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Großer Auftrag, wenig Geld

Vor der Küste des Libanons kreuzt die Marine, die Luftwaffe fliegt über dem Hindukusch. Bei internationalen Einsätzen sind Know-how und moderne Technik der Bundeswehr gefragt. Doch in den heimischen Kasernen blättert mancherorts der Putz von den Wänden.

Von Verena Herb | 26.04.2007
    "So, Kameraden: Thema meiner Station war die Erstausbildung P8. Mein Ziel war es, dass Sie die Tätigkeiten gesehen haben und unter Anleitung einmal durchgeführt haben. Das Ziel sehe ich hierfür erreicht."

    Gebannt hören die zehn Rekruten den Anweisungen ihres Ausbilders zu. In grün-braun-schwarzen Tarnanzügen stehen sie in einer Reihe, der junge Mann mit dem Kurzhaarschnitt und dem roten Barett gibt Anweisung, was die zwei Frauen und acht Männer als Nächstes zu tun haben.

    "Jetzt werden Sie die Gruppe übernehmen, den Helm abziehen, die Feldmütze aufsetzen und dort eine fünfminütige Raucherpause machen. Wenn Sie aufgeraucht haben, Feldmütze wieder verpacken, Helm aufziehen, Gruppe übernehmen."

    Der Ton des Ausbilders ist bestimmt, die Anweisungen klar und deutlich. Schweißperlen rinnen den jungen Leuten das Gesicht hinunter. Unter dem großen Stahlhelm brennt die Hitze. Die Ausrüstung, die sie zu tragen haben, wirkt schwer. Gerade einmal zwei Wochen ist es her, dass die Wehrdienstleistenden die rot-weiße Schranke zur Einfahrt der General-Delius-Kaserne in Mayen passiert haben. Am 2. April haben die 54 Männer und 7 Frauen ihre Grundausbildung begonnen.

    Oberhalb des idyllischen Eifelstädtchens Mayen in der Nähe von Koblenz liegt das Zentrum für Operative Information der deutschen Bundeswehr. Die rund 500 Soldaten, die hier stationiert sind, haben eine zentrale Aufgabe: Sie sollen kommunizieren. Sie sind Redakteure, Kameraleute, Drucker oder Layouter. Seit dem Einsatz in Somalia 1993 ist die Operative Information bei jedem Einsatz der Bundeswehr im Ausland vertreten, im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina, und auch, als im Januar 2002 die ersten Bundeswehrflugzeuge im afghanischen Kabul landeten, waren Soldaten der OpInfo-Truppe dabei. Der Kommandeur des Zentrums für operative Information, Oberst Dietger Lather, erklärt:

    "Unsere Aufgabe ist es ja, in den Einsatzgebieten die dortige Bevölkerung von der Notwendigkeit unserer Einsätze überzeugen und überzeugen zu wollen, unsere Einsätze zu unterstützen."

    Heute sendet das Bundeswehr-Radio "Stimme der Freiheit" rund um die Uhr in den afghanischen Landessprachen. Eine Wochenzeitung der Bundeswehr informiert die Menschen in Kabul, und in Kundus werden sogar Fernsehspots der Bundeswehr ausgestrahlt. Oberleutnant Jörg Weindl, Kompaniechef der Grundausbildungseinheit in Mayen, ist erst vor drei Wochen aus Afghanistan zurückgekommen, sein erster Einsatz im Ausland. Drei Monate war er in Kabul. So lange dauert in aller Regel ein Auslandseinsatz der Bundeswehrsoldaten.

    "Ich hatte das Glück, muss ich sagen, dass ich mit meinem allerersten Auslandseinsatz diese Erfahrung machen durfte, weil ich jeden Tag mit der Bevölkerung sprechen konnte. Ich habe wahnsinnig viel über die Kultur gelernt. Ich habe viel gelernt, was wir als Soldaten leisten können und was wir als Soldaten nicht leisten können, was aber von uns erwartet wird. Es geht da weniger darum, was wir als einzelne Soldaten leisten können. Wir sind da unten, um für Sicherheit und Stabilität zu sorgen. Das Problem ist, dass die afghanische Bevölkerung in uns als Gäste eigentlich mehr Leistung erbracht haben will, weil wir als Soldaten im Grunde immer im Vordergrund stehen. Die sehen nur uns Soldaten, weil wir Präsenz zeigen, weil wir natürlich auch den Auftrag in unserer Präsenz haben."

