Dienstag, 19. März 2024

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Hausbelagerung in Hitzacker
Polithappening oder Tabubruch?

Im niedersächsischen Hitzacker ist es nach einer Demonstration zu Ausschreitungen zwischen linken Protestlern und der Polizei gekommen. Allerdings gehen die Schilderungen der beteiligten Parteien zu den Geschehnissen weit auseinander: Während die Demonstraten von einem friedlichen Protestkonzert sprechen, betrachtet die Polizei die Aktion als Belagerung.

Alexander Budde im Gespräch mit Peter Sawicki | 23.05.2018
    Pfeilwegweiser zu den Orten Hitzacker, Grabau, Nienwedel, Penkefitz und Wusselgel
    Die Aussagen über die Vorfälle in Hitzacker gehen weit auseinander. (imago stock&people)
    Nur etwa 5.000 Einwohner hat Hitzacker im nordöstlichen Niedersachsen, trotzdem macht der Ort derzeit bundesweit Schlagzeilen. Bei einer linken Demonstration haben dutzende Demonstranten - so der Vorwurf - das Haus eines Polizisten belagert. Gegen 50 Personen wird nun in diesem Zusammenhang ermittelt. Die Politik verurteilt die Geschehnisse einhellig, die Demonstranten selbst werfen der Polizei wiederum übermäßige Gewalt im Zuge der Demonstration vor.
    Landeskorrespondent Alexander Budde sagte im Dlf: "Gewisse Fakten lassen sich unstrittig rekonstruieren." Er berichtet, einige der Beteiligten "haben das Grundstück des Beamten betreten und dort am Carport drei Fahnen mit dem Logo der kurdischen YPG angetackert." Die YPG gilt als Unterorganisation der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei PKK.
    Von da aus gingen die Schilderungen dieses Ereignisses weit auseinander. "Die Polizei und ihre Gewerkschaft sprechen jedenfalls von einer Belagerung dieses Hauses, die zu Einschüchterung dieses Beamten und seiner Familie diente und von einem noch nie dagewesenen Tabubruch."
    Mit Banjo und Quetschkommode
    Die Demonstranten selbst sprechen von einem kurzen und friedlichen Protestkonzert, das sich nach Anbringen der Flaggen auf dem öffentlichen Grund vor dem Haus abgespielt haben soll. "Tatsächlich gibt es auch ein Video, das zeigt sie singend und tanzend vor dem Grundstück, mit Banjo und Quetschkommode. Ein Partisanenlied wurde geschmettert", so Budde.
    Die Ereignisse in Hitzacker sollen jedoch eine Vorgeschichte haben. Diese spielte sich im Februar im nahegelegenen Meuchefitz an einem Treffpunkt der linken Szene ab. Dort soll ein Bettlaken mit YPG-Logo und Solidaritätslogan von einem Balkon gehangen haben. "Und das soll Anlass gewesen sein für eine massive Polizeibeschlagnahmungsaktion, ausgelöst - so behaupten die Protestler - durch diesen jetzt in Rede stehenden, angeblich übermotivierten Staatsschutzbeamten."
    Ein Aktivist erklärte die Motive hinter der Aktion, als Polithappening. Sie wollten den "militaristischen Aufmarsch" der Beschlagnahmungen konterkarieren: "Da haben wir gesagt, da machen wir uns einen Spaß draus und gehen jetzt zu dem verantwortlichen Staatsschützer und überreichen ihm ganz offiziell diese Wimpel der YPG, die ihm so lieb sind."
    Daraufhin sollen hinzugerufene Polizeikräfte die bereits im Abmarsch befindliche Gruppe zu Boden gezwungen, mit Schritten und Schlägen traktiert und über stunden festgehalten haben. Welche Schilderungen zutreffen - das müssen am Ende die strafrechtlichen Ermittlungen zeigen, so Budde.