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Ekardt: Thema ist keine "Luftnummer"

Die Vereinten Nationen schlagen vor, Steuern auf Klimaschutz und Finanzgeschäfte zu erheben. Wer auf Kosten künftiger Generationen oder der Opfer des Klimawandels seine Politik machen wolle, der müsse dafür auch zur Kasse gebeten werden können, sagt Felix Ekardt, Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig.

Felix Ekardt im Gespräch mit Jule Reimer | 06.07.2012
    Jule Reimer: Lauwarme Klimaverhandlungen, eine misslungene Ausweisung von Ozeanschutzgebieten auf der Rio+20-Konferenz – wer für die Vereinten Nationen arbeitet, der muss schon ein großes Maß an Frustrationstoleranz mitbringen, denn schon der Einspruch eines einzigen Staates reicht, um wichtige Entscheidungen der Völkergemeinschaft zu Fall zu bringen. Doch sie lassen sich nicht entmutigen. Jetzt schlägt die UN in ihrer heute veröffentlichten Weltwirtschafts- und Sozialstudie 2012 vor, Steuern auf Klimaschutz und Finanzgeschäfte zu erheben, und zwar weltweit. Damit sollten jährlich 320 Milliarden Euro eingenommen werden, die dann in Klimaschutz und Entwicklung investiert werden sollten. – Am Telefon ist Felix Ekardt, Professor für internationales Recht und Klimapolitik an der Uni Leipzig. Herr Ekardt, weltweite Steuern auf CO2 und Finanzgeschäfte, wo sich die EU noch nicht einmal auf eine Finanztransaktionssteuer einigen kann. Das klingt doch sehr nach theoretischer Luftnummer?

    Felix Ekardt: Schönen guten Tag zunächst mal. Ich darf ganz kurz korrigieren: Ich bin Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik außerhalb der Uni. – Ich denke, dass das Thema nicht so eine Luftnummer ist, wie es klingt. Vom Prinzip her machen wir Klimapolitik bisher vor allem national, wir machen meinetwegen Grenzwerte für Autos für CO2, wir machen Wärmedämmungsvorgaben für Gebäude; was wir dabei vernachlässigen ist, dass wir beispielsweise Emissionen häufig einfach in andere Länder verlagern mit solchen Maßnahmen. Wir machen das Öl billiger für andere Länder, lassen es übrig für andere Länder, oder wir haben zum Beispiel auch keine Regeln, die verhindern, wenn wir für Autos oder für Gebäude Vorgaben machen, dass die Gebäude gleichzeitig größer, die Wohnflächen größer oder die Autos mehr werden. Und um so etwas zu regeln, wäre im Prinzip die richtige Antwort eine globale Begrenzung der Treibhausgasemissionen, eine absolute Begrenzung, die beim Status quo einsetzt und nach und nach die Emissionen in den Industriestaaten zunächst mal zurückführt. Und der praktische Weg, um so etwas zu vermitteln, sind letzten Endes Preise. Eine Möglichkeit wäre eine globale Abgabe auf fossile Brennstoffe, eigentlich auch noch auf Landnutzung, und die praktisch interessierende Frage ist natürlich jetzt, da ja relativ offensichtlich ist, dass wir für so etwas keinen globalen Konsens haben zwischen den Staaten, wie können wir so etwas trotzdem auf den Weg bringen. Ich denke aber tatsächlich, dass es da Wege gäbe.

    Reimer: Dann sagen Sie uns die doch mal.

    Ekardt: Der Weg wäre, dass die EU tatsächlich vorangeht, aber in einer Weise, die verhindert, dass dann, wenn wir fossile Brennstoffe beispielsweise teurer machen in Europa, die sprichwörtliche Stahlindustrie oder Autoindustrie einfach noch mehr als bisher nach China abwandert. Und der Weg, das zu verhindern, ist der folgende: Man muss Primärenergie und am besten auch Landnutzung nicht wie bisher so flickenteppichartig inkonsistent und insgesamt nicht sehr anspruchsvoll besteuern und man müsste an der Außengrenze der EU dann ergänzend sogenannte Ökozölle einführen.

    Reimer: Das klingt nach grünem Protektionismus, da schreien alle Entwicklungsländer direkt auf, so wie in Rio+20.

    Ekardt: Der praktische Effekt ist zunächst mal der: Wenn man in der EU so etwas macht, kann man alle anderen Länder weltweit einladen, sich daran zu beteiligen. Wer sich nicht beteiligen möchte – und ein Land wie China wird sich vielleicht nicht beteiligen wollen -, zahlt dann eben an der Grenze die Kosten nach. Es geht nicht um Protektionismus, es geht gerade um gleiche Wettbewerbschancen für alle, und wer auf Kosten künftiger Generationen oder generell der Opfer des Klimawandels seine Politik machen möchte, der muss dafür auch zur Kasse gebeten werden können. Es geht ja gar nicht darum, jetzt irgendwie bessere Wettbewerbschancen gegenüber China oder so etwas zu bekommen; es geht darum, Ökodumping zu vermeiden durch Länder, die nicht mitmachen wollen in der Klimapolitik, wobei man allerdings ganz klar sagen muss: erstens es geht nicht nur um Klima, es geht auch um andere Ressourcen, da könnten wir die gleiche Diskussion führen. Und zweitens, wir müssen sagen: In der EU sind wir selber bisher auch nicht vorbildlich, weil wir eine solche Vorreiterstellung, wie wir sie jetzt hier gerade besprechen, in der Politik ja bisher gar nicht ernsthaft diskutieren. In der Wissenschaft ist das seit Langem ein Thema, aber die Politik hat doch Angst vor den Konflikten, die sich da anbahnen, obwohl ich auch als Jurist meine, welthandelsrechtlich dürfte man so etwas machen, das ist eine Frage des politischen Willens.

    Reimer: Okay. - Jetzt müssen wir noch mal auf die Realpolitik eingehen, allerdings nicht so ausführlich. Die EU versucht genau dieses gerade mit Luftverkehrsabgaben und holt sich eine blutige Nase. Wie schätzen Sie das ein?

    Ekardt: Rechtlich hat sich die EU im Bereich des Luftverkehrs jetzt keine blutige Nase geholt.

    Reimer: Noch nicht!

    Ekardt: Die EU hat ein ähnliches System, wie ich es angesprochen habe, versuchsweise jetzt im Luftverkehr auf den Weg gebracht, allerdings mit wenig anspruchsvollen Treibhausgas-Reduktionszielen, und es ist tatsächlich die Frage, ob die EU jetzt überhaupt bereit ist, den Konflikt mit Ländern wie China hier durchzugehen. Das wird also tendenziell vor internationalen Gerichten jetzt auch verhandelt werden. Meine Rechtsmeinung ist, dass insbesondere welthandelsrechtlich es möglich ist, dass die EU vorangeht und sagt, liebe Leute, der freie Welthandel ist wichtig, es ist aber auch wichtig, dass wir alle bestimmte Spielregeln beachten, dass wir in einer endlichen Welt leben, dass wir das Klima schützen müssen und so weiter. Und es ist eine interessante Frage des weiteren rechtlichen und politischen Diskurses, ob die EU da standhaft bleibt.

    Reimer: Der Experte für internationales Recht, Felix Ekardt, leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik und hält weltweite Abgaben für den Klimaschutz für den richtigen Weg. Danke für dieses Gespräch.

    Ekardt: Herzlichen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.