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Fussball-WM
Brasilien tritt Menschenrechte mit Füßen

Wenn in Brasilien der Ball rollt, dann ist das für den Indio Carlos Tucano kein Grund mehr zum Feiern. Die Verlierer der Fußball-WM seien die armen Menschen, sagt er. Der Regierung und den Unternehmen ging es nur um ihre Interessen, sie wollten nur ihren Gewinn machen. Tucano würde gerne ein Spiel im Maracanã-Stadion ansehen, aber sein Herz sagt Nein.

Von Julio Segador | 12.06.2014
    Brasilianer schauen ein Fußballspiel im Fernsehen an.
    Viele Brasilianer können die Fußball-WM in ihrem Land nur am Fernsehen verfolgen. Die Tickets für die Stadien können sie sich nicht leisten. (dpa / Marcelo Sayao)
    Indios bewegen ihre Körper zu einem traditionellen Tanz. In voller Kriegsbemalung, mit Pfeil und Bogen in den Händen. Der Kriegstanz findet nicht irgendwo in einem entlegenen Reservat im Amazonasgebiet statt, nein, die Indios tanzen mitten in Rio de Janeiro, vor einer alten, schon ziemlich heruntergekommenen Villa, die abgerissen werden soll. Einen Steinwurf entfernt vom Maracanã-Stadion. Carlos Tucano, der Häuptling eines Indio-Stammes aus dem Amazonas, beobachtet seine tanzenden Stammesmitglieder, blickt dann zur mächtigen WM-Arena, die herausgeputzt wird, und macht sich seine Gedanken.
    "Für die Weltmeisterschaft geben sie hier eine Milliarde Reais aus, umgerechnet 360 Millionen Euro, und hier investieren sie keinen Cent. Sie blättern stattdessen für den Abriss viel Geld hin." Carlos Tucano spricht vom alten Indio-Museum in Rio, direkt neben dem Maracanã-Stadion, das seit Jahren verfallen ist. Die einstige Pracht lässt sich nur noch mit viel Phantasie erahnen. Die zweistöckige Villa aus der Kolonialzeit hat keine Fensterscheiben mehr, die Fassade ist heruntergekommen, die Treppen im Inneren des Gebäudes sind baufällig. Carlos Tucano hat mit einigen Dutzend Gleichgesinnten seit 2006 in dem Camp im Garten des Hauses immer wieder gewohnt. Für die alte Villa hat er große Pläne: "Wir haben seit Jahren gefordert, dass das Gebäude wieder aufgebaut werden soll. Es müssen neue Fenster rein, die Fassaden müssen gestrichen werden. Innen sollte eine Menge erneuert werden, Wasser, Elektro, Energie. Es muss alles so erneuert werden, dass man darin gut arbeiten kann. Wir wollen nämlich, dass darin ein Kulturzentrum und ein Museum unserer indigenen Kultur eingerichtet werden. Denn wir leben nicht nur mit Pfeil und Bogen und ernähren uns von Maniok und Fischen. Wir wollen hier bleiben und den Menschen unsere Kultur zeigen."
    Shopping-Center statt Indio-Museum
    Der Bundesstaat Rio de Janeiro, dem das Grundstück gehört, wollte das Areal lange Zeit privatisieren. Shopping-Center und Lokale waren geplant. Doch der Gouverneur von Rio machte die Rechnung ohne die Indios. Sie wehrten sich erbittert gegen den Abriss. Immer wieder drohte die Situation zu eskalieren. Schwerbewaffnete Polizisten sollten das Camp rund um das Haus stürmen. Die Indios standen mit ihren Speeren und Bogen bereit. Im letzten Moment fanden Verhandlungen statt. Den Indios wurden Sozialwohnungen angeboten, Carlos Tucano lehnt das ab. Er und die anderen Mitglieder der Indio-Stämme wollen sich weiter gegen den Abriss wehren. Tucano: "Wir werden Widerstand leisten, aber ohne Gewalt."
