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Grubers "Gloria - A Pig Tale"
Multimediales Schweine-Spektakel in New York

H.K. Grubers in den 90er-Jahren entstandene Oper "Gloria - a Pig Tale" ist eine subversive Mischung aus Märchen, Satire und Singspiel. In New York inszeniert Regisseur Doug Fitch sie nun mit Musikern der renommierten Juillard School und schafft dabei eine Metamorphose der Stilrichtungen.

Von Simone Hamm | 03.06.2014
    Eine Schweinfigur steht vor der amerikanischen Flagge.
    Bei der Oper von H.K.Gruber steht ein Schwein im Mittelpunkt. (Deutschlandradio / Marin Trutter)
    Ein Schwein steht auf der Bühne, abseits von anderen Schweinen. Gloria hat langes, lockiges Haar und ist überhaupt wunderschön und wird deshalb von den anderen Schweinen beneidet und gemieden. Wohlgefällig betrachtet sie ihr Spiegelbild in einem kleinen Teich. Neben ihr, zwischen Misthaufen, Grasnarben und dem Teich, steht der Dirigent Alan Gilbert von den New Yorker Philharmonikern und sitzen die Musiker. Im Konzertsaal des Metropolitan Museums führen sie die Oper "Gloria" auf.
    "Sobald ich die ersten Klänge der Ouvertüre gehört habe, die Trompeten und Tröten, die wie eine Mischung aus Bugs Bunny und Kurt Weill klingen, da wusste ich, das würde ein gutes Stück sein.
    So erinnert sich Regisseur Doug Fitch an seine erste Begegnung mit "Gloria". H.K. Grubers in den neunziger Jahren entstandene Oper ist ein Multimediaspektakel, eine subversive Mischung aus Märchen, Satire und Singspiel. Kühn mischt Gruber die verschiedensten Musiken: Jazz, Kabarettsongs, Musik, die im Zirkuszelt zu hören ist und solche, die an Strawinsky und Weill erinnert. Er ahmt klare, reine Barockoratorien nach und mischt das mit schmutziger Popmusik. Statt einer Streichergruppe gibt es nur eine einzige Geige, die häufig Zwiesprache hält mit einer Tuba. Es gibt eine Harfe, die von einer Posaune begleitet wird. Und eine riesige Ansammlung von Schlaginstrumenten. Die beiden Schlagwerker laufen hin und her zwischen Xylofonen, Glockenspielen, Marimbas, Trommeln, Wind-, und Donnermaschinen. Große Spielfreude auf hohem Niveau.
    Die fabelhaften 13 Musiker des Axiom Ensembles der Juillard School, meist Blech – und Holzbläser - unterstützen die fünf Sänger bei ihrem anarchischen Singspiel. Die Sopranistin Lauren Snouffer ist die gutherzige, eitle Gloria, ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Schweine. Sie träumt davon, dass ein Prinz sie aus dem Schweinekoben erlösen wird. Und dann macht sie den Fehler so vieler großer Operngestalten, so vieler Frauen aus der Weltliteratur: Sie verliebt sich in den falschen. Diesen gut aussehenden Farmer stellt Alexander Lewis dar. Zwar trägt er ein T-Shirt, auf dem in Glitzerbuchstaben Prinz steht, doch er ist nicht auf der Suche nach einer Prinzessin, sondern auf der Suche nach Fleisch für seine Weihnachtswürste.
    "Was diese Oper unterscheidet etwas von 'La Boheme': sie kann klingen, wie Kabarettmusik, wie eine musikalische Komödie. Gloria ist eine Farce, eine Art Märchenkomödie. 'Gloria' macht sich über das ganze Genre lustig.
    Kommentiert wird Glorias Geschichte von einem der Schweine. Die Mezzosopranistin Brenda Patterson, von der Hamburgischen Staatsoper an die MET gekommen, bringt Ruhe in das aufgebrachte Geschehen auf der Bühne - schauspielerisch und gesanglich.
    Das Design und die Kostüme hat Regisseur Doug Fitch entworfen, einfache Kostüme, die Schweine tragen Masken mit ausgeschnittenen Gesichtern, von denen die Nase absteht, der Bass Kevin Burdette hat einen Eberkopf mit riesigen Hauern vor den Bauch gebunden, die singenden Würste sind rot und riesig. Aber weit gefehlt, wenn jemand das für eine Karnevalsveranstaltung oder eine Kinderoper hält. Musik und Libretto sind voller kluger, ironischer Anspielungen. Da krächzen die Bläser, wenn sie an die Musik der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts erinnern, da klingen die Texte wie Dadapoeme. Betont ruhig fließen die Farben auf den Projektionen im Hintergrund. Es ist genug Spektakel auf der Bühne.
    Denn schon naht der Eber Rodrigo, eher ein grotesker Held denn ein strahlender Sieger. Und so singt ihn Kevin Burdette auch: stark, volltönend und immer ein bisschen überzogen. Gloria, ganz Weibchen, will ihn nicht erhören und erst im allerletzten Moment, als der Metzger schon sein Messer zückt, lässt sie sich von ihm retten.
    H.K. Gruber und Librettist Rudolf Herfurtner, dessen Text in New York in einer englischen Übersetzung mit vielen deutschen Nonsensewörtern gesungen wird, haben die Oper natürlich nicht so enden lassen. Der tragikomische Held Rodrigo zieht drei Jahre später mit drei kleinen Schweinen über die Bühne und singt immer wieder: "trapped for life" – lebenslang gefangen.