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Gute Gene, schlechte Gene

Medizin.- Unser Erbgut steckt voller Informationen. Nicht nur Erbkrankheiten wie Mukoviszidose oder Muskeldystrophie lassen sich dort ablesen, sondern auch Risikofaktoren für allerlei Volkskrankheiten. Wer sein Genom untersuchen lässt, erfährt mehr über seine persönliche Zukunft. So lautet zumindest die Theorie.

Von Michal Lange | 08.02.2010
    Die vollständige Entzifferung eines persönlichen Genoms wird bald nur noch 1000 Dollar oder 1000 Euro kosten. Das bedeutet: Viele Menschen könnte schon bald ihre vollständige persönliche Erbinformation erhalten. Der Nutzwert dieser Information ist allerdings umstritten. Denn Wissen heißt längst noch nicht Verstehen, so Norbert Paul vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Universität Mainz.

    "Das Genom ist längst nicht mehr als statische Einheit zu betrachten, sondern wir wissen, dass das Genom dynamisch ist, sich anpasst. Und je mehr wir darüber wissen, desto mehr verschwimmt diese Kausalität, die strenge Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Wir verstehen das menschliche Leben besser in seiner Komplexität, aber das bedeutet noch nicht, dass genetische Information den Umgang mit Gesundheitsproblemen handhaber macht."

    Viele Informationen, die heute zur Verfügung stehen, sind sinnlos oder zumindest schwer interpretierbar. Besonders umstritten sind sogenannte Genprofile. Sie werden von Privatfirmen für einige Hundert Euro im Internet angeboten. Sie sollen unter anderem über mögliche Krankheitsrisiken informieren. Aber ein Gen, das zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit für Diabetets erhöht, bedeutet eben nicht, dass tatsächlich Diabetes entsteht. Es wirkt auf komplexe Weise mit anderen Genen und Umweltfaktoren zusammen. Diese und ähnliche genetische Informationen verwirren eher, als das sie helfen gesund zu bleiben. Dazu Hans-Hilger Ropers vom Max-Planck-Institut für Molekulargenetik in Berlin.

    "Das sind alles diese komplexen genetischen Krankheiten. Da ist ein bisschen Genetik dabei, viel Umwelt und vieles, was wir nicht wissen. Dafür einen Test anzubieten, und das machen zum großen Teil diese Firmen, das halte ich für kriminell. Das ist Geldschneiderei, und sollte man nicht drauf hereinfallen."

    Man solle sich auf Tests konzentrieren, die klare Aussagen ermöglichen, forderten viele Redner auf dem Gendiagnostik-Symposium in Bonn. John Burn vom Institut für Humangenetik der Universität Newcastle, zählt dazu auch die Krebs-Diagnostik.

    "Wir werden sehr schnell die Spreu vom Weizen trennen können, indem wir das, was wertvoll ist, von all den unnützen Informationen im Erbgut trennen. Das macht die genetische Beratung einfacher. Denn wir können sicher sein, dass das, was wir entdecken, wichtig ist."
    Ein anderes Beispiel für die gezielte Suche im Erbgut ist der Nachweis von Genen, die zur Entstehung von erblich bedingten Krankheiten führen. Hans-Hilger Ropers stellte in Bonn ein Verfahren vor, das untersucht, ob potentielle Eltern Überträger bestimmter Erbkrankheiten sind. Genau das würden Paare in der genetischen Beratung immer wieder verlangen, so Ropers.

    "Die Frage lautet: Ich möchte mich jetzt verloben oder verheiraten, könnten Sie mich mal eben genetisch untersuchen. Bisher musste man immer sagen: Ja, aber dem liegt ein großes Missverständnis zu Grunde. Man kann immer nur bestimmte Risiken ausschließen. Alles andere ist kostenmäßig gar nicht zu erfassen. Und außerdem wissen wir ja gar nichts. Jetzt haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit, alle Krankheiten, die wir kennen in einem Test, der noch entwickelt werden muss, auszuschließen."

    In den USA hat die Entwicklung solcher Mehrfach-Tests bereits begonnen. Auch am Max-Planck-Institut für Molekulargenetik in Berlin stehen die Methoden bereit, um 2500 Krankheitsgene gleichzeitig zu erfassen. Der Wunsch nach gesundem Nachwuchs wird diese Entwicklung vorantreiben. Die Diskussion darüber hat gerade erst begonnen.