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Die Tage und die Gene
Zeitpunkt der Pubertät könnte von mehr als 1000 Genen bestimmt werden

Entwicklungsbiologie. - Der Zeitpunkt der ersten Menstruation ist individuell unterschiedlich. Er wird in gleichen Teilen von Umwelteinflüssen und von den Genen bestimmt, doch wie genau sie aussehen und zusammenspielen, ist noch weitgehend unerforscht. Ein internationales Forscherteam hat sich jetzt angeschaut, welche Gene den Zeitpunkt der ersten Menstruation bestimmen – und ihre Ergebnisse heute im Fachblatt "Nature" veröffentlicht.

Von Marieke Degen | 24.07.2014
    Eine Petrischale mit Bakterienkulturen zur Genvermehrung und Reaktionsgefäße mit Enzym- und Salzlösungen für gentechnische Arbeiten
    Will man herausfinden, welche Gene den Beginn der Pubertät steuern, muss man sich auf ein komplexes Puzzle einstellen. (dpa picture alliance / Michael Rosenfeld)
    Sie ist wohl für jedes Mädchen etwas ganz besonderes: die erste Menstruation. Wer wann das erste Mal seine Tage hat, wird aber nicht nur auf dem Schulhof diskutiert, oder auf den Ratgeberseiten von Jugendzeitschriften. Auch Genetiker interessieren sich dafür – wie John Perry von der Universität Cambridge.
    "Der Zeitpunkt der Pubertät hat einen Einfluss auf das spätere Krankheitsrisiko. Mädchen, die früher in die Pubertät kommen, haben etwa ein höheres Risiko, an Typ-2-Diabetes, Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auch an Brustkrebs zu erkranken. Im Moment wissen wir aber zu wenig darüber, wie der Zeitpunkt der Pubertät bestimmt wird. Wenn wir das herausfinden, dann können wir hoffentlich auch besser nachvollziehen, warum eine frühe Pubertät solche Krankheiten begünstigt."
    Der Zeitpunkt der ersten Menstruation wird zum einen von Umweltfaktoren bestimmt und zum anderen vom Erbgut. Nur: welche Gene sind daran beteiligt? Genau das hat John Perry untersucht, in einem Mammutprojekt mit Kollegen auf der ganzen Welt. Zusammen haben sie das Erbgut von fast 200.000 Frauen ausgewertet.
    "Wir haben mehr als 100 genetische Varianten – also Unterschiede im Erbgut - entdeckt, die mit dem Zeitpunkt der Pubertät in Verbindung gebracht werden konnten. Wahrscheinlich könnten aber Tausende von Varianten und Genen daran beteiligt sein."
    Damit war klar: Die biologischen Prozesse, die den Eintritt in die Pubertät regeln, sind wohl noch komplexer als angenommen. Und: Unter den vielen genetischen Varianten, die John Perry und seine Kollegen ausfindig gemacht haben, waren tatsächlich auch solche, die schon länger mit Krankheiten in Verbindung gebracht werden.
    "Einige der Gene sind etwa auch bei der Entstehung von Fettleibigkeit involviert – eine frühe Pubertät und Adipositas im Erwachsenenalter sind genetisch miteinander verknüpft. Aber von vielen anderen Pubertätsgenen wissen wir noch nicht, wie sie die Krankheitsrisiken beeinflussen."
    Bei der Frage, wann ein Mädchen in die Pubertät kommt, scheint das Gewicht eine Schlüsselrolle zu spielen. Mädchen, die sich schlecht ernähren und dazu noch genetisch vorbelastet sind, haben früher mehr Körperfett und bekommen früher ihre Menstruation. Später können die Gewichtsprobleme andere Krankheiten begünstigen – wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
    Perry: "Das ist eine mögliche Verbindung zwischen Pubertät, Fettleibigkeit und anderen Krankheiten. Doch es gibt wahrscheinlich noch andere Mechanismen. Frauen, die früh in die Pubertät kommen, haben etwa auch ein höheres Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Und viele denken, dass Hormone dafür verantwortlich sind – und nicht das Körperfett."
    Auf die Forscher warten also schon die nächsten Mammutprojekte: Sie müssen bis ins kleinste Detail untersuchen, wie sich die Pubertätsgene auf den Körper auswirken, welche Fäden an welchen Stellen zusammenlaufen müssen, damit etwa Brustkrebs entsteht. Es wird dauern, bis sie das Geflecht entwirrt haben, aber:
    "Wenn wir mehr darüber wissen, wie diese Krankheiten entstehen, dann könnte man vielleicht auch neue Methoden finden, um sie zu verhindern."