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Filmkritik: "Die Lügen der Sieger"
Klischees über Journalisten

In seinem Film "Die Lügen der Sieger" schafft Christian Hochhäusler eine packende Geschichte über einen Starjournalisten. Dabei bedient er alle Klischees, sodass er immer wieder Sarkasmus und Paranoia einstreuen muss, um das Niveau zu halten.

Von Josef Schnelle | 13.06.2015
    "Dein Afghanistan-Tagebuch fand ich gut." – "Waziristan. Man ist immer nur so gut wie seine letzte Geschichte. Kumma. Die Geschichte find ich spannend, kannst Du mal rausfinden, was da passiert ist in Gelsenkirchen?" – "Das hier? Wie lang hab ich?" – "Schneller ist besser."
    Fabian Groys, ehemaliger Kriegsberichterstatter, nun investigativer Journalist bei einem fiktiven Berliner Magazin namens "Die Woche" lernt seine Praktikantin kennen und wimmelt sie gleich wieder ab. Er schickt sie zu einer auf den ersten Blick sinnlosen Recherche. Ein Mann ist in ein Löwengehege gesprungen. Das ist vom Thema her eher was fürs Bunte. An seinem wichtigen Projekt – einer Bundeswehrgeschichte - will er sie erst gar nicht teilhaben lassen. Schließlich ist er ein renommierter Starjournalist. Doch er hat sich verkalkuliert, denn die beiden Vorgänge scheinen zusammen zu hängen. Und so sitzen die beiden bald doch noch an der großen Enthüllungsstory zusammen, die sie dem Chefredakteur vorstellen.
    "Die Bundeswehr setzt versehrte Soldaten unter Druck, damit die, wider besseren Wissens, freiwillig, unversehrt und gesund die Armee verlassen und in der Heimat besorgt man ihnen einen schlechten Job und kümmert sich nicht weiter um sie. Also. O.K. Soweit so skandalös. Was ich aber vermisse ist die zentrale Aussage: Ja warum machen die das? Wirklich nur wegen der Statistik?"
    Christoph Hochhäusler hat sich wieder einmal an etwas versucht, das es im deutschen Kino so nicht gibt: an einem Politthriller in der Tradition des amerikanischen Kinos der 1970er Jahre von Sydney Pollack oder Allan J. Pakula. Natürlich muss er mit den begrenzten Möglichkeiten eines unterfinanzierten deutschen Films auskommen. Ohne Stars wie Robert Redford oder Dustin Hoffman zum Beispiel in Pakulas Journalistenfilm "Die Unbestechlichen". Um so mehr ist der Mut zu preisen, so etwas anzugehen und die schnörkellose dramaturgische Wucht des Films, den Christoph Hochhäusler zusammen mit dem Schriftsteller Ulrich Peltzer geschrieben hat. Politik ist ein buchstäblich schmutziges Geschäft und die Aufregungspresse steht dem keinesfalls einfach als "Vierte Gewalt" gegenüber. Mit falschen Fährten und Finten ist in dieser Geschichte zum Beispiel die Giftmülllobby unterwegs. Ihr Auftritt als skrupelloses Team ist allerdings reichlich klischeehaft geraten.
    Hochhäusler ist Filmkritiker - sein Medium: seine eigenen Filme
    "Vorschläge?" – "Dahin gehen wo´s weh tut."
    Hochhäusler unterläuft die Klischeefalle allerdings damit, dass er virtuos auf der Klaviatur von Ironie, Paranoia und tieferer Bedeutung zu spielen weiß. Natürlich finden sich alle Bestandteile des Thrillers samt obligat-beiläufiger Liebesaffäre zwischen dem Meisterjournalisten und der Praktikantin wieder. Und dank der Fleißarbeit der Autoren erfährt man auch etwas politisch Delikates.
    "Wusstest Du, dass Deutschland der größte Giftmüllimporteuer der Welt ist. Und viele von diesen Importen sind falsch deklariert aus verschiedensten Gründen. Teilweise um Geld zu sparen, teilweise um Bestimmungen – wie sagt man – zu umgehen. Die Webseite dieser Deponie, die Rangel-Deponie ist zwar total unkonkret, aber in jedem Fall geht es da um Giftmüll. Aus dem Ausland."
    Christoph Hochhäusler, der lange der realistischen "Berliner Schule" um Christian Petzold zugerechnet wurde, versteht sich nicht nur in der von ihm mitbetriebenen filmtheoretischen Zeitschrift "Revolver" als Filmkritiker. Seine Kritiken sind seine eigenen Filme. Vorsichtig aber entschlossen versucht er, das ganz neue Deutsche Kino vom Kopf auf die Füße zu stellen. Er habe diesen Film machen wollen, aus Sehnsucht nach gesellschaftspolitischen Geschichten. Doch nichts ist sicher im Kino des Christoph Hochhäusler. Neben der großen Enthüllung lauert gleich die große Lüge. Kameramann Reinold Vorschneider verstärkt diesen Eindruck noch, indem er viele seiner Bilder fast unmerklich in die Nähe von Überwachungsbildern rückt. In den Glaspalästen der Hauptstadt bleibt nichts mehr geheim. Gerade darum kann man auch den Enthüllungen nicht mehr trauen. "Wenn die Legende Wahrheit geworden ist, druck die Legende" lässt John Ford den Zeitungsredakteur in "Der Mann der Liberty Valence erschoss"sagen.
    "Poliert die These noch Mal. Reduziert den Deponieteil und dann haben wir nen schönen Titel." – "Du meinst das ernst? Hast Du gerade Titel gesagt?" – "Ja."