    Die Präsenz im Ausland, beispielsweise in Afghanistan, ist nach Meinung der meisten Politiker unabdingbar geworden für die Bundeswehr. Festgeschrieben ist das alles im so genannten Transformationsprozess. Ex-Verteidigungsminister Peter Struck hatte 2003 die so genannte Transformation als umfassendes Prinzip zur Weiterentwicklung der Bundeswehr festgeschrieben. Eines der Ziele: Die Bundeswehr soll sich von einer Verteidigungsarmee hin zu einem global agieren Partner entwickeln. Bestes Beispiel, aktuell: die Entsendung so genannter Recce-Tornados nach Afghanistan. Sechs der deutschen Hightech-Aufklärungsflugzeuge sind am 5. April in Masar-i-Sharif gelandet und damit Teil der deutschen Beteiligung an der Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF in Afghanistan. Einige von ihnen haben bereits die ersten Einsätze im Süden des Landes hinter sich.

    Im Transformationskonzept ist die Rede davon, sich den Sicherheitsbedrohungen anzupassen, auf militärische Erfordernisse zu reagieren, zu integrieren und zu vernetzen, alles sehr abstrakt und akademisch. Und noch eines zeigt sich dabei: Geht es um die Transformation, bleibt vieles theoretisch. In der Praxis zeigt sich: Die Theorie ist hier noch längst nicht angekommen.

    "Wir müssen insgesamt mehr Soldaten verfügbar machen für die Einsätze. Das ist eigentlich auch das Ziel des Transformationsprozesses. Auf der materiellen Seite haben wir die größeren Probleme: Wir waren noch bis weit in dieses Jahrtausend hinein dafür gerüstet, Panzerschlachten in der norddeutschen Tiefebene zu führen. Und erst 2003 haben Peter Struck, der damalige Verteidigungsminister, und Wolfgang Schneiderhan, der damalige und jetzige Generalinspekteur, der Transformation einen neuen Schub gegeben und haben klar gemacht, wohin die Richtung eigentlich geht, nämlich dahin, dass die Einsätze zur Krisenbewältigung und zur Konfliktregulierung das strukturbestimmende Merkmal dieser Streitkräfte sein müssen. Und wenn sie die Struktur bestimmen, dann bestimmen sie natürlich auch Ausrüstung, Bewaffnung- und Kommunikationssysteme. Das war 2003, jetzt haben wir 2007. Wir sind also gerade eben erst auf dem Marsch."

    Oberst Bernhard Gertz, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes mit Sitz in Bonn, singt seit Jahren das immer selbe Lied. Und das klingt nicht gerade nach eitel Sonnenschein bei den Streitkräften.

    "Wir leben von der Hand in den Mund. Wir müssen nach jedem Auslandseinsatz damit beginnen, die Voraussetzung zu schaffen, um die Ausrüstung zu haben, die wir dort brauchen. Und das zeigt, wie begrenzt unsere Fähigkeiten und Möglichkeiten sind. Wie haben bei weitem immer noch nicht genügend geschützte Fahrzeuge, um uns in einem Land wie Afghanistan, wo wir ständig bedroht sind von Selbstmordanschlägen und Sprengstoffattentaten, wirklich gefahrfrei bewegen zu können. Wir sind noch Lichtjahre davon entfernt, den Ausrüstungsstand zu haben, den eine Armee, die den Anspruch erhebt, an Aufgaben der Konfliktregulierung erfolgreich mitzuwirken, eigentlich haben müsste."

