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E-Mobilität
Manuskript: Die Elektroauto-Batterie

Die Batterieforscher wissen so vieles über die verschiedenen Akku-Typne nicht, dass sie sich wundern, wie gut sie funktioniert. Das gilt für den alten Blei-Akku ebenso wie für die Lithium-Ionen-Zellen. Durch neue Materialien („dünne Schichten") und geschickte Ladestrategien sind letztere und ihre Varianten viel leistungsfähiger als noch vor wenigen Jahren und die Garanten für die Elektromobilität von morgen.

Von Maximilian Schönherr  | 27.04.2014
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    Eine vom Energiekonzern ABB in Wolfsburg aufgestellte und von Volkswagen finanzierte E-Tanksäule ermöglicht kostenloses Betanken mit Hochspannung. Ein Kleinwagen wie dieser "e-Up" lässt sich hier innerhalb von etwa einer Stunde komplett aufladen. (dpa/picture alliance/Maximilian Schönherr)
    Das unumstritten ansprechendste moderne Elektroauto baut ein junges amerikanisches Unternehmen namens Tesla. Der Luxuswagen beschleunigt in fünf Sekunden von 0 auf 100, fährt fast 200 Stundenkilometer schnell, und seine Reichweite liegt nicht bei den für Elektroautos üblichen 120 Kilometern, sondern bei 400 Kilometern. Der Wagen bewegt sich weitgehend lautlos. Wir hören hier nur die Reifen und den Wind.
    Möglich wurde diese Superpower nicht durch neue Technik, sondern durch den massiven Einsatz bestehender Technik: Die komplette Unterseite des Autos ist mit konventionellen Akkus vollgepackt, und zwar Akkublöcken, wie man sie von Laptop-Computern kennt. 8000 Stück. Die machen die Limousine sehr schwer.
    Das Tesla Model S ist kein Verkaufsschlager, hat aber die deutschen Hersteller von Automobilen kalt erwischt. "Typisch amerikanisch, protzen mit Masse, aber verdammt mutig", war beim Elektromobilitätskongress auf der letzten Automobilausstellung in Frankfurt zu hören, in einer Mischung aus Neid und Bewunderung. Wir in Deutschland, so die Autoingenieure, werden jetzt ganz sicher endlich e-mobil, versprochen, aber nicht mit zehn Jahre alter Akkutechnik. Wir machen neue Batterien, speziell für Elektroautos!
    Wesen?
    Martin Winter: "Also, dass die Batterien ein Wesen haben, das wird vielfach gesagt. Man kann sie mit dem biologischen Organismus vergleichen: Batterien altern, Batterien haben im Prinzip auch ein Verhalten wie ein Mensch, dass sie schlecht behandelt Schaden erleiden."
    Der unverstandene Akku
    Ob das Wesen unbekannt ist? In vielen Fällen haben wir viel über Batterien gelernt, aber in einigen Fällen erstaunlich wenig. Schönes Beispiel ist der Bleiakku, den es schon über 150 Jahre gibt: Der Bleiakku, auch als Starterbatterie bekannt. Findet sich in jedem Diesel- und Benzinauto. Besteht aus sechs Zellen. In jeder Zelle stehen sich zwei Scheiben aus Blei gegenüber, die Anode und die Kathode. Sie baden in Schwefelsäure, dem Elektrolyten. Startet man das Fahrzeug, zieht der elektrische Anlasser Strom aus der Batterie: Das Blei der Anode reagiert mit der Schwefelsäure und gibt dabei Elektronen, also Strom ab. Fährt man eine Weile herum, lädt die Lichtmaschine den Bleiakku wieder nach: Elektrische Energie aus der Lichtmaschine wird dadurch zu chemischer Energie.
    Martin Winter: "... und dessen Lade- und Entlademechanismus noch heute nicht verstanden ist."
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    Martin Winter, Leiter des Batterieforschungszentrums MEET an der Universität Münster. (dpa/picture alliance/Maximilian Schönherr)
    Schönherr: "Warum eigentlich nicht?"
    Winter: "Weil er so komplex ist, dass sich mit den Methoden, die wir haben, nicht alles detektieren lässt."
    Schönherr: "Können Sie ein Beispiel für solch einen völlig unverstandenen Prozess geben?"
    Winter: "Die Positiv-Elektrode, Bleidioxid. Da wundert man sich, dass die in einer Schwefelsäure in Lösung gehen kann; sollte sie eigentlich nicht tun. Es wird angenommen – aber es gibt dafür keine harten Beweise –, dass das ganze über einen Einlagerungsmechanismus beim Bleidioxid verläuft, dass da eine Verbindung entsteht, die dann löslicher wird. Aber letztendlich bewiesen ist das nicht."
