Dienstag, 19. März 2024

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"Drama Series Days"
Von libanesischen Gangstern und Meteoriten

Bei den "Drama Series Days" treffen sich während der Berlinale Produzenten, Autoren und Auftraggeber aus der Serienbranche. Beispiele wie "4 Blocks" oder "Babylon Berlin" zeigen, dass inzwischen auch aus Deutschland aufwendige Produktionen kommen – auch weil es für Kreative noch viel Freiraum gibt.

Michael Meyer im Gespräch mit Sören Brinkmann | 20.02.2018
    Szenenbild: Toni und Abbas Hamady sind unterhalten sich in einem Hinterzimmer. (Bild:© 2017 Turner Broadcasting System Europe Limited & Wiedemann & Berg Television GmbH & Co.)
    Auf den "Drama Series Days" in Berlin wurde unter anderem die zweite Staffel von "4 Blocks" vorgestellt (© 2017 Turner Broadcasting System Europe Limited & Wiedemann & Berg Television GmbH & Co. )
    Die Berlinale ist nicht nur Treffpunkt der Filmschaffenden, am Rande finden auch noch einige Veranstaltungen statt: Podiumsdiskussionen oder auch der "European Film Market", ein Handelsplatz für Produzenten und Verleiher. Und nicht bei allen Veranstaltungen geht es immer nur um Kinofilme – es gibt auch noch die "Drama Series Days". Und die legen den Fokus auf das internationale Filmschaffen und was da so an attraktivem Nachschub kommt. Gestern haben die Deutschen ihr Können auf den "Drama Series Days" gezeigt und Michael Meyer hat es sich angesehen.
    Sören Brinkmann: Herr Meyer, wie schneiden denn die Deutschen ab im internationalen Vergleich?
    Michael Meyer: Sie haben erheblich aufgeholt, also gut bis sehr gut stehen die deutschen Serienproduzenten da, das muss man echt sagen. Es gibt ein großes Interesse hier daran, was die Deutschen produzieren. Das liegt natürlich auch daran, dass es in den letzten Jahren deutlich bessere und aufwendigere Produktionen gab, – man denke nur an "Deutschland 83" oder "Babylon Berlin", das ist ja schon jetzt ein internationaler Erfolg, der in über 60 Länder verkauft wurde. Und daran sieht man schon: Es gibt ein Interesse an deutschen Produktionen und auch an deutschen Themen. "Das Boot" wird jetzt auch als Serie verfilmt. Also, es gibt hier ein halbes Dutzend Serien, die gestern vorgestellt wurden, die alle sehr unterschiedliche Themen behandeln. Und jede einzelne ist auf ihre Art sehr interessant und überzeugend, fand ich. Man muss allerdings auch sagen: Manche der Serien sind ja noch nicht fertig, da sind ja nur sogenannte Showcases zu sehen – das sind so fünfminütige Trailer, wo man einen Eindruck bekommt von der jeweiligen Serie. Aber schon diese fünf Minuten sind zum Teil sehr, sehr, sehr spannend. Also: Das Genre lebt und ist wirklich sehr, sehr, sehr produktiv momentan.
    "Die Welt blickt auf uns"
    Brinkmann: Sie haben gerade schon einige Beispiele für aktuelle Produktionen genannt. Worum geht es in den jetzt vorgestellten neuen deutschen Serien? Welche Themen beschäftigen die Macher?
    Meyer: Also, interessant finde ich, dass nicht mehr nur diese Krimis produziert werden. Die Deutschen lieben ja Krimis, die laufen ja rauf und runter. Es gibt so eine Themenvielfalt, die ich ganz interessant fand. Zum Beispiel morgen Abend wird hier "Bad Banks" vorgestellt, das ist eine Serie, die habe ich schon vorab gesehen. Die läuft nächste Woche auf Arte und im ZDF. Und da wird auf sehr spannende und glaubwürdige Weise die Investment-Branche durchleuchtet – also, ganz nebenbei ist die Serie natürlich auch eine Anspielung auf die Finanzkrise 2009 [die Finanzkrise begann 2008, Anm. d. Red.]. Das Ganze ist sehr düster, sehr schnell inszeniert, sehr modern auch in seiner Bildsprache.
