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Forschung im Zwielicht

Forschungspolitik. - Wissenschaftler werden quasi geadelt, wenn sie ihre Arbeiten in den führenden Fachmagazinen platzieren können. Angesichts der so ebenfalls publizierten Fälschungen von Hwang Woo-Suk gehen die Verantwortlichen jetzt in die Offensive.

Von Grit Kienzlen | 30.12.2005
    Der US-Wissenschaftsbetrieb erlebt schwierige Zeiten, stellt Ginger Pinholster fest. Sie leitet die Öffentlichkeitsarbeit der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS). "Challenging Times" sagt sie, eine Herausforderung, denn Probleme gibt es im US-amerikanischen Sprachgebrauch kaum, nur Herausforderungen.

    "Ein Beispiel: Vor nicht allzu langer Zeit erlebten wir im Kongress eine zuvor nicht da gewesene Befragung über den Wert einiger Klima-Daten im renommierten IPCC-Bericht der UN. Viele Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinde, der "Science" -Chefredakteur eingeschlossen, beschwerten sich darüber. Wir stellen außerdem einen eskalierenden Trend in Schulgremien fest, die die Lehre der Evolutionstheorie in Frage stellen und stattdessen versuchen, Konzepte wie die Theorie vom Intelligenten Design und Kreationismus in den naturwissenschaftlichen Unterricht einzuführen, als ob diese vergleichbar wären. "

    Die Theorie vom Intelligenten Design besagt, dass die große Komplexität der lebenden Welt nicht ohne das Zutun eines intelligenten Schöpfers entstehen konnte. Natürliche Variation und Selektion reichen ihr als Erklärung für die Evolution nicht aus. Die AAAS setzt sich dafür ein, metaphysische Theorien zur Evolution aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht zu verbannen. Sie will Religion und Wissenschaft nicht vermengt sehen und versucht entsprechend auf die US-Regierung einzuwirken. Ginger Pinholster nennt das nicht Lobby-Arbeit, aber es geht in die Richtung:

    "Wir sind keine Lobby. Wir sehen unsere Rolle als Berater der Regierung über solide Wissenschaft, um politische Entscheidungen herbeizuführen und der Öffentlichkeit objektive Informationen zur Verfügung zu stellen. "

    Ihr Erfolg darin ist derzeit sehr bescheiden. Die Gemeinde der Wissenschaftler und Ingenieure erlebt in den USA nach eigenem Empfinden katastrophale Zeiten, einen "perfect storm", wie die Vorsitzende des AAAS-Vorstandes kürzlich feststellte.

    "Erstens interessieren sich amerikanische Schulkinder immer weniger für Wissenschaft und Technologie. Zweitens geht jetzt die ganze Wissenschaftler-Generation der Baby-Boomer in Rente und drittens entscheiden sich ausländische Studenten immer häufiger nach hause zurückzukehren. Wir werden deshalb innerhalb kürzester Zeit mit einer wirtschaftlichen Krise zu tun bekommen, wenn wir nicht stärker in Wissenschaft und Technologie investieren. Wir von der AAAS setzen uns deshalb für ein ausgewogenes Konzept für Forschung und Entwicklung ein, anstatt immer abwechselnd etwas anderes zu fördern. Im Augenblick investiert die Regierung vor allem in Verteidigung und nationale Sicherheit, wie Sie ja wissen. Dadurch werden andere Forschungsfelder benachteiligt, die wirklich mehr Unterstützung bräuchten als sie derzeit bekommen."

    In dieser Situation schwindenden öffentlichen Interesses an der Wissenschaft sieht Ginger Pinholster mit gewisser Verblüffung über den Ozean, wo zumindest der Wissenschaftsjournalismus derzeit blüht.

    "Der Appetit, den die deutsche Öffentlichkeit für Wissenschaft und Technologie zu haben scheint, ist interessant für mich. Ein Teil meiner Arbeit ist es, jedes Jahr Amerikas größte allgemeine Wissenschaftskonferenz zu organisieren. Und letztes Jahr schickte kein anderes Land außer den USA so viele Reporter zu dieser Konferenz wie Deutschland. Es gibt dort also offenbar Unterstützung dafür, dass die Arbeit der Wissenschaftler kommuniziert wird. "

    Da geht Ginger Pinholster mit ihrer Deutung allerdings recht weit. Deutsche Wissenschaftsjournalisten sehen ihre Rolle ebenso als Kritiker wie als Mittler der Wissenschaft. Und gerade "Science" wird wegen seines Umgangs mit ethischen Fragen in der Wissenschaft von Deutschland kritisch beäugt. Denn dort wurde in den letzten Jahren Forschung veröffentlicht, die nach deutschem Recht nicht zulässig wäre, nach amerikanischem zumindest keine öffentliche Unterstützung erhielte. Die Rede ist von den menschlichen Klonexperimenten in Korea. Katrina Kelner, Redakteurin im Bereich Lebenswissenschaften bei "Science":

    "Unsere offizielle Position hierzu lautet, dass eine Publikation, die in "Science" erscheint, im Einklang mit den Gesetzen und Richtlinien des Herkunftslandes und Instituts entstanden sein muss. In Fällen, wo diese Gesetze noch im Fluss sind, und das gilt bei Korea sowohl für den Tierschutz als auch das Klonen, oder wo die Standards nicht ganz eindeutig sind, werden wir eine gesonderte Anstrengung unternehmen, um zu verstehen, was dort genau gemacht wurde. Wir werden zusätzlich zu unserem normalen Rezensionsverfahren einen Rat von Ethikern und Experten konsultieren. "

    Gerade im Falle der koreanischen Klonexperimente scheint das Verfahren aber doch versagt zu haben. Die Forscher mussten im vergangenen Monat zugeben, dass Frauen für ihre Eizellspenden für die Forschung bezahlt worden waren, dass darüber hinaus Schutzbefohlene des Forschers, Mitarbeiterinnen in seinem Labor nämlich, zu den Spenderinnen gehörten. Dennoch plant "Science" nicht, feste ethische Richtlinien oder Verfahren für seine Publikationen einzuführen.

    "Der Grund dafür liegt darin, dass "Science" nicht zu definieren versucht, was interessant, gut oder wichtig ist. "Science" spiegelt die wissenschaftliche Gemeinde und deshalb wollen wir keine Richtlinien, die für immer steif und fest gelten. Wenn die Wissenschaftler ihre Meinung ändern, würden wir auch das widerspiegeln wollen. "

    Sicherlich haben die Klonexperimente in Korea gegen die von Forschern weithin akzeptierten ethischen Richtlinien verstoßen. Es ist im Nachhinein schwer zu entscheiden, ob "Science" von der unlauteren Beschaffung der Eizellen für die Experiment hätte wissen können. Die Konkurrenz, "Nature", hatte jedenfalls schon bei der Veröffentlichung Wind davon bekommen und berichtet. Nicht ohne Häme, denn die kommerzielle Zeitschrift "Nature" wird von der AAAS gerne als etwas sensationslüstern dargestellt. Die Kommunikations-Chefin Ginger Pinholster:

    "Ich mache dazu immer den Scherz, dass es traurig für mich ist, dass "Science" - anders als "Nature" -redaktionell bestimmt ist. So gerne ich also Forschungsergebnisse, die wir veröffentlichen, vermarkten würde, in meinem Büro fürchten wir alle das H-Wort: "Hype". Das dürfen wir nicht. Unser Auftrag lautet, Wissenschaft und Technologie fair und akkurat zu kommunizieren."