    Schönherr: "Versteht man die Lithium-Ionen-Batterie besser?"
    Winter: "Ich glaube, viel besser als andere Systeme. Es liegt aber auch daran, dass wir noch nie eine Batterie so intensiv wie die Lithium-Ionen-Batterie untersucht haben."
    Martin Winter von der Universität Münster. Er hat dort ein eigenes Batterieforschungszentrum aufgebaut. Einige seiner früheren Forschungen zu Lithium Ionen-Akkus sind heute in der Unterhaltungselektronik wie in Mobiltelefonen zu finden. Seit langem tritt Winter für eine Elektrifizierung der Autos ein. An der Wand seines Büros hängt ein von seinem Bruder gezeichneter Cartoon, auf dem er als "Batteriepapst" dargestellt ist. Vor dem Gebäude steht eine Elektrotanksäule. Martin Winter ist Chemiker, und klassischerweise hat die Batterie ja auch mit Säften und chemischen Prozessen zu tun.
    Batterieforschung interdisziplinär
    Aber in dem "MEET" genannten Institut arbeiten auch viele Physiker und Materialforscher wie Frank Berkemeier und Lea Lüken. Die beiden schließen mir ein Labor auf, wir ziehen weiße Kittel an und stehen vor einem mannshohen runden Topf, in dem neue Beschichtungsmaterialien auf Elektroden aufgetragen werden, in so genannten "dünnen Schichten". Das ist Grundlagenforschung: welches Trägermaterial, wie dünn die Schicht, die man darauf bäckt, wie sich das Ganze dann in welcher Elektrolytflüssigkeit verhält?
    Nach über einer Stunde "backen" in dem Vakuumbehälter nehmen die Wissenschaftler die nur fingernagelgroße Probe heraus und schieben sie in eine Art Brutkasten. Darin setzen sie aus den frischen Elektroden das Basiselement einer Batterie zusammen, eine Zelle, etwa so groß wie ein dicker Daumen, mit gläserner Wand.
    Lea Lüken: "Unsere Zellen sind sehr wasserempfindlich. Deswegen bauen wir sie unter Argon zusammen, in einer großen Box mit Argon. Und wir können mit Handschuhen in diese Box rein und in dieser Box unsere Zellen zusammenbauen."
    Frank Berkemeier: "Diese Schichten haben etwa Dicken zwischen 100 Nanometern und zehn Mikrometern."
    In einer Lithium-Ionen-Zelle bewegt sich Lithium von einer Elektrode zur anderen Elektrode. Die Atome tun das nur, weil man ihnen Elektronen weggenommen und sie damit positiv aufgeladen hat – zu Ionen. Die positive Elektrode besteht in einer klassischen Lithium-Ionen-Zelle aus einer Kobalt-Verbindung, die negative aus Graphit. Auf ihrem Weg von Elektrode zu Elektrode durchwandern die Ionen einen Elektrolyten aus Salzen und Kunststoff.
    Martin Winter: "Wenn Sie überlegen, dass die Anode bei Potenzialen arbeitet, wo Sie sonst fast nichts haben. Also, da geht es nicht tiefer, es ist wirklich sehr negativ. Und darauf setzen Sie dann etwas, das dann die Kathode ist. Das hat dann so 3,6 bis 3,7 Volt zu der Anode. Und das ist ungefähr Chlorpotenzial, also ein starkes Oxidationsmittel.
    Frank Berkemeier: "Wir versuchen bei uns in der Arbeitsgruppe nicht nur die Elektrodenmaterialien als dünne Schichten herzustellen, sondern auch komplette Dünnschichtbatterien, indem wir die Anode, die Kathode und auch den Elektrolyten als dünne Feststoffschicht herstellen. Mit diesem kleinen Gerät vermessen wir die Feststoffbatterie."
    Lea Lüken und Frank Berkemeier beschäftigen sich mit der Physik der dünnen Schichten. Dünn heißt: größer als Nano-Dimensionen, aber so klein, dass man sie mit normalen Mikroskopen nicht betrachten kann. Die Wissenschaftler nutzen zur Analyse ihrer neuen Materialbeschichtungen zum Beispiel Röntgentechniken.