    In Fortaleza, im Nordosten Brasiliens, geht es nicht ohne Gewalt ab. Schwere Bagger sind aufgefahren, wälzen die Hütten und Häuser der Favela Alto da Paz nieder. Die Bagger werden geschützt von schwerbewaffneten Polizisten, die mit Gummigeschossen auf die wütenden Bewohner des Armenviertels schießen. Kriegsähnliche Szenen spielen sich ab. Panik unter den Favela-Bewohnern. Mehrere Menschen werden durch die Gummigeschoße verletzt. Eine ältere Frau ist völlig aufgelöst: "Ich bin wütend, ich bin sauer, ich fühle mich verletzt. Und nicht nur ich, alle Bewohner hier. Das war ein regelrechtes Massaker, die Kinder rannten umher, die Bagger fuhren alles um, sogar die Haustiere; sie hatten mit nichts und niemandem Mitleid."
    Favela soll Zufahrtsstraßen weichen
    Die Favela Alto da Paz ist in Sichtweite der Arena Castelão. So heißt das neue WM-Stadion in Fortaleza, in dem am 21. Juni Deutschland seine Partie gegen Ghana austragen wird. Noch wenige Tage vor dem ersten WM-Spiel wird im Außenbereich der Arena gewerkelt. Die kleine Favela soll mehreren Zufahrtsstraßen weichen. Außerdem sollen auf dem Areal 1.500 neue Wohnungen entstehen. Die Region in Stadionnähe, einst das Armenhaus der nordost-brasilianischen Metropole, erlebt dank des Stadionbaus einen regelrechten Boom. Neue Siedlungen entstehen, ebenso Shoppingcenter, die Mietpreise schnellen nach oben. Verlierer sind die Familien, die bisher in den umliegenden Favelas lebten und sich höhere Mieten nicht leisten können. Allein in Fortaleza sind einige Tausend Menschen von Umsiedelungen betroffen, auch wenn häufig gar nicht klar ist, wohin die Leute umgesiedelt werden. Dass die Behörden dann wie in der Favela Alto da Paz mit äußerster Brutalität vorgehen, macht viele Brasilianer wie diese ältere Frau fassungslos: "Leider ist das in Brasilien so. Für die Weltmeisterschaft wollen sie alles rausputzen, aber man muss sich ja nur mal umschauen, wie wir hier leben: Mitten im Abwasser. So leben wir hier in Brasilien. Es gibt in diesem Land viele Reiche, aber denen sind wir doch egal. Die Politiker wollen, dass wir sie wählen und dann machen sie mit uns solche Sachen hier."
    Von schlechter Stimmung ist auf den Rängen der Arena Pernambuco nichts zu spüren. Rund 45.000 Zuschauer passen in das WM-Stadion von Recife im Nordosten Brasiliens. An diesem Abend sind nicht einmal 5.000 Menschen in dem riesigen Rund mit den knallroten Sitzen. Unten auf dem Rasen spielen zwei Teams gegeneinander. Es geht um die Regionalmeisterschaft im Nord-Osten Brasiliens. Die Stimmung bei den Fans ist besser als der lustlose Kick auf dem Rasen. Seit wenigen Monaten erst wird in der Arena Pernambuco gekickt. Das Stadion, in dem Deutschland Ende Juni gegen die USA sein letztes Vorrundenspiel austragen wird, ist eines der Schmuckkästchen der WM in Brasilien. Ein Stadion, für das sich die Fans richtig begeistern: "Ein wunderschönes Stadion. Es wurde auch Zeit, dass wir hier solche Strukturen erhalten. Alles hier ist klasse. Der Zugang, die Sicht aufs Spiel. Egal wo man sitzt, man sieht alle Spielzüge ganz genau."
