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Energiewende
Das Bahnstromnetz in neuer Mission

Der schleppende Ausbau der Stromnetze gilt als ein Problem der Energiewende. Dabei gibt es bereits ein bundesweit ausgebautes Leitungsnetz, das einige Experten für den Transport von Strom quer durch die Republik nutzen wollen: das Stromnetz der Deutschen Bahn.

Von Sönke Gäthke |
    Das Stromnetz der Deutschen Bahn ist das einzige, das sich kreuz und quer durch ganz Deutschland zieht. Alle anderen decken immer nur einen Teil des Landes ab. Was läge da näher, als die Kabel der Bahn zu nutzen, um einen Teil des Wind- oder Solarstroms von Norden nach Süden zu schicken?
    "Eine direkte Durchleitung ist schwierig",sagt dazu Christian Preiss - dem steht die Betriebsweise des Bahnstromnetzes im Wege: Die Bahn deckt nur einen Teil ihres Verbrauchs selbst. Den Rest bezieht sie über Kuppelstellen - Einspeisepunkte - aus dem öffentlichen Netz. Davon hat sie viele über das ganze Land verteilt:
    "Weil wir keine große Leistung über große Entfernungen übertragen können, das heißt, wir haben sehr viele Einspeiseorte. Das verteilt sich über ganz Deutschland."
    Das ist der Haken: Das Bahnnetz kann keine großen Leistungen über große Entfernungen übertragen. An den Einspeisepunkten wird daher der Strom eingespeist, der vor Ort gebraucht wird - dass daneben Platz für eine Durchleitung zusätzlichen Stroms aus dem Norden bleibt, könne sie nicht garantieren; auch aus finanzierungsrechtlichen Gründen kann es Probleme geben.
    Aber dafür kann die Bahn etwas anderes tun: Sie kann ihren Strombezug aus dem öffentlichen Netz verlagern. Christian Preiss:
    "Sie wissen, dass es immer mehr Probleme gibt, mit der Windkrafteinspeisung im Norden, die manchmal da ist, manchmal nicht, manchmal zu stark, manchmal zu schwach, und im Süden mit großen Verbrauchern, da hätten wir theoretisch die Möglichkeit unseren Bezug etwas zu verlagern, dass wir mehr im Norden beziehen und weniger im Süden."
    Weht zum Bespiel der Wind im Norden stark, in München ist es aber bedeckt, dann entsteht ein Ungleichgewicht: Der Norden schwimmt im Strom, im Süden dagegen herrscht Stromknappheit. Fährt jetzt ein Zug im Münchner Hauptbahnhof an, braucht die Bahn auf einen Schlag sehr viel Strom. Normalerweise würde sie den in der Nähe von München aus dem öffentlichen Netz holen. Doch sie kann ihn zumindest zum Teil auch in Hamburg einspeisen und über das eigene Netz nach Süden leiten.
    "Wir haben es mal ausgerechnet: Wir könnten bis zu 120 Megawatt verlagern, mehr im Norden beziehen und weniger im Süden."
    Das ist immerhin so viel wie ein kleines Kraftwerk, sagt Christian Preiss:
    "Was dem öffentlichen Netz erheblich guttun würde, es würde das entlasten."
    Und zwar sowohl in München, weil aus dem ohnehin schon knapp versorgten Gebiet nicht auch noch viel Strom herausgezogen wird, als auch im Norden, wo vom Überfluss etwas abgezweigt wird.
    Weshalb die Bahnstromleute auch mit den Netzbetreibern der öffentlichen 50-Hertz-Netze darüber sprechen, wie diese Verlagerung eingesetzt werden kann. Der Haken ist nur: Das Energiewirtschaftsgesetz, kurz EnWG, erlaubt es nicht.
    "Momentan sieht EnWG Paragraf 13 vor, dass wir abgeschaltet werden, wenn es eng wird, und dass nicht auf unsere Hilfe gebaut wird."
    Denn große Verbraucher wie die Bahn oder Fabriken dürfen seit Kurzem vom Netz getrennt werden, sollte ein Stromausfall anders nicht verhindert werden können. Die Züge würden in dem Fall zwar weiter fahren: Den Strom kann sich das Bahnnetz aus dem nächstgelegenen Einspeisepunkt holen. Der läge aber auch im Süden. Und im Norden gäbe es immer noch zu viel Strom.