    Als Kommandeur der Truppe für operative Information weiß Oberst Lather aus eigener Erfahrung, wie die Zustände vor Ort sind:

    "Da kann ich jetzt schlecht sagen, wir sind dafür gerüstet. Mental sind wir dafür gerüstet, ausrüstungsmäßig nicht. Da fehlt es noch an ein paar Dingen. An den geschützten Fahrzeugen, die nicht nur geschützt sind, so dass man damit unterwegs ist, sondern geschützt sind und doch klein sind. Unsere Aufgabe ist es, in der Bevölkerung zu kommunizieren. Und wenn ich mit einem sehr großen Fahrzeug dort ankomme, dann ist die Bereitschaft der Bevölkerung mit einem zu sprechen ein bisschen geringer. Also, ich bin der Überzeugung, dass wir insgesamt zu wenig Geld im Verteidigungshaushalt haben. Und ich kann zwar auf der einen Stelle etwas umschichten und auf der anderen Stelle hingehen. Aber das reißt nach meinem Kenntnisstand ein Loch in andere Bereiche hinein."

    Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Ulrike Merten von der SPD, ist ebenfalls eine Verfechterin des Transformationsprozesses. Dieser sei nicht nur unabdingbar, es müsse noch weitere Reformen bei der Bundeswehr geben.

    "Das sind natürlich Herausforderungen, das stimmt, die Auslandseinsätze, weil ja auch immer neue dazukommen. Die Auslandseinsätze fordern uns wirklich sehr. Und deswegen müssen die bereitgestellten Mittel wirklich sehr sorgfältig verteilt werden. Da muss man auch Schwerpunkte setzen. Und es kann überhaupt keine Frage sein, dass die Auslandseinsätze oberste Priorität haben. Das heißt, nicht nur die Infrastruktur für die Einsätze, sondern der Schutz der Soldaten steht ganz oben an. Das heißt aber auf der anderen Seite, dass durch diese Prioritätensetzung dann eben Dinge wie große Baumaßnahmen oder Instandsetzungsmaßnahmen auf einem längeren Zeitraum realisiert werden, als das wünschenswert ist."

    Damit meint Merten die Zustände im Inland: Baumaßnahmen und Instandsetzung. In vielen deutschen Kasernen herrschen katastrophale Zustände. Im jüngsten Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestages, Reinhold Robbe, ist von maroden Kasernen die Rede. Von Schimmelbefall in Kellern und Soldatenunterkünften, von vollkommen durchgelegenen billigen Schaumstoffunterlagen als Matratzen, kaputten Dächern und einsturzgefährdeten Decken. Solche Bilder boten sich Robbe nach eigenen Angaben auch beim Besuch einer Kaserne in Norddeutschland. In der General-Delius-Kaserne führt Oberleutnant Weindl durch eines der Gebäude, in denen die neuen Rekruten untergebracht sind.

    "Wir sind jetzt hier auf einer Sechs-Mann-Stube, eigentlich Standard-Maß und Standard-Ausrüstung. Das heißt: sechs Spinde, sechs Betten und ein Tisch. Der Bettenbau sieht eigentlich ganz gut aus. Ist nach wie vor derselbe, den es seit 20 Jahren gibt. Und leider sind das auch noch momentan die alten Betten. Wir kriegen eine neue Ausrüstung, die soll noch in diesem Quartal kommen."

    Die Stube der Rekruten erinnert an den Schlafraum einer Jugendherberge. Doch es ist karger: die Wände gelblich-weiß, keine Poster oder Bilder. In dem zirka 30 Quadratmeter großen Raum stehen an der linken Seite orange und blaue Stahlspinde. Die Farbe blättert ab. In der Mitte ein weißer Tisch, drei Stühle. Die Betten sind aus weißem Stahlrohr, auch hier hält sich die Farbe nicht mehr lange. Die Bettwäsche ist in eine braune Filzdecke eingeschlagen. Alles ist ordentlich gefaltet und sauber.

