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God Bless America:

In den Tagen nach den Terroranschlägen vom 11. September suchten die Amerikaner wie selbstverständlich Trost bei ihrer Fahne und den patriotischen Liedern, die sie in der Schule gelernt haben. Kaum ein Fernsehkanal, der nicht "America the Beautiful" oder "God Bless America" gespielt hätte. Sonntags strömten noch mehr Menschen in die Kirchen als gewöhnlich, und evangelikale Prediger - also Vertreter der konservativen Bewegung im amerikanischen Protestantismus - eilten aus allen Teilen des Landes nach New York, um an die Opfer des apokalyptischen Terrors Schecks, Gebete und gute Worte zu verteilen.

Thomas Spang | 06.05.2002
    In den Tagen nach den Terroranschlägen vom 11. September suchten die Amerikaner wie selbstverständlich Trost bei ihrer Fahne und den patriotischen Liedern, die sie in der Schule gelernt haben. Kaum ein Fernsehkanal, der nicht "America the Beautiful" oder "God Bless America" gespielt hätte. Sonntags strömten noch mehr Menschen in die Kirchen als gewöhnlich, und evangelikale Prediger - also Vertreter der konservativen Bewegung im amerikanischen Protestantismus - eilten aus allen Teilen des Landes nach New York, um an die Opfer des apokalyptischen Terrors Schecks, Gebete und gute Worte zu verteilen.

    Andere versuchten, die schrecklichen Ereignisse auszunutzen, um Zwietracht zu säen. So behaupteten zwei Führer der christlichen Rechten, die Pfarrer Pat Robertson und Jerry Fallwell, zur besten Sendezeit, dass Gott Amerika bestraft habe, weil es Homosexualität und Feminismus zulasse. Auch US-Präsident George W. Bush holte sich geistlichen Beistand. Unmittelbar vor der wichtigsten Rede seiner kurzen Amtszeit, in der er am 20. September Amerikas Antwort auf den Terror formulierte, versammelte der Präsident eine illustre Runde von Religionsführern der verschiedensten Glaubensrichtungen im Weißen Haus.

    Nur wer Augen und Ohren fest verschlossen hatte, konnte nach dem 11. September die eigentümliche Verquickung von Religion und Politik in Amerika ignorieren. Da trat auch ein Paradox offen zu Tage, das in der politischen Ordnung der USA unterschwellig immer vorhanden war: einerseits die strenge Trennung zwischen Kirche und Staat auf institutioneller Ebene, andererseits die tiefe Frömmigkeit der Amerikaner, die sich "als eine Nation unter Gott" verstehen, wie es im "Pledge of Allegiance", dem Treuegelöbnis, heißt. Der Franzose Alexis de Toqueville hatte bereits während seiner ersten Amerika-Reise 1832 beobachtet, dass "die Religion hier mit allen nationalen Gewohnheiten und mit fast allen vaterländischen Gefühlen verbunden ist". Spätere Amerika-Experten entwickelten daraus die Theorie von der "Zivilreligion", die als Krücke dient, um den merkwürdigen Widerspruch zu erklären, der von Anfang an zum Selbstverständnis der Amerikaner gehörte.

    Die Rolle der Religion in der Gesellschaft ist auch heute noch ein wichtiger Unterschied zwischen Alter und Neuer Welt. Während in den USA vier von zehn Amerikanern mindestens einmal in der Woche in eine Kirche, Synagoge, Moschee oder einen Tempel gehen (300 000 davon gibt es im Land), besucht in Deutschland nicht einmal jeder zehnte Bundesbürger regelmäßig die halbleeren Gotteshäuser. Dass die Kirchen hierzulande noch ihre Gebäude, Pfarrer und sozialen Dienste aufrechterhalten können, liegt an der engen Verquickung von Staat und Kirche, die im Reichskonkordat geregelt ist. In Amerika ist es gerade die Abwesenheit des Staates, die die Religionsgemeinschaften stark, aber auch populistisch macht. Randall Balmer von der Columbia-Universität in New York, einer der besten Kenner der amerikanischen Glaubenswelt, erklärt die Popularität der Kirchen in den USA so:

    Das liegt am freien Markt der Religionen. Sie haben hier im bildlichen Sinne all die 'Unternehmer Gottes', die miteinander im Wettbewerb stehen und Mitglieder werben. Deshalb ist Religion in Amerika hoffnungslos populistisch. Die Prediger haben sich hier schon immer an die Massen gerichtet. Es gibt keine Staatskirche.

