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Griechische Opposition
"Tsipras muss flexibler sein"

Beim Besuch von Ministerpräsident Tsipras in Deutschland gebe es Anzeichen, dass sich die Atmosphäre zwischen beiden Ländern wieder entspanne, sagte Evangelos Antonaros, ehemaliger Nea Dimokratia-Abgeordneter, im DLF. Griechenland brauche die finanzielle Unterstützung seiner Gläubiger.

Evangelos Antonaros im Gespräch mit Silvia Engels | 24.03.2015
    Evangelos Antonaros
    Evangelos Antonaros (dpa / picture-alliance / Karlheinz Schindler)
    Silvia Engels: Der gestrige Besuch von Ministerpräsident Tsipras bei Bundeskanzlerin Merkel, er soll ja atmosphärisch recht gut verlaufen sein. Ein Fortschritt im Vergleich zu den vergangenen Tagen, als harte Worte die gegenseitige Auseinandersetzung prägten. Aber ob das genügt, um die widerstreitenden Politikauffassungen auf einen Nenner zu bringen, bleibt weiter unklar.
    Am Telefon ist Evangelos Antonaros. Er war in der letzten Legislaturperiode Abgeordneter im griechischen Parlament, und zwar für die frühere Regierungspartei Nea Dimokratia. Guten Tag, Herr Antonaros.
    Evangelos Antonaros: Guten Tag, Frau Engels.
    Engels: Sind Sie denn angesichts der akuten griechischen Finanznöte noch irgendwie gelassen?
    Antonaros: Gelassen bin ich nicht, aber ich glaube, das gestrige Gespräch, die gestrigen Beratungen in Berlin haben doch die Möglichkeiten gezeigt, die es für eine Verständigung zwischen der griechischen neuen Regierung und der Bundesregierung gibt. Allein die Tatsache, dass das Abendessen, glaube ich, gestern so viele Stunden gedauert hat, ist doch ein klarer Beweis dafür, dass das Gespräch vertieft worden ist, und so wird das auch hier von griechischer Seite gesehen, dass diese Gespräche sehr positiv zumindest atmosphärisch in dieser Situation verlaufen sein sollen, denn wir kennen natürlich den Inhalt der Gespräche nicht ganz genau.
    Engels: Sie sprechen von Möglichkeiten für eine Annäherung, auch um diese Finanzprobleme beizulegen. Können Sie da konkreter werden, was Sie da erwarten?
    Antonaros: Nein. Konkreter kann ich insofern nicht werden, weil ich natürlich nicht dieser griechischen Regierung angehöre, aber es macht heute hier das Gerücht, die Nachricht die Runde, wonach die neue griechische Regierung bis Anfang nächster Woche eine konkrete Liste von geplanten, konkreten geplanten Reformen vorlegen soll. Und wenn das eintritt, dann wäre das doch eine positive Entwicklung nach zwei Monaten Stillstand.
    "Tsipras spricht andere Sprache mit den griechischen Wählern"
    Engels: Braucht denn Griechenland einen schnellen Notkredit, wie EU-Parlamentspräsident Schulz das zumindest in Aussicht gestellt hat, um die aktuellen akuten Finanzprobleme zu überbrücken?
    Antonaros: Ich glaube, die ganz aktuellen, sozusagen diejenigen, die innerhalb der nächsten Wochen vorliegen, möglicherweise nicht. Aber dann wird es knapp in der griechischen Kasse, vor allem, weil die Steuereinnahmen immer stärker zurückgehen. Deswegen braucht Griechenland meiner Meinung nach in absehbarer Zeit die finanzielle Unterstützung seiner Gläubiger, und weil es diese finanzielle Unterstützung braucht, muss es zu einer Verständigung kommen. Ich betrachte auch die gestrigen Äußerungen von Herrn Tsipras, die politischen Äußerungen von Herrn Tsipras als eine Art Kehrtwende, und zwar insofern, weil er gesagt hat - und das ist neu aus seinem Munde -, dass die Verantwortung für das, was den Griechen passiert ist, nicht unbedingt bei den Partnern gesucht werden müsse. Das ist ein Eingeständnis, dass Griechenland jetzt aus eigener Kraft, mit eigener Kraft Reformen durchziehen sollte. Er spricht also jetzt eine ziemlich andere Sprache mit den griechischen Wählern, und das ist meiner Meinung nach schon ein Fortschritt.