    Es geht weiter zu den Waschräumen, Duschen und Toiletten:

    "Das ist jetzt der Waschraum. Sie sehen, der ist relativ neu. Das Gebäude selbst wurde vor zwei Jahren grundsaniert. Wir haben immer noch Handwerker hier. Aber die Waschräume, man sieht es hier, haben einen anderen Standard als die meisten Jugendherbergen."

    Der Waschraum ist weiß gefliest, moderne Waschbecken, verchromte Hähne. Auch bei den Toiletten ist alles in Ordnung, keine Spur von bröckelndem Putz, schimmeligen Wänden oder haltlosen Decken. Das gilt jedoch nicht für alle Stellen im Gebäude.

    "Erst letzte Woche war der Truppenarzt da und hat wegen leichtem Schimmelbefall zwei Stuben gesperrt. So ehrlich muss man sein, und dann zu sagen, okay, der Block hat Baumängel, und die werden jetzt Stück für Stück abgestellt. Das ist ein Mangel, den wir schon seit zwei Jahren einklagen."

    Etwa 6000 Beschwerden, so genannte Eingaben, erhält der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe in jedem Jahr. Und in jedem Jahr ist der Aufruhr groß, wenn Robbe seinen Bericht über die Zustände bei der Bundeswehr veröffentlicht: An allen Ecken und Enden fehle es an Personal, heißt es da, besonders im Sanitätsbereich. Zudem sei die Ausrüstung schlecht und die Bundeswehr chronisch unterfinanziert. Der Verteidigungshaushalt müsse aufgestockt werden. Der Bundeswehrverband fordert mindestens eine Milliarde Euro als Sofortmaßnahme, um wenigstens die wichtigsten Lücken zu schließen. Doch wenn der Verteidigungshaushalt aufgestockt werden soll, wie kann dies einer kritischen Öffentlichkeit vermittelt werden? In einer Zeit, in der das Geld nach Meinung vieler Bundesbürger an anderer Stelle noch viel nötiger sei?

    Nach den Worten von Bundespräsident Horst Köhler sind die Einsätze der Bundeswehr nicht genügend in der gesellschaftlichen Debatte verankert. Der Deutsche Bundestag habe mehr als 40-mal dem Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland zugestimmt, aber die Bevölkerung selbst sei von all dem kaum berührt oder gar beeindruckt, so Köhler. Dazu Ulrike Merten:

    "Das ist eine schwierige Frage, die ich mir auch immer wieder stelle: Ob es ein Versäumnis ist, oder ob es möglicherweise bislang eine Diskussion war, die zwar breit geführt wurde, aber die sich doch eher in Fachkreisen abspielte, ohne dass die Bevölkerung hinreichend davon Kenntnis genommen hat. Das, was der Bundespräsident vielleicht mit freundlichem Desinteresse im Hinblick auf die Streitkräfte skizziert hat, gilt vielleicht auch für deren Auftrag und deren Aufgaben. Und insofern ist das sicherlich eine Herausforderung, auch eine Aufgabe, an der noch gearbeitet werden muss, diese Debatte in die Bevölkerung, in die Mitte der Gesellschaft hineinzutragen."

    Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Gertz, weiß aus seiner täglichen Arbeit, wie es dazu kommt, dass sich die Soldaten von der Gesellschaft im Stich gelassen fühlen:

    "Weil sie immer häufiger erleben, dass die Gesellschaft die Auslandseinsätze nicht mehr mitträgt. Wir hatten bei der letzten Entscheidung über die Entsendung der Aufklärungstornados nach Afghanistan zwar eine Mehrheit im Parlament, aber wir hatten in Meinungsumfragen eine Gegnerschaft von nahezu 70 Prozent der Bevölkerung, die diesen Einsatz nicht mehr mittragen wollte. Wir hatten auch schon beim Kongo-Einsatz ein sehr, sehr gemischtes Bild in der Bevölkerung mit überwiegender Ablehnung. Das muss zu einer Entfremdung zwischen Streitkräften und Gesellschaft im Ergebnis führen. Das wäre fatal. Wir sind vor dem Hintergrund unserer ganz spezifischen jüngeren deutschen Geschichte auf eine wirklich funktionierende Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft angewiesen."