    Daraus hervorgegangen ist ein religiöser Pluralismus, der seinesgleichen in der Welt sucht. Allein die christlichen Kirchen sind heute in 220 bis 250 verschiedene Glaubensrichtungen aufgeteilt. Vor diesem Hintergrund ist auch das Phänomen der Volksprediger zu erklären, die in den USA die Massen ansprechen. Dazu zählen Ikonen wie Billy Graham und Robert Schuller, politische Figuren wie James Dobson und Jessee Jackson, aber auch Scharlatane wie der Fernsehevangelist Jim Baker, der Mitte der achtziger Jahre im Gefängnis landete, weil er die Opfergroschen gutgläubiger Christenmenschen verprasste. Die Kirchen selbst organisieren sich wie Unternehmen, mit den Pfarrern als "Geschäftsführern" an der Spitze. Sie benutzen Marktforscher, um ideale Standorte für neue Kirchen herauszufinden, gründen Filialen und wetteifern mit Freizeit-, Bibel- und Sozialprogrammen um die Gunst der Gläubigen.

    Zum Beispiel die First Baptist Church in Orlando. Die Parkflächen vor dem modernen Betonbau reichen für einen mittelgroßen Flughafen, der Gebetsraum könnte als moderner Konzertsaal durchgehen. Mit mehr als 10.000 Mitgliedern zählt die Mega-Kirche zu den 20 größten Gotteshäusern Amerikas. Die Gemeinde leistet sich sogar einen eigenen Medienpastor, da der Chef-Pfarrer Jim Henry nicht genug Zeit für die Öffentlichkeitsarbeit hat. Der junge Medienpastor Steven Smith vergleicht seine Kirche, in der 200 Voll- und 200 Teilzeitkräfte arbeiten, unumwunden mit einem Unternehmen:

    Unser Senior Pastor Jim Henry ist gewissermaßen der CEO, der Geschäftsführer dieses Unternehmens. Darüber hinaus haben wir 16 Pastoren, die in speziellen Bereichen tätig sind. Wir haben einen geschäftsführenden Pastor und einen Stellvertreter, denen die anderen Geistlichen rechenschaftspflichtig sind. Nicht zu vergessen die Freiwilligen. Hinzu kommt ein Gremium, das die Geschäftsbeziehungen der Kirche überwacht. Dort werden teilweise Entscheidungen gefällt, die nicht ohne Befragung der Mitglieder getroffen werden können, wie zum Beispiel Grundstückskäuft.

    Wenn Pastor Jim Henry Sonntags zu den 4.000 bis 4.500 Gläubigen spricht, überträgt der eigene lokale Fernsehsender die Predigt für die Alten, Kranken und Daheimgebliebenen in die Wohnstuben. Ein Erfolgsrezept der Southern Baptist von Orlando heißt moderne Musik. "Christlicher Rock" ist in Amerika ein eigenes Genre, was die großen Plattenfirmen schon vor geraumer Zeit erkannt haben. Allein im vergangenen Jahr verkaufte die Branche 50 Millionen CD's der "Jesus-Rocker". Auf diesen Trend setzen auch die konservativen Protestanten der First Baptist Church, die für ihre Gottesdienste die Combo "Metro-Live" engagiert hat. Fromme Texte zu rockigen Akkorden ist die Mischung, die ein Publikum anzieht, das weit über Orlando hinausreicht:

    'Ich möchte gerne tanzen, ich weiß das ist närrisch', singt Hope Wolf einen Oldie der Christian-Rock-Szene und spielt damit auf das Tanzverbot strenger Baptisten-Gemeinden an. 'Aber wenn die Welt das Licht gesehen hat, dann wird sie tanzen wie wir'.