    Frank Berkemeier: "Dünne Schichten haben eine sehr definierte, teilweise eine sehr glatte Oberfläche, und gleichzeitig kann man – das ist jetzt vielleicht sehr physikalisch – die Korn-Orientierung der dünnen Schichten einstellen, sodass alle Körner die gleiche Ausrichtung haben und so als Batteriematerial besser geeignet sind."
    Im Prinzip geht es bei diesen dünnen Schichten immer um das eine: die Lithium-Ionen schön solide auf einer Seite der Zelle unterzubringen, aber nicht zu fest, denn irgendwann müssen sie sich lösen und durch den Elektrolyten auf die andere Seite durchwandern; dann parken sie auf der anderen Seite, und später, beim Neuladen, geht der Weg wieder zurück. Bei neuen Batterietypen wie der Lithium-Luft-Batterie kommt es hier zu Verklumpungen. Die Lithium-Ionen-Zelle dagegen funktioniert erstaunlich gut und mit den neuen Materialien immer besser.
    Gleichmäßiger Fortschritt
    Alle Experten, mit denen ich sprach, sind sich einig, dass die Entwicklung der Lithium Ionen-Technologie langsam vorangeht. Es gab zum Beispiel keine Sprünge in Sachen Lebensdauer. Lebensdauer hat bei Akkus zwei Bedeutungen: die Zahl der Auf- und Entladungen, bis sie kaputt gehen. Und die kalendarische Lebensdauer, wo der Akku durch "parasitäre" chemische Reaktionen, etwa durch zu warme Lagerung im Laptop-Computer, schnell für immer schlapp wird. Beide Arten der Lebensdauer sind seit der Erfindung von Lithium Ionen-Akkus vor rund 20 Jahren stetig gestiegen, nie aber sprunghaft. Mit einem Lithium Ionen-Akku aus dem Jahr 2000 könnte man ein modernes Smartphone nicht einen Tag lang benutzen, und der Akku wäre sicher in einem halben Jahr dahin.
    Es wird viel herum probiert, wie hier am MEET in Münster, und es kann sein, dass demnächst, vielleicht durch Zufall, ein Material- und Beschichtungsmix herauskommt, der der Lithium-Ionen-Zelle einen technischen Sprung beschert, vielleicht auch raschere Ladezeit, geringere Explosionsgefahr. Martin Winters Institut ist noch jung. Er geht von sieben bis zehn Jahren aus, bis eine hier entwickelte neue Zelltechnologie in Serie und damit ins Elektroauto gelangt. 2020 will er dann über Lizenzen Geld in sein Institut spülen.
    Dazu passt, dass in Münster nun auch die Helmholtz-Gemeinschaft ein Institut gründet, das auch, wie es heißt, neue "elektrochemische Energiespeichersysteme" entwickeln will und natürlich mit Martin Winters Institut zusammenarbeiten wird. Winter tut es leid, dass die Massenfertigung der Zellen nicht in Deutschland oder Europa stattfindet, sondern in Asien. Das war dort schon in den 1990er Jahren so, aus gutem Grund:
    "Die Asiaten haben gesagt: Wir haben da eine Kamera, die können wir nicht verkaufen, wenn sie nur eine halbe Stunde läuft; damit will keiner arbeiten. Wir brauchen ein neues Batteriesystem. Lasst uns mal schauen, was es so gibt. Das waren dann europäische Arbeiten, und die Asiaten haben die Lithium-Ionen-Technologie dann richtig zu einem Produkt entwickelt. Jetzt haben die Automobilhersteller erkannt, dass man mit der Elektrifizierung des Antriebsstrangs etwas machen kann, dass man damit effizienter fahren, Emissionen einsparen und möglicherweise auf Kurzstrecke rein elektrisch fahren kann. Natürlich ist das jetzt spät. Und es ist natürlich so, dass die deutschen Automobilhersteller in der Batterietechnologie schon einmal weit vorne waren und jetzt eben den Anschluss nicht gleich so kriegen konnten. ich glaube aber, dass das bewusst geworden ist, und dass auch unabhängig davon, dass viele sagen, das braucht noch seine Zeit, bis wir die Marktdurchdringung in der Gesellschaft mit Elektrofahrzeugen vollständig haben, bis alle eingesehen haben, dass es so, ohne Batterieforschung und -entwicklung im automobilen Bereich nicht geht."
    Die deutschen Automobilhersteller sind verhalten. Daimler zum Beispiel meldet viele so genannte "grüne" Patente an, alle zum verbrennungsfreien Fahren, also zur Elektromobilität. Aber der Stuttgarter Konzern betreibt selbst keine Zellforschung und hat das auch nicht vor. Auch die Zusammenarbeit mit dem Kamenzer Batterieunternehmen LiTech steht in Frage. Grund für den anstehenden Verkauf dieser Firma ist die harte Konkurrenz aus Asien.
