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Edison in London

Energieversorgung. - Die Stromwelt fällt auseinander: immer mehr Geräte brauchen heute Gleichstrom, aus der Steckdose kommt aber Wechselstrom. Man braucht nicht viel Verstand, um zu sehen, dass es besser wäre, wenn all die MP3-Player und LEDs direkt mit Gleichstrom versorgt werden könnten. Eine Londoner Firma hat genau daraus ein Geschäftsmodell entwickelt. Ihr Vorzeigeprojekt steht im Londoner East End.

Von Sönke Gäthke | 13.09.2013
    "Hier ist der Eingang des Theaters, und die ganze Beleuchtung hier sind LED-Lampen, und zwar Gleichstrom–LED-Lampen, gespeist von einem 30-Volt-Gleichstromnetz im Haus."

    Simon Daniel stellt sich mit dem Rücken zur weißen Wand auf, deutet auf die hellen Lichtpunkte in der hohen Decke des schmalen Flurs. Dann folgt sein Finger den Kabeln, die von den Lampen fort zur Wand führen.

    "Wir haben das Netz mit orangefarbenen Kabeln gezogen, damit es auffällt. Der Flur hier wird von der Batterie da hinten versorgt, das ist eines unserer Maslow-Systeme, das versorgt die LEDs und einige Gleichstrom-Steckdosen, zum Beispiel für Monitore."

    Vor gerade einmal 13 Jahren bezog das Arcola Theatre ein Fabrikgebäude im Londoner East End: gemauert aus gelbem Backstein mit großen Fenstern in den oberen Etagen, wo früher Teppiche produziert wurden, und einem nüchternen, nicht sehr großen Eingang. Heute interpretieren dort Schauspieler Klassiker neu – und die Initiatoren arbeiten daran, das Arcola zum ersten, grünen Theater zu machen. Und da kommt Simon Daniel ins Spiel – alle Lampen, die nicht direkt die Bühnen ausleuchten, versorgt jetzt ein von ihm entwickeltes Gleichstrom-Netz – dessen Kernbaustein er Maslow genannt hat.

    "Es ist ein Batterie-System, das sich intelligent lädt und über ein Niederspannungs-Gleichstromnetz LED-Licht und all die kleinen, elektronischen Geräte im Haus versorgt."

    Im Flur hängt dieses Gerät an der Wand – es ist kaum größer als ein Malblock. Bis jetzt hat Daniels Firma Moixa 40 Häuser mit diesem System ausgerüstet – das Arcola mit seinem grünen Anspruch ist eine besondere Chance: Viele potentielle Kunden kommen hier her – und können die Technik im Einsatz erleben.

    "Can we just look at the space, for one second – ehm, one minute"

    "Let me just check"

    "Just glance for ten seconds?"

    Gern würde der britische Physiker auch noch einen Blick in die Studios werfen, doch da wird gerade geprobt

    "I am sorry, they are doing some rehearsals."

    "OK, in this space there is one of the theatre's..."

    Stattdessen erzählt er, dass er extra eigene Steckdosen für sein Gleichstromnetz entwickelt hat. Das größte Problem beim Versuch, alle elektronischen Geräte aus einer Quelle zu versorgen ist: Sie brauchen alle eine andere Spannung, Normen gibt es nicht. Jetzt ermittelt eine eingebaute Elektronik, was das eingesteckte Gerät braucht.

    "So we are now going up to another area."

    Simon Daniel lenkt seine Schritte in die Bar, wo man näher an eine seiner Steckdosen herankann.

    "Über das Kabel signalisiert das Gerät: ich will sechs Volt. Und das liefert die Steckdose dann. Das ist der clevere Part in unserem smarten Gleichstrom-Netz."

    "We could go upstairs, should we?"

    Als wäre das noch nicht flexibel genug, verlangt das System auch keine fixe Spannung – wie sie sonst im Stromnetz üblich ist. Eine effiziente Elektronik sorgt dafür, dass alle angeschlossenen Geräte genau ihre richtige Spannung bekommen.

    "Das System ist damit sehr kompatibel, man kann es an installierte Photovoltaik-Systeme einfach anschließen, man kann es zur Not sogar mit Autobatterien betreiben."

    "we got more in the office."

    "Die Kosten, die heute Wechselspannung 230 Volt umzuformen auf die Gleichspannung, die jedes Gerät heutzutage benötigt, sind erheblich."

    Rik de Doncker von der RWTH Aachen. Die Kosten werden noch erheblich wachsen: Bis 2020 werden 45 Prozent der Geräte im Haus Gleichstrom brauchen, schätzen Experten. De Doncker:

    "Das könnte man vermeiden, indem das Haus natürlich sofort ein Gleichspannungsnetz zur Verfügung stellt."

    Wird der Gleichstrom vor Ort erzeugt, ließen sich zusätzlich Emissionen und Verluste in Kraftwerken und den Stromnetzen vermeiden, ist Simon Daniel überzeugt. Und die britische Regierung scheint ihm zu folgen: Noch in diesem Jahr sollen im Rahmen staatlich finanzierter Programme mehrere hundert Häuser ein dezentrales Gleichstromnetz erhalten.
    Hinweis: Zum Thema Gleichstrom sendet der Deutschlandfunk am kommenden Sonntag, 15.09., 16:30 Uhr, in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Von AC zu DC.