    Die neue Form hat am Inhalt der Theologie der Southern Baptist freilich nichts geändert. Ganz selbstverständlich steht Pastor Smith zu den Aufsehen erregenden Beschlüssen der letzten Baptisten-Konvente. So können Frauen jetzt keine geistlichen Ämter mehr bekleiden und offizielle Doktrin der Kirche ist, dass Ehefrauen sich ihren Männern "freudig unterordnen". Auch politisch lässt Pfarrer Henry in einer Predigt vor den letzten Präsidentenwahlen keinen Zweifel daran aufkommen, was passiert, wenn die Schäflein nicht "republikanisch" wählen:

    Wenn eine Nation zulässt, dass 30 Prozent ihrer Kinder außerhalb der Ehe zur Welt kommen, dass anderthalb Millionen Kinder durch Abtreibung ermordet werden, dass Misshandlung von Partnern und Missbrauch von Kindern an der Tagesordnung sind, dass die Scheidungsraten so hoch wie nie zuvor sind, dass Gottes Name verhöhnt und die Kunst sich über Jesus lustig macht – Leute: wenn es nicht zu einer Umkehr kommt, wird Gott Amerika richten.

    Diesen Einfluss kennen und fürchten die Politstrategen in Washington, die wissen, dass die eher fundamentalistischen Kirchen eine starke Organisationskraft haben. So verdankte Bush sein Comeback nach der empfindlichen Niederlage bei den Vorwahlen in New Hampshire dem fundamentalistischen Fußvolk des sittenstrengen Bundesstaates South Carolina, das für ihn von Haustür zu Haustür zog, um für den aussichtsreichsten "Pro-Life"-Kandidaten, also einen Abtreibungsgegner , zu werben. Religionswissenschaftler Randal Ballmer weiß, dass ohne die Unterstützung der christlichen Rechten heute kein Republikaner mehr US-Präsident werden kann:

    Also diejenigen, die sich politisch engagieren und zur christlichen Rechten gehören, sind heute die zuverlässigsten Wähler der Republikaner, so wie einst die Gewerkschafter die Stammwähler der Demokraten waren.

    Bush-Chef-Berater Karl Rove hat dieses Mantra republikanischer Präsidentschaftspolitik von Anfang an verstanden. Deshalb legte Bush im Wahlkampf mit dem Besuch der erzreaktionären Bob-Jones-Bibelschule in Greenville den Lackmus-Test der christlichen Rechten ab – ein Gang, den seit Ronald Reagan alle erfolgreichen republikanischen Kandidaten antraten. Theologisch steht die Schule am äußersten rechten Rand des protestantischen Spektrums. Im Buchladen werden Titel über die römisch-katholische Kirche unter der Rubrik "Kulte" geführt.

    In ihrer Selbstdarstellung präsentiert sich die Kaderschmiede der Fundamentalisten betont locker. Doch bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass selbst der Werbefilm das strenge Kontrollregime nicht verbergen kann, das "Dr. Bob" errichtet hat. Die Regeln der Universität sind in einem 30-Seiten starken Katalog festgehalten, der vor der Öffentlichkeit verborgen wird. Darin steht unter anderem, dass Treffen zwischen unverheirateten Paaren nur mit so genannten "Chaperones", also bezahlten Aufpassern, erlaubt sind und Beziehungen außerhalb der Universität ausdrücklich der Zustimmung der Eltern bedürfen. Schon ein einziges Glas Bier reicht für den Rausschmiss. In dem Werbestreifen wird der Sittenkodex so angepriesen:

    Christliche Eltern und Erzieher müssen sich heute gegen den Wind stemmen, wenn Sie ihren Kindern beibringen wollen, ein Leben aus Gottes Perspektive zu führen und den Herrn zu lieben. Die Bob Jones University bietet ein überzeugend christliches Curriculum an, das hilft, diese Ziele zu erreichen.

    Obwohl Bush heute vorsichtig auf Distanz zur Bob -Jones- Universität geht, hat er doch nicht vergessen, was er der christlichen Rechten zu verdanken hat. Und so belohnte er seine Unterstützer mit dem wichtigsten innenpolitischen Amt der USA, dem Justizminister. John Ashcroft ist Ehrendoktor der Kaderschmiede und ist in Washington bekannt für seine morgendlichen Gebetsrunden im Büro und für rituelle Handlungen, wie das Einsalben seines Hauptes mit Bratenfett vor der Amtseinführung. Weniger exponierte Mitglieder des Kabinetts, wie Gesundheitsminister Tommy Thompson sowie eine ganze Phalanx an Experten im zweiten oder dritten Glied haben ihre Wurzeln ebenfalls in diesem Umfeld.