    Der Lithium Ionen-Akku ist eine deutsche Erfindung der 1980er Jahre und übrigens auch ein Beispiel für wildes Herumprobieren: Man hatte eine Zelle entwickelt, die leicht war – leichter als Lithium sind nur Wasserstoff und Helium. Außerdem lieferten die Lithium-Ionen erstaunlich viel Spannung. Damit hatte man nicht gerechnet. Aber, einmal entladen, ließen sie sich leider nicht neu aufladen, ohne dabei kaputt zu gehen. Solche Einweg-Lithium-Ionen-Technik finden wir heute in vielen Knopfzellen. In Mobiltelefonen und Autos braucht man natürlich ein reversibles Verfahren, eben die Möglichkeit, tausend- oder zigtausend Mal immer wieder an der Steckdose nachzuladen. Woran hakte das damals?
    Martin Winter: "Das Anodenspiel der Lithium-Ionen-Zelle hat nicht funktioniert, weil man das eine Material genommen hat, nicht das andere. Man hat Propylenkarbonat genommen, weil es einen schönen Flüssigbereich hat. Bis dann jemand verstanden hat: Lass uns doch das Ethylenkarbonat nehmen, das sich wirklich nur in einer einzigen Methylgruppe im ganzen Molekül unterscheidet – und dann ging's auf einmal. Vorher ging gar nichts, die Anode ist kaputt gegangen. Auf einmal ging es. War das vorhersagbar? Sie müssen sich vorstellen, Sie haben dann etwas, das praktisch identisch ausschaut, bis auf eine Kleinigkeit, aber total andere Eigenschaften hervorruft. Deswegen ist so wenig vorhersagbar. Und deswegen ist es so unvorhersagbar, wie schnell wir hier Fortschritte erreichen können. Manchmal kommen wir unheimlich schnell mit einem Thema voran, erstaunlich schnell, und das sind dann die schönen Momente, die man im Forscherleben hat, und manchmal denkt man: Jetzt gehe ich das ganz systematisch an, und es führt alles ins Nichts."
    Akku-Simulation fällt schwer
    Ideal wäre es, mit schnellen Computern, den Gleichungen der Thermodynamik und der Diffusionslehre die gesamte Batterie zu simulieren. Der Physiker Frank Berkemeier:
    "Wenn Sie eine komplette Batterie simulieren wollen, würde ich sagen, wird das fast hoffnungslos kompliziert, weil es viele Bereiche in der Batterie gibt, wo ich zum Beispiel die atomare Struktur gar nicht ganz genau kenne, etwa an den Grenzflächen zwischen der Elektrode und dem Elektrolyten. Da bilden sich möglicherweise irgendwelche Reaktionsprodukte, und die sind eigentlich nicht wirklich bekannt."
    Schönherr: "Die sind nicht bekannt, weil man nicht so genau hingucken kann und die Batterie ja geschlossen ist und so langsam vor sich hin altert?"
    Berkemeier: "Ja, das ist ein ganz entscheidender Punkt. Insbesondere wenn ich sie aufmache, bekommt sie Kontakt mit Luft oder mit anderen Gasen, es reagiert irgendetwas. Beziehungsweise, wenn ich mit dem Röntgenverfahren drauf gucke, kann es sein, dass ich durch die Röntgenstrahlen die Schicht schon zerstöre."
    Die Lithium-Ionen-Batterie, genau genommen der Lithium-Ionen-Akku (auch die Forscher nehmen es hier nicht so genau, Akku, Batterie), ist im Moment konkurrenzlos. Für ein Elektroauto braucht man viele solcher Zellen, um auf 400 Volt zu kommen; das ist der weltweite Standard für die Spannung in Elektroautos.
    "Sie müssen die Batterie allein aus Sicherheitsgründen zwischen die vier Räder bauen. Die dürfen in keinem Fall im Bereich der Crash-Zonen liegen",
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    Jürgen Leohold, Leiter der Volkswagen Konzernforschung. (Volkswagen Presse)
    sagt Jürgen Leohold, Leiter der Konzernforschung bei Volkswagen in Wolfsburg,
    "und da bleibt Ihnen im Prinzip nur der Platz unter den Sitzen, vornehmlich unter der Hintersitzbank, wo beim Benziner in der Regel auch der Benzintank sitzt, und der Tunnelbereich übrig. Und die Zellen, die wir benutzen, die so genannten PHEV-2-Zellen, sind im Verband der deutschen Automobilindustrie mit mehreren unserer Wettbewerber standardisiert worden."