    Fans sind stolz auf neue Stadien
    Die Fans sind stolz auf ihr Stadion, das als WM-Austragungsort ganz offiziell den Stempel "FIFA-Standard" verpasst bekommen hat. Dass dieser Standard auch dazu führt, dass an fast allen Spielorten Menschen enteignet und brutal aus ihren Häusern vertrieben worden sind, stört die Fans aus der gutverdienenden brasilianischen Mittelschicht kaum. Es überwiegt der Stolz, dass sich Brasilien mit der WM als Teil der ersten Welt präsentiert. Im Stadion gibt es kaum Verständnis für jene, die durch den Bau von Stadien und Straßen Nachteile erlitten haben. Ricardo Leitão ist der Chef des lokalen WM-Organisationskomitees in Recife. Nach seinen Worten soll das Stadion nur der Anfang einer ganzen WM-Stadt sein, die auch schon einen Namen hat. Smart City, die intelligente Stadt, soll hier in dem Außenbezirk von Recife rund um die WM-Arena entstehen. Leitão: "Das Baukonsortium hat für 30 Jahre - also bis 2043 - die Konzession, Smart City zu gründen. Vorgesehen ist, dass eine Halle gebaut wird, ein Shopping-Center, ein Veranstaltungsplatz, Hotels, Verwaltungs- und Gemeinschaftsgebäude sowie etwa 4.500 Wohnungen. Geplant sind auch öffentliche Plätze und ein Universitätscampus."
    Die Stadtplaner wollen Recife umkrempeln, die Stadt modernisieren, die Infrastruktur völlig neu aufbauen. Die Fußball-Weltmeisterschaft ist da ein willkommener Anlass, solche Projekte anzustoßen. Geld für die Finanzierung ist ohnehin da, wenn auch häufig nicht ganz klar ist, woher die Mittel stammen und wohin sie genau fließen. Doch nicht alle sind glücklich über Smart City in Recife. Die intelligente Stadt und das neue WM-Stadion sind Thema bei der Versammlung des Bürger-Komitees in Camaragibe, einer Vorstadt von Recife. Etwa 30 Leute sitzen in einem kleinen Hinterhof. Camaragibe liegt nur zwei Kilometer vom Stadion entfernt. Es herrscht dicke Luft. Die meisten Anwesenden wurden für die WM-Bauten enteignet, insgesamt 129 Familien, darunter auch der 71-jährige Jeronimo Figueira: "Bis zum 29. November gehörte mein Haus mir. Jetzt werde ich vom Schicksal versklavt, das in Form eines Abrissbaggers erschien. Sie haben mein Haus einfach abgerissen. Ich habe den Kampf, das Haus für mich und meine Familie zu retten, verloren. Jetzt stehe ich auf der Straße."
    Menschen müssen binnen weniger Tage ihr Häuser verlassen
    Die meisten Häuser mussten einer Straße weichen, die vom Busbahnhof zum Stadion führen soll, und die noch gar nicht gebaut ist. Es gebe ein nationales Dekret, wurde den Anwohnern gesagt, sie müssten binnen weniger Tage die Häuser verlassen. Entschädigt worden sind bisher nur wenige Betroffene. Die Gelder liegen auf Sperrkonten, werden von der brasilianischen Bürokratie blockiert. Wann das Geld ausbezahlt wird und wie viel jeder bekommt, ist völlig unklar. Es sei auch kaum jemand in der Lage, sich ein neues Grundstück oder ein Häuschen zu leisten, erklärt Elias Inacio da Silva: "Es ist unmöglich etwas Vergleichbares zu bekommen. Die Quadratmeter-Preise sind explodiert. Wenn man den Betrag X für ein Haus bekommt, muss man für eine entsprechende Immobilie inzwischen mindestens das Doppelte zahlen."
    Am schlimmsten findet Elias Inacio da Silva die Hilflosigkeit. Von einem Tag auf den anderen zerstörte die WM sein Leben, als sein Haus abgerissen wurde. Da Silva: "Das Erste, was ich empfand, war ein großes Gefühl der Ohnmacht. Das Haus gehörte mir, ich habe es über 15 Jahre langsam gebaut. Jetzt denke ich: Es war alles umsonst, und ich bin wertlos, für nichts gut. Ich bin nicht gegen den Fortschritt in der Stadt. Aber ich verlange Entscheidungen, die uns in unserer Würde nicht verletzen. Jeden Tag schau ich gen Himmel und bitte Gott um Kraft, dass ich ein neues Haus baue oder eines kaufe. Das wühlt mich unglaublich auf."