    Doch die Akzeptanz der Bundeswehr in der Gesellschaft wird noch einmal erschwert in diesen Tagen: Die Debatte wird derzeit dominiert durch das von einem Soldaten selbst gedrehten Video. Darin fordert ein Ausbilder einen Rekruten auf, er möge sich bei einer Schießübung einen Afroamerikaner in der Bronx vorstellen und dabei "Motherfucker" rufen. Der Vorfall ereignete sich bereits im Juli 2006 in einer Kaserne im schleswig-holsteinischen Rendsburg. Vergangenen Dienstag musste der Ausbilder aus die Bundeswehr verlassen. "Motherfucker"-Videos, Soldaten, die sich im Ausland voller Stolz mit Totenschädeln präsentieren, Geiselnahmen und Folterhandlungen in Coesfeld, ein Einzelfall nach dem anderen, wie die Bundeswehr das immer wieder öffentlich bewertet?

    Helmuth Prieß, Oberstleutnant a. D. und Sprecher des Arbeitskreises Darmstädter Signal, einem Verbund kritischer ehemaliger und aktiver Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr, sieht das ganz anders:

    "Ich denke, dass die Ausbildung und die Sensibilisierung in den Bereichen sozialer Kompetenz, interkultureller Kompetenz völlig unterentwickelt ist und dass das das große Manko der Soldaten ist. Das Führungspersonal hat wohl aufgrund zahlreicher Erfahrungen, die die haben machen können, eine relativ gute Qualifikation, aber die mittlere und untere Ebene eine schlechte. Und das führt dann später zu irgendwelchen üblen Bildern mit Totenschädeln und rausgehaltenem Geschlechtsteil bis hin zu den Vorkommnissen in Coesfeld, wo sich falsche Bilder festsetzen, und wo Leute offensichtlich zeigen, dass die ganzen Rahmenbedingungen und Soldat sein obendrein zu Oberflächlichkeit, gelegentlich auch zu Verrohung führen können. Das ist ein Strukturproblem, kein Einzelfall."

    Es sind die Negativbeispiele, die sich in den Köpfen festsetzen. Rassistische Äußerungen wie der Vorfall in Rendsburg führen zu immer größerer Empörung in der Gesellschaft, zu Frust in der Truppe und zu völligem Unverständnis vor allem im Ausland, wie jetzt in den USA nach dem Video aus Rendsburg. Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärt weiterhin: Auch wenn es schon wieder einen Vorfall bei der Ausbildung von Rekruten in der Bundeswehr gegeben habe, dürfe dies nicht verallgemeinert werden. Dies seien Einzelfälle, die strafrechtlich verfolgt werden müssten. Politiker und Fachleute sind sich einig: Auf der einen Seite stehen die Ausfälle wie die in Coesfeld, die Bilder mit Totenkopfschädeln oder Rendsburg. Auf der anderen Seite ist das internationale Ansehen der Bundeswehr immer noch überdurchschnittlich hoch, weiß Oberleutnant Weindl aus eigener Erfahrung zu berichten.