    PHEV – Plug-In Hybrid Electric Vehicle. PHEV-2 ist ein Standard für den Zusammenbau einzelner Lithium Ionen-Zellen in einem etwa taschenbuchgroßen Gehäuse. In einem PHEV 2-Block sind zehn runde, preisgünstige Einzelzellen mit je 3,6 Volt parallelgeschaltet.
    Jürgen Leohold: "Die Standardisierung haben wir in der Hoffnung gemacht, dass wir dadurch auf eine größere Stückzahl und auf günstigere Preise kommen."
    Ruth Holling: "Wir fahren schon, man hört praktisch nichts, denn hier wird ja nicht fossiler Brennstoff in Zylinder eingespritzt. Es macht also nicht puff. Die linke Anzeige ist die entscheidende. Da sieht man, ob wir beim Fahren von der Batterie etwas abziehen, absaugen, oder etwas hineinladen. Im Moment sind wir bei etwas über Null, das heißt wir cruisen so dahin, oder, wie nennt sich das noch einmal? Wir segeln. Ich gebe also ganz leicht Gas. Es gibt dann noch drei Rekuperationsstufen plus die Stufe B, wo letztendlich ein immer stärkeres Bremsgefühl entsteht, weil der E-Motor immer stärker genutzt wird, um zu rekuperieren. Und das ist ideal gerade in Städten, wenn dichter Verkehr ist, Sie kurze Bremswege haben. Sie sollen dabei also möglichst vermeiden, die Bremse zu nutzen, weil bei einer starken Bremsung auch Energie verloren ist."
    Ich bin hier mit Ruth Holling, Pressesprecherin in der VW-Konzernforschung, in einem vollelektrischen Kleinwagen in Wolfsburg unterwegs. Wenn man nicht dauernd auf den Schalthebel schielt, um zu "rekuperieren", also Bewegungsenergie in Batterieladung umzuwandeln, macht dieses Auto, wie alle neuen Elektroautos, viel Spaß. Die kräftige Beschleunigung ist ein Vergnügen für sich, und leise wie mit einem Fahrrad in einen Parkplatz zu rangieren, auch.
    160 Kilometer Reichweite sind nicht drin
    Eigentlich wollte ich mit dem Wagen von Wolfsburg nach Halle fahren, aber 160 Kilometer Reichweite sind nicht drin. Auf dem Weg dazwischen gibt es keine Lade-, geschweige eine Schnellladestation, wie die, die wir jetzt mitten in Wolfsburg anfahren: eine Vorzeige-E-Tankstelle mit Solardach und Windrad, mehreren konventionellen Ladesäulen à 6 Stunden Vollladezeit, und, zum Glück für uns frei, einer Schnellladestation. Tankrüssel und Kabel sind viel dicker als beim normalen Benzintanken, aber im Prinzip funktioniert das E-Tanken ähnlich.
    Ruth Holling: "Das ist eigentlich sehr einfach. Es dauert einen Augenblick, während sich das Auto mit der Ladestation in Verbindung setzen muss, und wenn der Ladevorgang startet, springt die Lampe auf grün."
    Schönherr: "Connect Okay, sagt er."
    Holling: "Start. Sie können ihn jetzt nicht mehr herausziehen. Denn wenn Sie in der Zeit einkaufen gehen, wollen Sie ja nicht, dass jemand Ihnen den Stecker herauszieht."
    Schönherr: "So, wie lang lädt er? 48 Prozent. Das sehen wir am Display der Zapfsäule. Geschätzt: nur noch 30 Minuten. Suchen wir mal die Akkus? Dazu müssen wir unter die Rückbank gucken. Ich lege mal meine Tasche weg und komme von der anderen Seite.... Nein, wir kommen hier nicht an die Batterie heran. "
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    Eine vom Energiekonzern ABB aufgestellte E-Tanksäule ermöglicht kostenloses Betanken mit Hochspannung. Aufgenommen in Wolfsburg am 04.02.2014. (dpa/picture alliance/Maximilian Schönherr)
    Holling: " Die Batterie sitzt unter der Rücksitzbank und im Unterboden des Fahrzeugs."
