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Gesundheitsförderung
Fit für den Job

Die deutsche Volkswirtschaft verliert 225 Milliarden Euro im Jahr durch kranke Arbeitnehmer. Diese Zahl hat eine Studie im Auftrag der Felix Burda Stiftung ermittelt. Ein überzeugendes Argument für ein betriebliches Gesundheitsmanagement.

Von Andrea Schültke | 12.04.2014
    Die Mitarbeiter machen ein Meeting im Fitnessstudio. Sie treffen sich in kleiner Runde, machen Übungen und während der Pause diskutieren die miteinander. Sportwissenschaftler Eginhard Kieß berichtet über das Düsseldorfer Energieunternehmen "E.on". Der Personal Trainer bringt den internationalen Konzern seit Jahren in Bewegung.
    "Wir wissen alle, dass während Bewegung kreativere Ideen entstehen. Also gehen wir unten am Rhein lang machen eine Walking-Einheit und diskutieren Management-Strategien."
    Die Hälfte aller Angestellten sei sportlich unterwegs. Kieß erklärt diese außergewöhnlich hohe Quote mit den internationalen Mitarbeitern. Für die sei etwa ein firmeneigenes Fitnessstudio selbstverständlich. Auch deutsche Unternehmen bringen ihre Mitarbeiter verstärkt in Bewegung. Wie etwa der Fleischproduzent Tönnies. Als der Betrieb vor zwei Jahren eine neue Konzernzentrale bekam, gab es auch ein Fitnessstudio für die Mitarbeiter. Seit zwei Monaten betreut Ulf Heitländer in Rheda-Wiedenbrück die 240 Mitglieder:
    "Es gibt viele Leute, die nach der Arbeit noch mal vorbei kommen, obwohl sie schon zehn bis zwölf Stunden auf den Beinen sind und dann noch mal auf dem Laufband trainieren oder am Gerät ihre Einheiten absolvieren. Das wird sehr gut angenommen."
    Gesundheitsförderung und Imagewerbung
    Heitländer ist Sportwissenschaftler mit Schwerpunkt Prävention und Rehabilitation. In Zukunft will er weiter ausloten, welche Kursprogramme er anbietet, und das auf die Wünsche der Mitarbeiter abstimmen. Das Sportprogramm bei Tönnies ist nicht nur ein Beitrag zur Gesundheitsförderung, sondern wie die hauseigene Kindertagesstätte sicher auch zur Imagewerbung gedacht. Denn das Unternehmen stand wegen seiner Werksverträge mit Osteuropäern und deren beengter Unterbringung in der Kritik.
    Um Imagewerbung geht es Autobauer Audi bei seinem betrieblichen Gesundheitsmanagement eher nachrangig. Vorrangiges Ziel laut Werksärztin und Arbeitsmedizinerin Theresa Schweizer:
    "Glücklichere Mitarbeiter. Es geht, denke ich, nicht nur darum, Autos zu bauen. Natürlich müssen wir Autos bauen. Wir haben eine Hochleistungsfertigung, aber jemand, der nicht im Gleichgewicht ist, kann seine Arbeit nicht erbringen wie er möchte."
    Deshalb geht es in Ingolstadt für die 35.000 Mitarbeiter einmal um Ergonomie am Arbeitsplatz – sowohl im Büro als auch am Fließband. Aber es geht auch um Gesundheit durch Bewegung.
    "Es gibt Dauerangebote: Lauftreff, Nordic Walking. Anderes ist erst gestartet. Das Fitnessteam ist erst seit zwei Jahren noch in der Aufbauphase. Wir haben Sonderaktionen, zwei mal jährlich Selbstverteidigungskurse. In allen Bereichen wird ständig geschult. Alle drei Monate werden die Quartalsunterweisungen laufender Prozess durch kleine Sportaktionen gewürzt."
    Wie etwa mit dem 24-Stunden-Lauf aller Abteilungen über das Werksgelände.
    "Wir müssen etwas für die Gesundheit der Belegschaft tun!"
    Es gibt Steuerfreibeträge
    Das ist in den Führungsetagen angekommen. Die Investition in betriebliche Gesundheitsvorsorge lohnt sich. Das Finanzamt fördert Präventionsmaßnahmen mit Steuerfreibeträgen. Und durch verringerte Fehlzeiten etwa bekommt das Unternehmen für jeden investierten Euro in Gesundheitsprojekte mindestens fünf Euro zurück.
    Diesen wachsenden Markt hat auch die Gesundheitsbranche erkannt. Sie reagiert darauf unter anderem mit digitalen Gesundheitsprogrammen. Der Mitarbeiter loggt sich mit Smartphone oder Tablet-Computer auf einer Plattform ein, beantwortet Fragen zum persönlichen Gesundheitszustand. Dann bringen virtuelle Trainings- Programme wie etwa "Moove" den Menschen in Bewegung, erläutert
    Sportwissenschaftler und Gesundheitsmanager Daniel Kaiser von vitaliberty.
    "Das können kleinste Tipps sein wie 'Nimm die Treppe statt den Aufzug'. Das können aber auch ganze Fitnessvideos sein, die man am PC durchführt, auch zu Hause. Aber es können auch Online-Trainings sein, die sogar auch krankenkassenzertifiziert sind. So kann sich auch das Unternehmen von der Krankenkasse bezuschussen lassen, um etwas für die Gesundheit der Mitarbeiter zu tun."
    Schrittzähler gegen chronische Krankheiten
    Das Ziel ist für alle gleich: Mitarbeiter in Bewegung bringen. Der beste Weg dahin ist aber noch unklar, wissenschaftlich kaum erforscht. Christine Graf will das ändern. Die Professorin leitet die Abteilung Bewegung und Gesundheitsförderung an der Sporthochschule Köln. Sie will wissen:
    "Wie bringe ich die Leute dazu, mehr Schritte im beruflichen Alltag zu machen? Da kann man auch so eine Art Teamcoaching machen. Das heißt, dass man als Team geht. Solche Ansätze verfolgen wir gerade."
    Dazu empfiehlt sie das kleinste Fitnessgerät der Welt, den Schrittzähler. Mit 10.000 Schritten am Tag könne man sämtliche chronische Krankheiten bekämpfen, so die Medizinerin. Es gebe aber momentan nur eine einzige Berufsgruppe, die dieses Ziel erreiche: die Ordensschwestern.