    US-Präsident George W. Bush selber entstammt weniger dem fundamentalistischen als mehr dem evangelikalen Spektrum. Bis heute gehört er der Methodistischen Kirche an, die eine der großen protestantischen Volkskirchen der Mitte ist. Persönlich prägend war wohl der Einfluss Billy Grahams, der ein langjähriger Freund der Familie Bush ist und dem er nach eigenem Zeugnis den Weg zu Jesus zu verdanken hat. Während des Gouverneur-Wahlkampfs in Texas zog er den Massenprediger zu Rate, um einen Familienstreit zu lösen. George W. hatte die These vertreten, dass nur Christen Anspruch auf einen Platz im Himmel haben, während Mutter Barbara eine weniger rigorose Einstellung vertrat. Graham gab George Recht, mahnte aber zu Bescheidenheit.

    Vor dem Hintergrund dieser Episode fragen sich viele Beobachter, ob Bushs Bemerkung über den "Kreuzzug" gegen den Terrorismus bloß ein Ausrutscher war, oder ob er es genauso gemeint hat. Frank Bruni, Chef des Washingtoner Büros der New York Times und Verfasser der viel beachteten Bush- Biografie "Ambling into History", die gerade in den USA erschienen ist, ist sich in diesem Punkt nicht sicher:

    Wenn ein Freund von mir sagt, er ist auf einem Kreuzzug , heißt das nicht, dass er auf einer religiösen Mission ist. Denn dieser Begriff hat auch weltliche Bedeutung. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob das ein Einblick in sein Inneres war oder ein unvorsichtig gebrauchter Begriff. Er wird sehr häufig verwendet.

    Weniger fraglich ist für Bruni Bushs Rolle als Moralist, der in seinen Reden gern auf starke Adjektive wie "gut" und "böse", "gerecht" und "ungerecht" zurückgreift. In seinem Vokabular macht er Anleihen im Wortschatz der Kleriker. Bush spricht von "Armeen des Mitgefühls", die er mobilisieren möchte, um die Armut zu bekämpfen, stellt andere Personen mit Attributen wie "Mann mit Glauben" vor oder macht in der Welt eine "Achse des Bösen" aus. Zuweilen beginnt er regelrecht zu predigen, wie zuletzt vor Kadetten der Militärakademie von Lexington in Virginia:

    Der Weg in eine friedliche Zukunft kann in den nichtverhandelbaren Forderungen nach menschlicher Würde gefunden werden. Würde verlangt die Herrschaft des Rechts, die Begrenzung des Staates, Respekt für Frauen, privaten Besitz, Gerechtigkeit für alle, religiöse Toleranz. Keiner Nation gehören diese Prinzipien, keine Nation ist von Ihnen ausgenommen.

    Durch die Ereignisse des 11. September hat Bush nach Meinung des Kolumnisten Bill Keller seine Mission gefunden. Seitdem sei er davon überzeugt, dass Gott ihn für einen bestimmten Zweck auserwählt und ihm gezeigt habe, was dieser Zweck ist. Bruni, der ein Kollege Kellers bei der New York Times ist, möchte nicht so weit gehen, zu behaupten, der Präsident sehe sich nun selber auf einer göttlichen Mission, hält diese Dimension in Bushs Denken aber umgekehrt auch nicht für völlig ausgeschlossen:

    Meine Vermutung ist, dass er nicht denkt, o.k. Gott hat mich für diesen Moment in der Geschichte geschaffen, sondern eher so: wenn ich nicht der richtige für diese Herausforderung wäre, nicht diesem Test standhalten könnte, hätte Gott es nicht zugelassen, dass ich in diese Position komme. Das ist eine leicht unterschiedliche Wertung.

    Außenpolitisch schlägt sich diese Selbstwahrnehmung in einem moralischen Rigorismus nieder, der bei konservativen Republikanern und der christlichen Rechten viel Beifall findet. Auf dem Reißbrett Bushs erscheint die Welt als Ort, an dem Gut und Böse miteinander im Kampf stehen und zwar ganz konkret. Trotzig wiederholte der Präsident in Lexington seine Auffassung, dass Irak, Iran und Nord-Korea eine moralische Achse des Bösen bilden, ein Begriff, der bei den Verbündeten in Europa bereits beim ersten Mal großes Kopfschütteln ausgelöst hatte:

    In ihrer Bedrohung des Friedens, in ihren schlechten Ambitionen, in ihrem destruktiven Potential und in der Unterdrückung ihrer Menschen begründen diese Regime eine Achse des Bösen. Und die Welt muss ihnen entgegentreten.

