall aber leider nicht, weil der Hengst drei Wochen vor der Anfrage verendet war und nicht rechtzeitig Probenmaterial konserviert wurde. Wir haben dem Scheich empfohlen künftig vorher Material zu asservieren. Aus dem Zellmaterial ließe sich ein identischen Individuum wieder erzeugen, ob das dann die gleiche Rennleistung bringt, ist andere Frage, aber zumindest ist es genetisch identisch.

    Für die internationale Gen-Datenbank sammelt das Göttinger Tierärztliche Institut noch Proben von Tierzuchtvereinen, privaten Haltern und Jägern aus aller Welt: Adlerfedern, Fell- und Blutproben und sogar Bärenkot.