    "Wenn wir als ISAF-Soldaten, speziell als Deutsche aussteigen, die sehen uns, die kennen uns ja mittlerweile auch. Die erkennen unsere Uniformen. Die erkennen auch, wer wir sind. Sieht man uns ja auch an, logisch. Aber die gehen dermaßen positiv auf uns zu. Wir haben oftmals Schwierigkeiten, die Menschenmassen von unseren Fahrzeugen abzuhalten, weil die in erster Linie unserer Produkte wollen. Aber viele kommen auf uns zu, Du hast noch nicht richtig die Tür aufgemacht, dann spricht dich jemand auf Deutsch an. Es ist einfach die Präsenz in der Fläche, die Offenheit der Bevölkerung. Das ist eigentlich das, was wir erreichen wollen, weil wir dadurch natürlich eine sehr positive Stimmung hervorrufen. Da bin ich glücklich, Kommandeur hier von der Operativen Information zu sein. Weil unsere Aufgabe ist es ja, dass wir in den Einsatzgebieten die dortige Bevölkerung von der Notwendigkeit unserer Einsätze überzeugen. Das kann ich nur machen, wenn ich tatsächlich Bürgerrechte, Menschenrechte, internationale Rechte auch achte. Die Soldaten, die bei uns arbeiten, sind alle im Mediengeschäft tätig. Also müssen sie mit einer großen Empathie ausgestattet sein, damit sie in den Kulturen, in denen wir tätig sind, sei es in Afghanistan, sei es im Kosovo oder im Kongo letztes Jahr, auch im Libanon, damit sie dort verstehen, was gesagt werden muss, damit es dort verstanden wird. Das ist ja nicht einfach, das einer fremden Kultur zu vermitteln. Das kann man nur, wenn man ein wirkliches Fundament in der eigenen Kultur hat. Und da bin ich beim Leitbild 'Staatsbürger in Uniform', das funktioniert überhaupt nur, wenn dieses Leitbild auch gelebt wird und man sich der eigenen Werte bewusst ist."

    16.30 Uhr in der General-Delius Kaserne in Mayen: Es ist Zeit fürs Abendessen. Die Rekruten treffen sich in der Kantine. In einer langen Schlange stehen sie an: Es gibt Brot, Aufschnitt und Käse, verschiedene Salate, als Getränke Saft, Mineralwasser oder Milch. Nach 16 Tagen in der Kaserne haben sie sich an das Essen gewöhnt. An weißen Tischen und Chromstühlen nehmen die jungen Kameraden die Mahlzeit ein, bevor es auf die Stube geht. Von einem Auslandseinsatz sind sie noch weit entfernt. Die Anzahl der Bundeswehrsoldaten hat sich in den vergangenen Jahren von fast 500.000 auf die Hälfte reduziert. Von den noch verbliebenen 250.000 sind 190.000 Zeit- und Berufssoldaten, der Rest Wehrdienstleistende. Oberst Gertz vom Bundeswehrverband:

    "Heute haben wir leider nur noch einen relativ kleinen Anteil von Grundwehrdienstleistenden. Also insgesamt kann man sagen, wenn es hochkommt, haben wir etwa 65.000 im Dienst. Das ist eine sehr kleine Bandbreite, gemessen an 130.000, die wir noch bis 1998 im Dienst hatten."

    Melina Heck ist 21. Sie ist eine der sieben Frauen, die ihre Grundausbildung in Mayen absolvieren unter all den diffizilen Vorzeichen und Umständen, mit denen die Bundeswehr im Jahr 2007 leben muss.

    "Ich habe mit einer Menge gerechnet, weil ich halt einen großen Freundeskreis habe, der auch bei der Bundeswehr ist. Der hat mir natürlich die Horrorszenarien erzählt, und was einen da erwartet. Bis jetzt bin ich aber positiv überrascht von den Ausbildern, von der Kaserne überhaupt, vom dem Umgang her. Und kann eigentlich nur Positives berichten. Es gibt erstmal viele Fortbildungsmöglichkeiten, Möglichkeiten, auch im Ausland Hilfe zu leisten und dadurch auch sozial abgesichert zu sein und einen kleinen Teil für den Weltfrieden dazuzutun."
    Ein Tornado-Jet des Aufklärungsgeschwaders 51 "Immelmann" befindet sich im Landeanflug auf den Luftwaffenstuetzpunkt Jagel bei Schleswig.
    Ein Tornado-Jet des Aufklärungsgeschwaders 51 "Immelmann" befindet sich im Landeanflug auf den Luftwaffenstützpunkt Jagel bei Schleswig. (AP)
    Oberst Bernhard Gertz, Vorsitzender Deutscher BundeswehrVerband e.V.
    Oberst Bernhard Gertz, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes. (Deutschlandradio / Bettina Straub)