    Staatsmacht geht brutal gegen Menschen vor
    Und noch etwas wühlt die Menschen auf und macht sie nachdenklich. Die Brutalität, mit der die Staatsmacht gegen die kleinen Leute vorgeht. "Was mich am meisten schockiert hat, war die Angst der Menschen, die enteignet wurden, vor der Regierung. Die Angst vor der Polizei, die Angst vor der Staatsmacht. Und es gibt nicht wenige hier, die heute nicht an dieser Versammlung teilnehmen, weil sie Angst haben. Die sagen, was kommt als nächstes? Die Diktatur liegt noch nicht so lange zurück, und der Putsch von 1964 macht vielen Leuten Angst, bis heute", sagt eine Frau.
    In Recife ist weder geregelt, wer eine Entschädigung bekommt, noch wie hoch sie ausfallen wird und welche Fristen gelten. Die Anwohner wissen nicht einmal, ob die Bustrasse, für die ihre Häuser abgerissen wurden, wirklich gebaut wird. Für die Bürger von Camaragibe ist die WM ein einziges Ärgernis. Recife ist kein Einzelfall. In fast allen WM-Städten wurden Hausbesitzer enteignet, wurden für die WM-Stadien, für Straßenbauprojekte und Bahntrassen aus ihren eigenen vier Wänden vertrieben. Während die brasilianische Regierung den Weltfußballverband FIFA hofierte, wurden elementare Bürgerrechte mit Füßen getreten. Für Renato Cosentino vom WM-Bürgerkomitee in Rio steht außer Frage, wer schon jetzt - noch vor dem Anpfiff in São Paulo - die Verlierer der Fußball-Weltmeisterschaft sind: "Als sich Brasilien 2007 um das Turnier bewarb, gab es vollmundige Worte, wie sehr die arme Bevölkerung davon profitieren würde. Aber wir sehen jetzt, dass genau das Gegenteil eingetreten ist. Diese Menschen sind es, die unter der WM leiden. Viele verlieren ihre Häuser, sie dürfen nicht an den WM-Bauten mitarbeiten, weil sie nur informelle Arbeiten verrichten. Und viele, die früher in die Stadien gingen, können sich das nicht mehr leisten. Mit den neuen Stadien und den hohen Eintrittspreisen müssen sie draußen bleiben. Die Armen sind die Verlierer.
    Gewinner sind große Unternehmen
    Und wie bei jedem Fußballspiel gibt es nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner. Auch diese und deren eher zweifelhaftes Erbe kann Renato Cosentino klar benennen: "Die Gewinner sind die großen Unternehmen. Nationale und internationale Bauunternehmen, Servicefirmen, Unternehmensberatungen, die FIFA und auch die Sponsoren. Für die wird das eine lukrative Weltmeisterschaft. Aber nach der WM und nach Olympia 2016 wird Rio de Janeiro geteilter sein als jemals zuvor. Und das Erbe der Events sind die Verletzung von Menschenrechten und weiße Elefanten. Einige der Stadien wird man nicht mehr brauchen. Viele Projekte wurden unter großem Zeitdruck vorangetrieben ohne zuvor eine öffentliche Debatte zu führen, ob man sie wirklich braucht. Man hat im Vorfeld einfach nicht diskutiert, welche Projekte nötig sind und welche nicht."
    Umgerechnet rund elf Milliarden Euro hat Brasilien für Stadien und WM-Infrastruktur ausgegeben, allein die Stadien waren teurer als die WM-Arenen der beiden letzten Weltmeisterschaften in Südafrika und Deutschland zusammengerechnet. Gleichzeitig leben im ganzen Land rund 700.000 Familien in extremer Armut, das Bildungssystem hat einen verheerenden Ruf und die Situation der Krankenhäuser ist so katastrophal, dass täglich Patienten auf den Gängen der Kliniken sterben. Rafael dos Santos arbeitet in São Paulo beim "Instituto Ethos", einer brasilianischen Nicht-Regierungs-Organisation, die sich mit der Transparenz öffentlicher Vorgänge und mit der Bekämpfung der Korruption befasst. Er hat in den vergangenen drei Jahren eng mit verschiedenen Bürgerkomitees in den WM-Austragungsorten zusammengearbeitet. Seine Einblicke in die bisherigen Investitionen, veranlassen Rafael dos Santos ein ernüchterndes Fazit zu ziehen: "Brasilien blickt auf die größten systematischen Investitionen der letzten 50 Jahre. Aber diese Investitionen werden das Land sehr teuer zu stehen kommen. Man hat in Infrastruktur investiert, die keine Priorität hatte. Es wurde viel Geld ausgegeben für temporäre Strukturen, die nach der WM wenig Sinn machen. Die FIFA hat einen Großteil der Kosten einfach auf die öffentlichen Haushalte abgeschoben. Da wurden auch viele Nebelkerzen gezündet. Man hat die Leute für dumm verkauft. Bis heute weiß niemand genau, welche die Auflagen der FIFA sind und welche nicht, und was die Behörden in Eigenregie in Auftrag gegeben haben.