    Schönherr: "Wir kommen nicht dran. Wir sehen sie nicht. "
    Holling: " Also, wenn an der Batterie etwas gemacht werden muss, müssen Sie sowieso in die Werkstatt. Das ist auch aus dem Grund gemacht, dass der Kunde nicht zum Elektriker wird. "
    Schönherr: " In 18 Minuten wären wir voll; jetzt ist er bei 84 %. "
    Holling: "Da muss man jetzt dazu sagen, dass bei diesem Schnellladen die Batterie bis 80 Prozent mit 40 Kilowatt geladen wird, danach aber, um die Batterie nicht zu schädigen, wird die Ladeleistung systematisch abgesenkt. Das heißt, für diese letzten 15 Prozent brauchen Sie dann verhältnismäßig viel Zeit."
    Die Elektromobilitätsinitiative der Bundesregierung will Deutschland mit einer Million rein elektrischer Fahrzeuge bis zum Jahr 2020 weltweit an die Weltspitze bringen. Ein Hindernis auf diesem ambitionierten Weg ist noch nicht ausgeräumt, aber zumindest ausdiskutiert: die im Vergleich zum Verbrennungsmotor geringe Reichweite. Das Heer der deutschen Berufspendler fährt täglich nur einen Bruchteil der 120 Kilometer, die ein Elektroauto typischerweise bietet.
    Ein überwindbares Problem ist der Preis. Die Batterien sind im Moment noch horrend teuer, die Stückzahlen gering, also kostet ein Kleinwagen mit Elektromotor statt 15.000 Euro 25.000 Euro. Diese Preise werden sinken.
    Das entscheidende Problem ist die Infrastruktur. Wo kann ich meine Batterie aufladen? Die Frage stellt sich nicht nur auf dem Weg von Wolfsburg nach Halle, sondern auch abends, wenn ich mit Mühe in meinem Viertel einen Parkplatz finde – aber natürlich keine Steckdose. Nachdem die Bundesregierung mit ihrer "Nationalen Plattform Mobilität" schon eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung stellt, wie wäre es, wenn sich die Autohersteller, die ja Elektroautos verkaufen wollen, um die Infrastruktur kümmern, um die Steckdosen? Der Volkswagen-Technikchef Jürgen Leohold:
    "Da muss ganz klar in den nächsten Jahren etwas passieren, wenn die Elektromobilität über eine relativ überschaubare Klientel hinaus einen Markt erobern soll. Das Infrastrukturthema sehen wir nicht als unsere Aufgabe an."
    Dabei könnten die Automobilhersteller durchaus ihre neu gewonnene Batterie- und E-Mobilitäts-Expertise nach vorne bringen und selbst aktiv werden, statt nur zuzusehen. Elektroautos anzubieten, dem Kunden aber zu sagen, ums Aufladen musst du dich selbst kümmern, klingt nicht einladend.
    Batterie im Zentrum des Energiemanagements
    Beim Elektromobilitätskongress auf der Internationalen Automobilausstellung sprach der Vertreter eines deutschen Energiekonzerns davon, dass seine Firma etwas verkaufe, das nicht attraktiv sei, nämlich Strom. Strom von Kraftwerken sei einfach nicht sexy, meinte er. Sexy aber sei der Strom vom eigenen Solardach. Und sexy wird die Batterie, wenn sie ins Zentrum unseres Energiemanagements aufrückt. Werner Tillmetz, früher bei Daimler, seit langem im Vorstand des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg ZSW, macht eine grundsätzliche Attraktivitätsrechnung auf – für schlechtes Wetter:
    "Wie viel Energie brauche ich eigentlich, um das ganze Jahr über Auto zu fahren? Und wie viel Energie scheint auf mein Auto oder aufs Hausdach, das ganze Jahr über? Und wenn man sich das ausrechnet, dann stellt man fest: Mit einer 20 Quadratmeter Fotovoltaikanlage – das ist ungefähr ein Fünftel oder ein Sechstel eines Hausdachs – kann ich so viel Strom von der Sonne ernten, um ein ganzes Jahr lang Auto zu fahren."
    Schönherr: "Wirklich?"