    Und dann gibt es noch eine andere Serie, die ich auch sehr interessant fand: Die heißt "Eight Days" - also "Acht Tage" – über die letzten acht Tage der Menschheit, wenn man so will, unter anderem mit Mark Waschke, Christiane Paul und Devid Striesow in den Hauptrollen. Worum geht es? Ein Meteorit strebt auf die Erde zu, die Menschheit hat nur acht Tage Zeit, sich zu retten. Das ist ja fast schon ein biblisches Thema. Und man ahnt schon: Es brechen alle möglichen nur erdenklichen menschlichen Konflikte auf - das macht die Serie so ungeheuer spannend. Ich habe mit Rafael Parente gesprochen, der ist Produzent der Serie – er hatte vor zwei Jahren auch die Serie "Hindafing" produziert – und ich habe ihn gefragt, wie er das sieht? Wo stehen die Deutschen heute bei der Serienproduktion?
    "Ich glaube, in Deutschland haben wir eine super Situation gerade, weil sich hier der Markt am schnellsten verändert. Andere Länder waren viel weiter als wir, aber jetzt blickt auch durch Produktionen wie '4 Blocks', 'Babylon Berlin', auch 'Deutschland 83' damals schon, blickt so ein bisschen die Welt auf uns, und das ist eine ganz spannende Zeit finde ich. Manche Leute reden vielleicht auch von einer Blase, aber in so einer Blase wird eben auch viel experimentiert - und es wird viel riskiert, und das ist für Kreative immer das Beste, wenn es noch nicht alles so festgefahren ist, noch nicht so konsolidiert."
    Die Öffentlich-Rechtlichen holen auf
    Brinkmann: Da spricht ein Kreativer. Nun hat es immer geheißen, die Öffentlich-Rechtlichen sind so sehr ins Hintertreffen geraten bei der Serienproduktion, die privaten Streaminganbieter und Pay-TV greifen da alles ab. Wie sieht es da nach Ihrem Eindruck aus? Holen die frei empfangbaren Sender auf?
    Meyer: Durchaus. Man muss erst mal festhalten, dass gerade die Bezahlsender, also Sky und TNT etwa, viel Geld in die Hand nehmen und sich eben auch an extremere Formen heranwagen. Also, gestern wurde ja beispielsweise die zweite Staffel von "4 Blocks" vorgestellt. Das ist ja eine Serie über einen libanesischen Familienclan in Berlin. Wer die Serie noch nicht kennt, nur am Rande erwähnt: Es geht um einen kriminellen libanesischen Clan. Das ist eine Serie, wo ich meine Zweifel habe, ob die bei den Öffentlich-Rechtlichen so gezeigt werden könnte, weil das Thema ist ja kontrovers und es ist auch sehr hart inszeniert. Aber ansonsten holen die Öffentlich-Rechtlichen durchaus auf. Man muss ja auch noch erwähnen, dass sich die frei empfangbaren Sender schwertun mit den Serien liegt ja auch so ein bisschen daran, dass viele Zuschauer eine andere Art entwickelt haben, die Serie zu konsumieren: also die Serien lieber am Stück zu sehen und nicht nur einmal die Woche. Aber Rafael Parente hat mir erzählt, dass er sich schon vorstellen kann, dass es da kurzfristig, mittelfristig einen Paradigmenwechsel geben wird:
    "Man kann sich nur daran erinnern, dass 'Deutschland 83' ein wahnsinnig gefeiertes Format war, was aber dann bei RTL zuschauermäßig gar nicht so gut funktioniert hat. Aber vielleicht ändert sich das. Man sieht ja auch das ZDF mit Koproduktionen wie 'Die Brücke', 'The Night Manager' waren sie auch dabei, also ich habe da ein großes Vertrauen, dass auch die deutschen Sender den Anschluss nicht verlieren werden."
    Also, die Zuschauer können sich darauf freuen, was da alles so derzeit in der Pipeline ist.
    Brinkmann: Michael Meyer über neue Serientrends. Die "Drama Series Days" laufen noch bis morgen auf der Berlinale. Vielen Dank für das Gespräch.