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Die Spur führt zum Sammler der Teufelsgeigen

Lars Kepler ist das Pseudonym des schwedischen Autoren-Ehepaars Alexandra und Alexander Ahndoril. Nun kommt ihr zweiter Krimi um den schwedisch-finnischen Ermittler Joona Linna heraus. Sechs weitere Bände sollen folgen und die Tradition des schwedischen Kriminalromans fortführen.

Von Sabine Schmidt | 09.01.2012
    Alexandra und Alexander Ahndoril machen vieles anders als ihre Kollegen. Ihr großes Vorbild ist nicht das legendäre schwedische Autorenpaar Sjöwall/Wahlöö. Diese beiden haben in den 60er- und 70er-Jahren gesellschaftskritische Polizeikrimis um ihren Kommissar Martin Beck geschrieben. Bis heute gibt es kaum einen skandinavischen Krimiautor, der sich nicht auf sie beruft.

    Außer eben den Ahndorils. Ihr großes Vorbild ist ihr Landsmann Stieg Larsson. Sie wollen so spannend und so komplex schreiben wie er. Und nicht nur Polizei- oder Ermittlerkrimis, sondern weiter ausholende Geschichten. Auf jeden Fall wollen sie, indem sie mit der Sjöwall/Wahlöö-Tradition brechen, eine neue Stimme, einen neuen Tonfall in die schwedische Krimiliteratur bringen.

    Begonnen haben sie dieses ehrgeizige Projekt mit dem "Hypnotiseur". Im Herbst 2010 ist das Buch in deutscher Übersetzung erschienen. En respektabler Erfolg. Und jetzt ist "Paganinis Fluch" zu lesen, der zweite Krimi ihrer auf immerhin acht Bände hin angelegten Serie um den schwedisch-finnischen Ermittler Joona Linna.

    Diese neue Geschichte beginnt in Stockholm, als drei junge Menschen mit einer Motoryacht in einen Sommertag aufbrechen: die engagierte, schöne Friedensaktivistin Penelope, neben Joona Linna die zweite Hauptfigur dieses Buchs, ihre Schwester Viola und Penelopes Freund Björn. Der Sommertag aber endet in einer Katastrophe. Als Penelope nach einem Landausflug zu einer der Schäreninseln wieder an Bord kommt, ist ihre Schwester tot. Sie findet sie in einer der Kabinen der Motoryacht - und flüchtet nach draußen.

    Als sie aufs Achterdeck hinauskommt, ringt sie nach Luft, als wäre sie dem Ersticken nahe. Sie hustet und schaut sich mit eiskaltem Grauen im Körper um. In hundert Metern Entfernung sieht sie am Ufer einen fremden Mann in schwarzen Kleidern. Penelope erfasst den Zusammenhang. Sie weiß, dass es der Mann ist, der sich im Schatten unter der Brücke in dem Militärschlauchboot aufhielt, der ihr den Rücken zuwandte, als sie das Boot passierte. Sie begreift, dass dieser schwarz gekleidete Mann Viola getötet hat und noch nicht fertig ist.

    Verzweifelt und panisch flieht Penelope vor dem Profikiller, zusammen mit Björn. Erst mit dem Boot, dann über Land. Ein bisschen "James Bond" darf dabei sein. Währenddessen wird die Motoryacht gefunden, die in den Schären vor sich hintreibt. Anfangs hält die Polizei die Tote an Bord für Penelope, weil die beiden Schwestern sich sehr ähnlich sehen. Der eigensinnige, allen überlegene Ermittler Joona Linna schaut sich den Tatort an - und überlegt, wie die junge Frau zu Tode gekommen ist. Sie ist ertrunken, so viel ist klar. Aber nur in ihrer Lunge, nicht an ihrem Körper, kann Seewasser nachgewiesen werden.

    Ein weiteres Mal blickt Joona durch die Glastüren hinaus, und zum zweiten Mal fällt sein Blick auf den Eimer mit der Schnur. Er steht neben einer Zinkwanne, in die jemand einen Neopren-Anzug geworfen hat. Die Wasserskier liegen parallel zur Reling. Joonas Blick kehrt zu dem Eimer zurück. Er betrachtet die Schnur, die um den Griff gebunden ist. Der geschwungene Rand der Zinkwanne glänzt in der Sonne, leuchtet wie eine Mondsichel.

    Plötzlich überkommt es ihn einfach: Joona sieht den Ablauf der Ereignisse mit eisiger Klarheit vor sich. Er wartet, bis sein Herz sich wieder ein wenig beruhigt hat, lässt sich dann nochmals von den Geschehnissen durchströmen und ist sich anschließend vollkommen sicher, dass er recht hat.

    Die als Penelope Fernandez identifizierte Frau ertrank in dem Waschzuber.


    Bevor sie sich als Lars Kepler zusammentaten, schrieben Alexandra und Alexander Ahndoril - jeder für sich - erfolgreiche Romane mit historischen Themen. Inzwischen bewegen sie sich sicher auch im Spannungsmetier. Der zweite Band nach dem sensationell erfolgreichen Debüt "Der Hypnotiseur", wo eine Familie regelrecht abgeschlachtet wird, ist weniger gewalttätig und blutrünstig. "Paganinis Fluch" ist nicht mehr so sehr auf den Hang zum Sensationellen, Schockierenden hin ausgerichtet. Dieser zweite Band einer insgesamt auf sage und schreibe acht Bände hin angelegten Zyklus ist auch besser durchgearbeitet.
    In Schweden gibt es einen regelrechten Medienrummel um "Lars Kepler". Die beiden Bände um Kommissar Joona Linna wurden und werden in 36 Sprachen übersetzt. Allein vom ersten Band wurden bis heute mehr als zwei Millionen Exemplare verkauft. Und auch die Filmrechte sind schon vergeben. Und zwar für alle bisher geplanten acht Bände. Das Autorenpaar Ahndoril hat ein ausgeprägtes Gespür für das, was Leser erwarten, die nicht mehr und nicht weniger wollen als einen spannenden Krimi zu konsumieren. Seine Kriminalromane sind oberflächlicher, aber auch schneller, atemloser und actionreicher als die Bücher anderer skandinavischer Krimiautoren. Und weniger depressiv. Somit unterläuft "Paganinis Fluch" ein Klischee, das sich mit den Jahren bei der Rezeption schwedischer Krimis gebildet hat. Außerdem bietet "Paganinis Fluch" mehr als eine bloße Kriminalgeschichte. Es geht um Motive mit international politischer Brisanz. So setzt sich der Roman ausführlich mit dem Thema weltweiten Waffenschmuggels auseinander. Und es geht auch, wie der Titel "Paganinis Fluch" andeutet, um Musik. Die letzte Spur führt zu einem Mann, der die Violinen des Teufelsgeigers sammelt. Alles in allem: ein durchaus harter Krimisound, eine spannende Lektüre.

    Lars Kepler:
    Paganinis Fluch. Kriminalroman. Übersetzt aus dem Schwedischen von Paul Berf, Lübbe Verlag, 621 Seiten, 19,99 Euro