    Tillmetz: "Das ist so, es ist extrem wenig, das ist total verrückt. Es hat natürlich viel mit Speicherung zu tun, um das alles umzusetzen. Woher kommt das ganze? Mein Auto nutze ich im Durchschnitt als deutscher Autofahrer maximal eine Stunde pro Tag. Die Sonne aber scheint mindestens an 150 bis 200 Tagen im Jahr und liefert mir Energie. Die muss ich dann einfach speichern und kann damit Auto fahren. Das funktioniert natürlich nur, wenn ich mit hohen Wirkungsgraden Auto fahre. Da kommt der Punkt ins Spiel, wenn ich einen Elektroantrieb habe, dass der Strom, mit dem ich die Batterie auflade und dann Auto fahre, im Verhältnis zur Bewegungsenergie, die ich damit erzeuge, bei etwa 80 Prozent Wirkungsgrad liegt. Ich habe also nur ungefähr 20 Prozent Verlust. Mit meinen schönen guten modernen Benzin- oder Dieselantrieb habe ich einen Wirkungsgrad von 20 bis 25 Prozent. Sprich: Aus 75 Prozent des guten teuren Diesels, das ich an der Tankstelle zapfe, erzeuge ich nur warme Luft, also nur Verluste, die nicht zur Fortbewegung dienen. Das hat mit physikalischen Prinzipien zu tun, dem Carnot-Faktor. Wenn man sich diese Unterschiede bewusst macht, versteht man eben, warum man mit relativ wenig Sonnenenergie das ganze Jahr über Auto fahren kann. Um das aber real machen zu können, braucht man einen guten Speicher, der den Strom speichert. Und eine Möglichkeit zu speichern ist wieder unsere Lithium-Ionen-Batterie."
    So ökologisch wunderbar das klingt, die Elektromobilität hat ihren ökologischen Rucksack: die seltenen Erden, die Metalle und andere rare Elemente. Lithium wächst nicht an Bäumen. Die Kobaltvorkommen sind weltweit sehr gering. Im größten Abbaugebiet im Kongo sterben jährlich Dutzende von schlecht bezahlten Arbeitern, darunter auch Kinder. Der Energieaufwand, um ein Gramm Kobalt zu gewinnen, ist hoch.
    Lithium-Ionen-Akkus ohne Kobalt
    Die Lithium Eisenphosphat-Batterie kommt ohne Kobalt aus; statt aus Kobalt besteht die Kathode aus Eisen. Diese Variante der Lithium Ionen-Batterie hat viele Vorteile, aber auch einen Nachteil: Sie hat eine niedrigere Energiedichte, ist also, einfach gesagt schwerer. Die Eisen-Variante wird bereits gebaut.
    Zu den zukünftigen Elektroautobatterien gehören auch Lithium-Schwefel- und Lithium-Luft-Batterien. Bei der Lithium-Luft-Zelle wird das Lithium an der Anode oxidiert, es reagiert also mit dem Sauerstoff aus der Luft. Die Energiedichte dieser Technik ist sehr hoch, aber alle Lithium-Ionen-Zellen gehen beim Eindringen von Wasser kaputt. Weil die Lithium Luft-Zelle den Sauerstoff aus der Luft bezieht, bezieht sie auch Wasserdampf. Das und weitere technischen Probleme verhinderten bisher, dass die Lithium-Luft-Batterie in Serie ging.
    Bei der Lithium Schwefel-Technik reagiert das Lithium an der Kathode mit Schwefel. Auch dieser Akkutyp weist eine viel höhere Energiedichte als heute übliche Lithium Ionen-Systeme auf, ist aber wegen technischer Probleme nie über den Prototyp-Status hinausgekommen. Ähnliches gilt auch für Batterietypen mit fluorierten Bauelementen. Der Elektroboom hat einen ganzen Zoo an neuen Materialkombinationen bewirkt. Das Ulmer Forschungsinstitut von Werner Tillmetz hat sich darauf spezialisiert, Batterien zu testen, auch neue Materialzusammensetzungen zu erproben, bevor Kunden sie dann, typischer Weise in Asien, in Großserie herstellen lassen.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Werner Tillmetz leitet den Geschäftsbereich Elektrochemische Energietechnologien am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm. (dpa/picture alliance/Maximilian Schönherr)
    Tillmetz: "Hier wird die Zelle mit Elektrolyt befüllt. Eine bestimmte Menge kommt dann rein."
    Schönherr: "Rein geschüttet in den Zylinder?"
    Tillmetz: "In den Zylinder, in die Dose rein geschüttet."
    Schönherr: "Zähflüssig?"
    Tillmetz: "Nein, das ist dünnflüssig."
    Schönherr: "Das wird dann fest?"
    Tillmetz: "Nein, das alles – die Elektroden, die Separatoren – ist porös, die saugen das auf. Also, da ist dann keine Flüssigkeit mehr drin."
