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Formel E
Kilowatt statt Sprit

Die Formel E feierte an diesem Wochenende in Berlin ihre Rennpremiere in Deutschland. Auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof war unter anderem Ex-Formel-1-Pilot Nick Heidfeld am Start. Es ist die erste vollelektrische Rennserie.

Von Benjamin Dierks | 25.05.2015
    Formel-E-Rennen auf dem Berliner Tempelhof
    Formel-E-Rennen auf dem Berliner Tempelhof (Rainer Jensen, dpa picture-alliance)
    "Mir hat's gefallen, ich find's gut. Die richtige Formel 1, mir persönlich ist die immer ein bisschen zu laut gewesen."
    Renntag auf dem ehemaligen Flughafenfeld Tempelhof in Berlin. Mit einem lauten – nun ja – Surren rasen die Wagen über die Strecke vor der historischen Kulisse. Die Zuschauertribünen sind voll besetzt. Viele Familien sind hier, Gelegenheitsbesucher ebenso wie eingefleischte Rennsportfans. Gut zweieinhalb Kilometer, 17 Kurven, 33 Runden. Das erste Mal seit Schließung der Avus-Strecke vor 16 Jahren wieder ein großes Autorennen in Berlin – wenn auch mit einem kleinen Unterschied: Statt mit einem Verbrennungsmotor fahren die Einsitzer hier bei der Formel E mit Elektroantrieb. Statt Sprit gibt es Kilowattstunden.
    Während die große Formel 1 zur selben Zeit durch Monaco donnert, zischt die kleine Schwester in Berlin durch ihre 8. Runde. Mit Tempo, Lärm und Kraft kann die neue Klasse nicht mithalten. Dafür soll sie ein neues, urbanes Publikum locken, mehr junge Leute, mehr Frauen, soll nah am Fan sein und irgendwie zeitgemäß.
    "Showing that electric cars can be fast, can be sexy. It is not the future, it is the present now. I think that is a very important message for the young fans who will eventually buy their electric car."
    "Elektroautos sind die Gegenwart"
    Elektroautos können schnell und sexy sein, sie sind nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart, sagt Lucas di Grassi, der beim Formel-E-Rennen mit großem Abstand als erster ins Ziel kommt. Das wolle er vor allem den jungen Leuten zeigen, die sich schließlich irgendwann einmal ein Elektroauto kaufen werden. Den Sieg müssen der Brasilianer und sein deutsches Team Audi Sport Abt nur wenige Stunden später wieder abgeben – disqualifiziert, weil die Techniker einen Frontflügel des standardisierten Elektrorenners regelwidrig angebaut hatten. Aber di Grassis Botschaft, die bleibt. Und sie kommt an. Vielen Zuschauern gefällt die Berlin-Premiere der Formel-E.
    "Die pfeifen dann ja richtig, das ist ja nicht nur wie Formel 1, nur laut, brumm-brumm, sondern richtig ssssst macht das, das Feeling kommt schon rüber. Das war super, weil das Elektromobilität ist, was man fördern sollte, und weil das ein geiles Rennen ist einfach."
    Nun, das mit dem geilen Rennen teilen nicht alle Besucher. Ein Hobbyrennfahrer kann seine Enttäuschung nicht verbergen.
    "Das hätte jetzt auch bloß ein Go-Kart-Rennen sein können. Ich fahre ja mit so einem Elektroauto hier her und fahre aber selbst auch Rennen, so einen alten NSU TT, und das ist eine andere Welt."
    Nah am Publikum
    Ein paar Nummern kleiner ist die Formel E eben schon. Aber die Formel 1 verliert Zuschauer, da soll die neue Rennserie Abhilfe schaffen. Seit September letzten Jahres läuft sie. Ohne viel Lärm und Abgas kann sie stets auf Stadtkursen nah am Publikum fahren. Vor Berlin war sie unter anderem in Peking, Buenos Aires, Miami und Monaco. Im Juni geht es in Moskau weiter. Viele ehemalige Formel-1-Piloten fahren in der Formel E, neben di Grassi etwa Nelson Piquet junior, Sohn des dreimaligen Formel-1-Weltmeisters Nelson Piquet und momentan auf Platz 1 der Gesamtwertung. Oder der Deutsche Nick Heidfeld, der Publikumsliebling in Berlin, der es trotz guten Starts mit Platz 5 nicht aufs Siegertreppchen schaffte.
    "Die Unterschiede sind gar nicht so groß, vom Elektromotor zum Verbrennungsmotor, zumindest, was die Rennstrategie betrifft. Wir sind hier einfach limitiert, wir dürfen nur 28 Kilowatt benutzen und müssen dementsprechend haushalten mit der Energie. Natürlich sind wir deutlich langsamer als die Formel 1, wir haben knapp 900 Kilo bei noch nicht einmal 300 PS und da kann man sich ja an fünf Fingern abzählen, dass das im Vergleich zur Formel 1 langsam ist."
    225 Stundenkilometer fahren die Wagen in der Spitze, auf gerader Strecke sind das glatt 100 weniger als in der Formel 1. Dafür können Fans ihre Favoriten über eine Abstimmung im Internet mit extra Energiespritzen versorgen, die die Fahrer dann zum Beispiel bei einem Überholmanöver einsetzen.
    Spektakel mit Signalwirkung
    Und dann geht es natürlich ums Signal. Eine Million Elektroautos will die Bundesregierung bis 2020 auf die Straße bringen. Doch bislang ist die Bilanz bescheiden. Da kann etwas Spektakel nicht schaden. Vor dem Rennen in Berlin bringen Unternehmen und Privat-Fahrer gemeinsam 570 Elektroautos auf die Strecke, ein neuer Weltrekord. Und was die Spannung auf der Strecke der jungen Rennserie angeht, scheinen die Fans optimistisch.
    "Bei der normalen Formel 1 sieht man es ja auch, dass sie ständig an den Regeln schrauben, um ein bisschen mehr Spannung reinzubringen. Ich denke, das werden sie auch noch schaffen. Ist sehr attraktiv, finde ich, und da kann sich was entwickeln."