    Bürgerkomitees vertreten Interessen der Armen
    Auch deshalb haben sich landesweit in allen WM-Austragungsorten kritische Bürgerkomitees gebildet, um die brasilianischen Behörden und Funktionäre zu kontrollieren und die Interessen der kleinen Leute zu vertreten. Ihr Ziel: Zivilen Widerstand zu leisten gegen soziale Ausgrenzung, gegen die Auswüchse einer globalen Interessenorganisation, die sich aus Politik, FIFA und mächtigen, einflussreichen Unternehmen zusammensetzt. Die Bürgerkomitees und Aktivistengruppen sind es, die in Brasilien ihre Finger in die Wunden legen, die die Weltmeisterschaft in die brasilianische Gesellschaft geschlagen hat. Während des Confederations Cup im vergangenen Jahr haben sie mit Massendemonstrationen für weltweites Aufsehen gesorgt. In ganz Brasilien zogen hunderttausende auf die Straßen, um gegen die Auswüchse der WM zu protestieren. Seither wird nicht nur im WM-Land über Sinn und Unsinn gigantischer Sportevents diskutiert, von denen nur einige Wenige profitieren. Gleichzeitig hat sich die Zivilgesellschaft in Brasilien zum ersten Mal artikuliert. Das wertet Rafael dos Santos als größten Erfolg dieser Weltmeisterschaft: "Das war unser wichtigster Sieg. Zuerst sagten alle, wir wären gegen die Weltmeisterschaft, das sind wir aber nicht. Wir wollen eine Diskussion darüber führen, wie die Städte aussehen sollen, wenn sie umgestaltet werden. Und wir haben da zum Teil erste Erfolge erzielt. Das war ein Reifeprozess. In manchen Städten stand etwa das Thema Mobilität zum ersten Mal auf der Agenda. Nun diskutieren die Menschen darüber, wie Bürgersteige aussehen sollen, wie der Verkehr durch die Stadt geführt wird, wie sich Stadtteile entwickeln sollen. Das ist das Erbe des Engagements der Zivilgesellschaft."
    Zurück in Rio de Janeiro. In einer kleinen Kneipe im Stadtteil Santa Teresa sitzt Carlos Tucano, der sich mit seinen Stammesbrüdern so vehement gegen den Abriss des alten Indio-Museums gewehrt hat. In der Zwischenzeit gab es Verhandlungen mit Politikern, eine Lösung für die Villa wurde in Aussicht gestellt. Carlos Tucano und die anderen Indios zogen daraufhin aus. Doch seither tut sich nichts mehr. Die verfallene Villa neben dem Maracanã-Stadion ist abgeriegelt; keiner weiß, wie es weiter geht. Die Indios jedenfalls dürfen nicht mehr rein, es redet auch keiner mehr mit ihnen. Carlos Tucano ist wie viele andere maßlos enttäuscht über die Weltmeisterschaft im eigenen Land. Nicht nur er fühlt sich als Verlierer der WM: "Das ist nicht die WM, die ich wollte. Ich habe mir ein Fußballfest für alle gewünscht, aber leider sind die Indios auf der Strecke geblieben. Der Regierung und den Unternehmen ging es nur um ihre Interessen, sie wollten nur ihren Gewinn machen. Ich würde mir gerne ein Spiel im Maracanã-Stadion ansehen, aber mein Herz sagt Nein."