    Elektromobilität macht nur Sinn, wenn sie durch erneuerbare Energien betrieben wird. Eine Batterie mit dem miserablen Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors zu laden, wie es in Hybridautos geschieht, kann nur ein Übergang zur reinen Elektromobilität sein. Das von vielen beschworene rein elektrische Langstreckenauto mit Wasserstoff-Brennstoffzelle ebenfalls, denn der Energieaufwand zur Wasserstoffgewinnung ist unverhältnismäßig hoch.
    Tillmetz: "Man kann auch die ersten Versuche gleich hier machen; sie wird dann einfach an die beiden Pole angeschlossen und das erste Mal geladen, die Zelle."
    Schönherr: "Wie lange lässt man sich für diese allererste Ladung Zeit?"
    Tillmetz: "Das ist ein ganz spezieller Prozess bei der Lithium-Ionen-Technologie. Das ist das berühmte ‚Formieren'. Dabei entstehen noch einmal in der Zelle bestimmte Schutzschichten auf den Elektroden, und das dauert zwischen 10 und 16 Stunden. Mit ganz, ganz kleinen Strömen wird die ganz, ganz langsam geladen, und wenn man das richtig macht, dann ist die Zelle gut, und wenn man es falsch macht, geht sie bald wieder kaputt."
    Im Herbst wird ein mit Bundes- und Landesmitteln finanzierter Neubau fertig, in dem Batterien in größeren Mengen produziert werden können – wenn auch, im Vergleich mit Korea, im bescheidenen Maße. Martin Winter vom Batterieforschungszentrum MEET in Münster:
    "Das sehe ich im Moment als sehr unangenehm an, dass wir uns hier in der Wertschöpfungskette eines wichtigen Kettenglieds berauben, vielleicht sogar des essenziellen Kettenglieds, nämlich der Zellherstellung."
    Volkswagen betreibt in seinem Werk in Braunschweig neueste Batteriefertigung, auch wenn dort genau besehen nur einzelne Lithium-Ionen-Zellen zu PHEV-Blöcken zusammengesetzt werden, die man dann in beliebigen Autos verbauen kann. Frage an den Entwicklungschef Jürgen Leohold: Warum bezieht das Werk die Zellen eigentlich vom japanischen Hersteller Sanyo, statt sie selbst herzustellen?
    "Weil wir damit keine Erfahrung haben und das auch eine völlig neue Technologie ist. Die Chemie in einer Zelle ist für uns völliges Neuland. Da arbeiten wir jetzt auch schon seit vielen Jahren daran, aber bis wir in der Lage sind, Zellen auch in einem Qualitätsniveau und auf einem Kostenniveau herzustellen, wie es die großen koreanischen und japanischen Hersteller tun, werden noch einige Jahre vergehen."
    Fassen wir zusammen:
    Erstens. Die Elektromobilität beruht auf der Lithium-Ionen-Zelle. Variationen dieser Zelle haben eine große Zukunft. Die Batterien werden in absehbarer Zeit nicht in Europa gebaut, sondern aus Asien importiert. Dieser Zustand betrifft nicht nur Batterien. Seit vielen Jahren wird kein deutsches Auto nur aus deutschen Bestandteilen gebaut.
    Zweitens. Reichweite. Beim Betanken eines Benzinfahrzeugs fährt man weit, dann sucht man eine Tankstelle auf, zahlt, fährt weiter. Das Laden eines Elektroautos wird Teil des persönlichen Energiemanagements werden. Die Lithium-Ionen-Batterie im Auto ist ein sehr effizienter, aber vorsichtig zu behandelnder Energiespeicher. Sie kann von der Garage aus die Wohnung mit Strom versorgen oder Energie ins allgemeine Stromnetz einspeisen. Der elektromobile Mensch kennt seine Batterie, er ist sich bewusst über die Reichweite, die sie ihm ermöglicht, und über die Quelle, woher der Ladestrom kommt: vom Solardach zuhause, von der Ladestation am Firmenparkplatz. Und er weiß, wenn nur ein Hauch fossiler Brennstoff im Spiel ist, kippt die schöne Ökobilanz des Elektroautos.
    Schönherr: "Beim Autofahren hat vieles mit Gefühl zu tun. Gibt es ein elektromobiles Gefühl, Herr Winter?"
    Martin Winter: "Ich glaube, dass Elektromobilität emotionell erfahrbar sein muss. Es ist sicherlich ein großer Nachteil, dass die Leute immer nur über Elektromobilität lesen, statt sie selber zu erfahren, im doppelten Sinn des Wortes."
    Schönherr: "Ist eine Batterie sexy?"
    Winter: "Es kommt auf ihr Wesen an."