    Für Präsidentenbiograf Bruni, wie für viele andere Kenner des Weißen Hauses, ist es keine Frage, dass die christliche Rechte unter Bush deutlich an Einfluss gewonnen hat. Als Verbindungsglieder fungieren der frühere Chef der christlichen Lobbygruppe 'Christian Coalition’ und heutige Bush-Berater Ralph Reed, der Chef der konservativen Lobbyisten "Free Congress Foundation" ,Paul Weyrich, und Redenschreiber Michael Gerson. Letzterer sympathisiert stark mit dem Kreis rechter Intellektueller um den Journalistik-Professor Marvin Olasky, der den Begriff des "Mitfühlenden Konservativismus" geprägt hat. Der hagere Gelehrte lehnt staatliche Sozial-Programme rundherum als ineffizient ab und plädiert für eine Rückkehr zu privaten Initiativen:

    Diese Programme nun einfach abzuschaffen, ist nicht die richtige Alternative. Wir müssen am Aufbau einer Zivilgesellschaft arbeiten. Damit meine ich Institutionen, die größer als der Einzelne sind, aber kleiner als die Regierung. Das sind zum Beispiel religiöse Gruppen, Bürgerbewegungen, Freiwilligengruppen, Gewerkschaften und andere Gruppierungen, in denen Menschen freiwillig zusammenkommen, um für das Gemeinwohl zu arbeiten.

    Für besonders erfolgreich hält Olasky Programme von Organisationen , die religiös gebunden sind. Wegen der strikten Trennung von Staat und Kirche in den USA ist es der Regierung bisher aber nicht erlaubt, solche Programme, zum Beispiel in der Drogen- und Gefängnisarbeit, mit Steuergeldern zu fördern. Ginge es allein nach Bush soll sich das schon bald ändern. Gleich nach Einzug richtete Bush im Weißen Haus ein Büro für das Verhältnis von Staat und Kirche ein, dessen Aufgabe darin besteht, zu prüfen, wie religiös-motivierte Gruppen, so genannte "Faith-Based-Organisations", staatliche Hilfe erhalten können.

    Bisher hatte der Präsident wenig Erfolg , dieses Konzept umzusetzen. Der erste Chef des Büros für "Faith-Based"-Initiativen, John D. Diulio schmiss bereits nach etwas mehr als einem halben Jahr den Bettel hin. Die Gesetzgebung stockt im Kongress, sieht sich heftiger Kritik der Bürgerrechtler aus gesetzt und wird nun auch von Teilen der "christlichen Rechten" scharf attackiert. Deren Führer fürchten, dass "nicht genehme" Glaubensgemeinschaften, wie die "Nation of Islam" oder die "Hare-Krishna-Bewegung" auf diesem Weg an Staatsgelder kommen können.

    Die Diskussion um die Initiative zeigt, dass Bush nicht so einfach in ein Schwarz-Weiß-Schema gepresst werden kann. Er hat zwar seine Basis in der christlichen Rechten, gehört aber nicht zu den ideologischen Hardlinern. Bush-Biograph Bruni:

    Da gibt es einige Sachen, die man nicht sofort als evangelikal oder fundamentalistisch-christlich erkennt. Es sind die Geschichten, die er erzählt, bestimmte Wörter, die er benutzt, die Intonation seiner Stimme usw., die ihn als einen der ihren erkennen lassen. Er hat im Wahlkampf eine Menge Zeit auf die religiöse Rechte verwandt. Sie haben nicht immer alles bekommen. Insofern ist Bush nicht ihr Sklave. Aber er ist einer, der ihre Unterstützung genießt.

    Die Rolle der Religion in Amerika, ihr Einfluss auf die US-Politik sollte unter George W. Bush nicht unterschätzt werden. Religion begründet das Weltbild des Präsidenten und ist Herzstück seiner Idee eines "mitfühlenden Konservativismus". Bush ist kein Fundamentalist, aber er ist evangelikal und vor allem ein Moralist. Den Präsidenten einfach als Leichtgewicht abzutun, ohne diese Dimension seines Denkens und Handelns zu analysieren, trägt zu den Missverständnissen bei, die das transatlantische Verhältnis zu Zeit bestimmen. Seit Jimmy Carter hat es wohl kein Präsident so ernst gemeint, wie Bush, wenn er am Schluss seiner Reden den Segen Gottes für Amerika erbittet.