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Durch Wettbewerbsverzerrung in die Königsklasse?

Schalke spielt in der kommenden Saison in der Champions League. Allerdings haben die klammen Knappen die Grundlage dafür möglicherweise durch fragwürdige Finanztaktiken geschaffen. Wettbewerbsverzerrung lautet der Vorwurf: Unter normalen Umständen hätten die Schalker nach der Hinrunde eher kleckern und nicht so klotzen müssen.

Von Heinz Peter Kreuzer | 02.05.2010
    Schalke 04 feiert den Einzug in die Champions League. Ein Erfolg, für den nicht nur Kevin Kuranyi mit seinen Toren verantwortlich ist. Möglich gemacht hat dies in erster Linie die Gesellschaft für Energie und Wirtschaft GEW, eine hundertprozentige Tochter der Stadt Gelsenkirchen. Die kaufte im November 2009 für 15 Millionen Euro Anteile am Stadion der Schalker. Zusätzlich gewährten die GEW und die Stadtsparkasse Gelsenkirchen jeweils einen Kredit von fünf Millionen Euro. Mit diesen 25 Millionen Euro konnte Schalke seine Finanzlöcher stopfen und Verkäufe von Leistungsträgern vermeiden.

    Stattdessen wurde der Kader in der Winterpause weiter aufgestockt. Welche Auswirkungen Notverkäufe haben können, zeigt das Beispiel Hertha BSC: In der Vor-Saison spielten die Berliner um die Champioms League-Teilnahme mit. Nach der Saison mussten sie aus finanziellen Gründen Leistungsträger verkaufen. Jetzt steht die Hertha als erster Absteiger fest.

    Das städtische Sponsoring bei Schalke sei Wettbewerbsverzerrung und ein Fall für die Europäische Kommission. Es handele sich hier um einen klaren Fall von unerlaubten staatlichen Beihilfen, sagt Rechtsanwalt Andrés Martin-Ehlers, ein ausgewiesener Experte für Beihilfe-Recht:

    "Beihilfen sind jede Form von Subventionen und Vergünstigung, der Beihilfebegriff ist sehr weit, das kann das Unterlassen der Geltendmachung von Steuer- oder anderen Forderungen sein, zum Beispiel Sozialversichrungsforderungen."

    Im Fußball ist die EU-Wettbewerbskommission 2006 schon einmal eingeschritten. Als der AZ Alkmaar ein neues Stadion bauen wollte, musste der Verkauf der kommunalen Grundstücke neu verhandelt und bewertet werden, um den Vorwurf der unerlaubten staatlichen Beihilfen abzuwenden.

    Bei den Entscheidungsträgern in Gelsenkirchen wird zum Thema unerlaubte Beihilfen geschwiegen. Weder Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski noch GEW-Geschäftsführer Ulrich Köllmann wollten sich dazu diesem Sender gegenüber nicht äußern. In der "Sportbild" wird Baranowski so zitiert:

    "Bei dem Engagement der GEW handelt es sich nicht um Steuergelder. Es ist die Ausweitung der seit Anfang an bestehenden strategischen Beteiligung der GEW an der Arena-Gesellschaft. Es ist also auch keine Beteiligung am Verein. Das Geld wird am Ende der vereinbarten Laufzeit zurückgezahlt."

    Unabhängige Experten widersprechen dieser Sicht der Dinge. So weist beispielsweise der Rechtsanwalt Andrés Martin-Ehlers darauf hin, dass wohl kein privater Investor Interesse gehabt habe:

    "Die Kommission sieht es gerne, wenn sich ein privater Investor und die öffentliche Hand im gleichen Umfang beteiligen, oder im vergleichbaren Umfang. Weil dann ein Indiz dafür vorliegt, dass keine Beihilfe gegeben ist. Im vorliegenden Falle haben sie aber eine ausschließliche Investition der öffentlichen Hand, das ist ein starkes Indiz für eine staatliche Beihilfe."

    Denn wenn es wirklich ein lukratives Geschäft gewesen wäre, dann wäre durchaus möglicherweise eine private Bank oder ein privater Investor eingestiegen. Nur ist die Arena-Betreiber-Gesellschaft alles andere als ein gutes Investment. Unter anderem haftet sie für die Schechter-Anleihe von Schalke 04, in der insbesondere Zuschauereinahmen der nächsten 25 Jahre verpfändet sind, außerdem hat sie eine Landesbürgschaft mit ihren Betriebsgegenständen besichert:
    "Damit übernimmt die GEW im Prinzip alle Risiken, die sich für die Stadiongesellschaft ergeben. Die Mithaftung, die im Jahresabschluss der Betreibergesellschaft ausgewiesen ist, die Mithaftung für die Anleihe von Schalke 04."

    Dem Argument, dass die Gelder an die Betreiber-Gesellschaft gehen, widerspricht Anwalt Martin-Ehlers. Die Maßnahmen würden im Endeffekt ausschließlich dem Bundesligisten Schalke 04 zu Gute kommen:

    "Die erste Maßnahme ist, dass die GEW, die ehemaligen Wasserwerke von Gelsenkirchen, von dem Verein Schalke 04 Anteile an der Stadion-Betreibergesellschaft kaufen, Kommanditanteile, und damit die Mehrheit übernehmen. Im Kern ist es also so, dass der Kaufpreis für diese Anteile direkt an Schalke 04 e.V., den Verein in der Bundesliga fließen."

    Weiter gibt es Kredite von der GEW und der Stadtsparkasse über jeweils fünf Millionen Euro an die Arena-Betreibergesellschaft. Allerdings verwendet die Stadionbetreiber-Gesellschaft diese Mittel, um ihrerseits einen Kredit beim Bundesligisten abzulösen.

    Solche Hilfen sind bei Europäischen Kommission anmeldepflichtig. Als städtische Tochter hätte dies die Stadt Gelsenkirchen über die Bundesrepublik Deutschland in Brüssel genehmigen lassen müssen. Dieses Versäumnis könne jetzt schwerwiegende Folgen haben. Rechtsanwalt Martin-Ehlers:

    "Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seit dem Jahr 2003 führt dies dazu, dass alle Verträge nichtig sind. Darüber hinaus müssen wegen der Nichtigkeit Beihilfen zurückerstattet werden. Und es müssen auf die rückzuerstattenden Beihilfen Zinsen errichtet werden."

    Neben der Rückzahlung der Beihilfen könne die GEW auch auf Schadensersatz verklagt werden. Das Recht auf Schadensersatz hätten Konkurrenten aus der Bundesliga, die einen Champions League-Platz verpasst haben und denen so viele Millionen Euro entgingen. Und da die Verteilung der Fernsehgelder leistungsabhängig ist, können schlechter platzierte Bundesligisten wegen geringerer Einnahmen klagen. Selbst europäische Vereine, die wegen Schalke einen Transfer nicht realisieren konnten, sind klageberechtigt. Letztendlich müsste auch die Deutsche Fußball-Liga eingreifen. Bei einem Verfahren wegen unerlaubter Beihilfen müsste Schalke Rückstellungen in seine Bilanz bilden, und das würde auch Einfluss auf das Lizensierungsverfahren haben.