    Engels: Auf der anderen Seite war ja immer zu beobachten, dass bei internationalen Treffen Tsipras schon ähnlich formulierte, dann aber wieder zuhause im Parlament deutlich drastischer die Angriffe auch gegen europäische Institutionen richtete. Was macht Ihnen Hoffnung, dass das jetzt anders ist?
    Antonaros: Aus einem ganz einfachen Grund: Die Zeit wird immer knapper und Tsipras und seine engsten Mitarbeiter scheinen, das eingesehen zu haben. Viel mehr Zeit kann man nicht verlieren, sonst wird Griechenland mit größeren Problemen konfrontiert. Ich habe den Eindruck nach den gestrigen Gesprächen und nach der gestrigen Pressekonferenz, dass wichtige Schritte in Richtung Realismus von Tsipras unternommen worden sind.
    Engels: Wenn wir einmal auf die griechische Innenpolitik schauen, ist natürlich völlig klar, dass Sie kein Freund von Alexis Tsipras sind. Im Gegenteil: Sie gehören dem konservativen Lager an. Aber angesichts der großen Probleme, vor denen Griechenland steht, ist der Zeitpunkt erreicht, wo man auch über Parteigrenzen hinweg versucht, hier Lösungen zu finden?
    Antonaros: Ich bin, da haben Sie Recht, kein politischer Freund von Alexis Tsipras. Ich gehöre der liberal-konservativen Nea Dimokratia an. Auf der anderen Seite bin ich nicht der Meinung, dass man einer neuen griechischen Regierung, die erst vor zwei Monaten mit klarer Mehrheit gewählt worden ist, die ganze Zeit Stolpersteine hinwerfen muss. Es geht, so wie ich das sehe, in erster Linie darum, diese linke griechische Regierung dazu zu ermutigen, die Verständigung, den Kompromiss mit unseren Partnern und unseren Gläubigern zu suchen. Das muss meiner Meinung nach auch Aufgabe der griechischen Haupt-Oppositionspartei, also meiner Partei sein.
    "Tsipras muss flexibler sein"
    Engels: Inwiefern könnte hier eine Unterstützung erfolgen?
    Antonaros: Man muss ihn ermutigen, flexibler zu sein, damit er auch in der Lage sein wird, gegenüber dem linken Flügel innerhalb seiner Partei die Schlachten zu gewinnen, die es zu gewinnen gibt. Er muss auch die Sicherheit haben, dass er notfalls auch bei uns, die nicht links sind, Unterstützung auch im Parlament bekommen wird. So meine ich das. Es kann doch nicht in unserem Interesse sein, im Interesse der Liberal-Konservativen sein, dass sozusagen Tsipras und seine Regierung das Land gegen die Wand fährt. Was haben wir dann davon? Dann bricht alles zusammen.
    Engels: Inwieweit müssen Sie sich dann aber auch mit in die Verantwortung nehmen lassen, dass Ihnen ja auch von Tsipras als Partei der Vorwurf gemacht wird für die jahrzehntelange Misswirtschaft und für Korruption maßgeblich mit verantwortlich zu sein.
    Antonaros: Das sind natürlich übertriebene Unwahrheiten. Aber im Moment geht es nicht darum, die Vergangenheit zu bewältigen, sondern mit Blick in die Zukunft Lösungen zu finden. Und jetzt ausgerechnet zu diesem kritischen Zeitpunkt geht es darum, wie soll ich sagen, eine lose, wenn Sie wollen, Kooperation der proeuropäischen Kräfte zu schmieden, damit das Land in der Eurozone bleibt und auch in der Lage sein wird, seine Probleme zu bewältigen. Wir haben nichts davon, wenn wir Tsipras und seine Leute dazu ermutigen, noch radikaler zu werden, die Konfrontation mit Deutschland und anderen wichtigen Partnern zu suchen. Was hat das Land davon? - Nichts! Wir haben erst vor zwei Monaten die Wahlen verloren und das müssen wir auch zugeben. Die griechischen Wähler haben mehrheitlich so entschieden und Herrn Tsipras die Mehrheit gegeben. Wir müssen ihn nicht in all seinen Vorhaben unterstützen, aber wir müssen ihn dort unterstützen, wo wir positive Elemente erkennen in seiner Politik.
    Engels: Der ehemalige Abgeordnete im griechischen Parlament, Evangelos Antonaros. Er saß für die frühere Regierungspartei Nea Dimokratia im Parlament und wir sprachen mit ihm über die Politikmöglichkeiten für den neuen Ministerpräsidenten Tsipras. Vielen Dank für das Gespräch.
    Antonaros: Ich danke Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.