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DLF-Sportgespräch
"Gut, dass wir anfangen, uns teurer zu verkaufen"

Am Montag startet die Tischtennis-Weltmeisterschaft in Düsseldorf. Auf Deutschlands Spitzen-Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov lasten dabei die größten Erwartungen. Seine größten Gegner: die Chinesen. Doch auch die sind nicht unschlagbar. "Sie müssen enorm stark sein, weil der Druck, jedes Mal zu gewinnen, ist immer gegeben", sagte Ovtcharov im DLF-Sportgespräch. Weiteren Regeländerungen erteilt er eine Absage.

Dimitrij Ovtcharov im Gespräch mit Matthias Friebe | 28.05.2017
    Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov
    Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov ist eine der Hoffnungen des deutschen Teams bei der WM in Düsseldorf (imago sportfotodienst)
    "Mit den Zuschauern im Rücken haben wir sicherlich einige Prozent Auftrieb. Weltmeister ist in meinen Augen sehr, sehr weit. Ich möchte mir nicht den Druck machen, unbedingt ins Halbfinale oder Finale zu kommen. Wenn ich mein bestes Tischtennis spiele, wird mich das weit bringen", sagte Dimitrij Ovtcharov im Deutschlandfunk im Hinblick auf die Weltmeisterschaft im eigenen Land.
    Ein Ausscheiden vor dem Viertelfinale würde er dabei als Enttäuschung werten. Die größten Gegner in Düsseldorf werden die Chinesen sein, die eine schier unüberwindbare Übermacht bilden. "Das ganze Förderkonzept der Chinesen ist natürlich einmalig. Die trainieren im Alter von acht Jahren schon zehn Stunden am Tag. Sie besuchen keine Schule, spielen nur Tischtennis. Die Stunden, die sie in der Halle investieren und in der Qualität, wie sie das machen, ist einfach nicht vergleichbar mit uns."
    "Mental als schwach abgestempelt, dann kommt der Nächste und das war's"
    Ovtcharov, der aktuell beim russischen Verein Fakel Orenburg unter Vertrag steht, schilderte im Deutschlandfunk auch, unter welch enormen mentalen Druck die Chinesen dabei durch ihre andauernden Erfolge stehen. "Sie müssen enorm stark sein, weil der Druck, jedes Mal zu gewinnen und nie zu verlieren, ist immer gegeben. Wenn man als Chinese zu Beginn der Karriere ein-, zweimal verliert, dann wird man als mental schwach abgestempelt, dann kommt der Nächste und das war's. Ma Long hat 2010 bei der Mannschafts-WM gegen Timo Boll verloren, und deshalb haben sie ihn als Weltranglisten-Ersten 2012 nicht mit zu Olympia genommen. Dadurch haben sie einen enormen Druck und können normalerweise von Beginn an nicht so gut performen, wie sie eigentlich im Training können."
    Der 28-Jährige zeigte sich zwiegespalten mit der unterschiedlichen Wahrnehmung seiner Sportart. Zwar sei er froh, dass er in Deutschland im Vergleich zu Profi-Fußballern seine Privatsphäre habe, aber ihn ärgere das Tischtennis in Europa als "Hobbysport" aufgefasst werde. "Es wird nicht wahrgenommen, dass man vom Tischtennis gut leben kann und dass es ein hochwertiger Sport ist. Es ist ein Gesundheitssport, den alle ein bisschen betreiben. Wenn alle wissen würden, wie viel man im Tischtennis eigentlich verdienen kann, dann würde auch die Aufmerksamkeit steigen. Man muss nicht zwingend absolute Weltspitze sein, um sechsstellige Beträge zu verdienen. Wir haben Spieler in der Nationalmannschaft, die sind abgeschlagen in der Welt und verdienen immer noch gut. Weltstars in China verdienen gerüchteweise im zweistelligen Millionenbereich. Aber ich glaube, dass weiß hier eigentlich gar keiner."
    Weitere Regeländerungen? - "Irgendwann ist es auch gut"
    Bei der WM wird erstmals auch auf schwarzen Tischen gespielt, die TV-Box wird mit LED-Banden ausgestattet, Maßnahmen die Ovtcharov begrüßt. "Es ist gut, dass wir anfangen, uns etwas teurer zu verkaufen, damit es nicht so aussieht, wie in jeder Turnhalle."
    Weitere Regeländerungen im Tischtennis will der deutsche Spitzenspieler aber nicht sehen. "Wir haben sehr, sehr viele Regeländerungen gehabt im Tischtennis, mehr als fast jede andere Sportart. Es hat sich nicht groß etwas positiv dadurch entwickelt. Deswegen bin ich kein großer Fan von vielen Regeländerungen. Ich glaube, der Sport ist schon gut."
    Komplett ablehnend steht er Änderungen bei den Aufschlägen oder den Bällen gegenüber. "Die Aufschläge haben wir schon zweimal entschärft. Irgendwann ist es auch gut. Da haben sich schon Leute Gedanken gemacht, alle haben sich angepasst. Das immer wieder zu wiederholen, ist einfach kein Zustand für die Spieler. Wir haben die Bälle schon mehrfach verändert. Irgendwann ist es auch gut."
    Das gesamte Gespräch können Sie mindestens sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.