Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Hindernislauf "Getting Tough"
"Inneren Schweinehund überwinden, egal wie fit man ist"

In militärischer Manier geht es bei Extrem-Hindernisläufen durch Schlammgräben, über Steilwände und Hangelpartien. Mancher kennt sie nur als Matschrennen, doch aus einem Trend ist längst eine richtige Sportart entwachsen.

Von Lukas Scheid | 10.12.2017
    Getting Tough - Rudolstadt 02.12.17 , Rudolstadt, Getting Tough The Race, der härteste und grösste Hindernislauf Europas mit über 3000 Teilnehmern, über 150 Hindernisse sind auf der 24 km langen Strecke aufgebaut.
    Start des Hindernislaufs "Getting Tough" (imago stock&people)
    "Niederlage und Aufgabe existieren für uns nicht, wir verstehen diese Begriffe nicht, wir verstehen nur eins: Kämpfen, Kämpfen, Kämpfen und immer weiter. Niemals aufgeben. Who am I? I'm a Champion!"
    Nein, wir befinden uns weder in einem Film, noch in einem Computerspiel. Wir sind in Rudolstadt, im Herzen von Thüringen, bei "Getting Tough", einem der härtesten Extrem-Hindernisläufe Europas. Schon die Ansprache kurz vor Beginn des Wettkampfes hat es in sich und lässt erahnen, was auf die Teilnehmenden wartet.
    "Ja, es kann sein, dass dieser Lauf mich zerbricht. Ja, es kann sein, dass ich auf allen Vieren ins Ziel komme. Aber wenn ich nach Hause komme, kann ich eins sagen: Ich hab alles gegeben!"
    Hindernislauf "Getting Tough"
    Hindernisläufer beim "Getting Tough"-Lauf (Deutschlandradio / Lukas Scheid)
    Alles geben auf der 24 Kilometer langen Strecke – so lautet das Credo der Veranstaltung. Eine der Schwierigkeiten: die winterliche Kälte. Bei eisigen Temperaturen müssen die Sportlerinnen und Sportler mehr als 150 Hindernisse überwinden, die ihnen laut Veranstalter Markus Ertelt alles abverlangen.
    "Sie müssen sehr viel klettern, an Seilen hoch klettern. Sie müssen auf die Knie gehen und unter Seilen durch robben, das bringt dich aus dem Laufrhythmus raus. Dann haben wir das öffentliche Freibad aus Rudolstadt mit eingebaut. Da haben die unter sieben Baumstämmen durchtauchen. Nach dem Becken kommt das zweite Becken, da haben wir ein großes Hangelhindernis drübergebaut. Wenn du Pech hast, fliegst du ins Wasser, musst ein paar Züge schwimmen und dann wieder raus. Dann haben wir Pyramiden, Steine muss man tragen, Sandsäcke muss man tragen. Du hast alles drin, was man sich vorstellen kann."
    Und dafür kommen mehr als 3000 Teilnehmende nach Rudolstadt. Eine von ihnen ist Stefi Bergmann aus Wuppertal. Sie läuft zum dritten Mal bei "Getting Tough" mit und lebt diesen Sport. Jedes Wochenende geht sie bei einem anderen Lauf an den Start und auch ihr Jahresurlaub ist geprägt von Wettkämpfen. Erst kürzlich war sie bei der WM in Kanada und in wenigen Wochen fliegt sie in die Flitterwochen nach Hawaii – und auch dort wird sie gemeinsam mit ihrem Mann an einem Hindernislauf teilnehmen. Das Besondere für Stefi beim "Getting Tough":
    "dass man seinen inneren Schweinehund, egal wie fit man ist, überwinden muss, weil man einfach mitten im Dezember Schwimmen muss und tauchen muss."
    Ihr Ziel an diesem Tag: In unter vier Stunden ins Ziel kommen. Darauf hat sie sich vorbereitet, ist schon bei Trainingsläufen in Wassertümpel und Bäche gestiegen und hat Gewichte geschleppt. Kurz vor dem Startschuss kommt dann aber doch die Anspannung durch.
    "Ich glaube man ist einfach vor so einem Start immer mega nervös, weil man weiß was kommt – zumindest wenn man das schon mal gemacht hat. Und ja, so ist der Morgen dann auch. Man ist halt nervös!"
    Und so beginnt der Countdown! "Five, four, three, two, one...Peng...Und das war er, der offizielle Start."
    Begleitet von Sirenen, Feuerwerk und über dem Starterfeld kreisenden Flugzeugen geht es los. Gleich zu Beginn müssen die Teilnehmenden durch Netze krabbeln, die unter Strom stehen, einen Wassergraben und einen Erdhügel überwinden. Dann: 18 Kilometer Laufen bis sie das Freibad erreichen. An einem Metallgerüst hangeln sie über das Schwimmbecken. Sie zittern, sie leiden und sie fallen reihenweise ins fünf Grad kalte Wasser.
    Nur wer es bis auf die andere Seite schafft hat allen Grund zum Jubeln.
    Der Hindernislaufsport in Deutschland kennt keine Profis. Es gibt keinen Verband, stattdessen viele einzelne Rennserien mit unterschiedlichen Wettkampfmodi. Preisgelder fallen, wenn es sie überhaupt gibt, sehr gering aus und nur die absoluten Top-Athletinnen und -Athleten können auf die Unterstützung von Sponsoren hoffen. Veranstalter und Hindernislauf-Weltmeister Markus Ertelt ist überzeugt, die Teilnehmer beim "Getting Tough" treibt etwas ganz anderes an:
    "Das ist der Teamspirit. Das heißt, hier starten 90 Prozent, denen kommt es überhaupt nicht auf die Zeit an. Denen ist wirklich schnuppe, wann sie hier rein laufen. Hauptsache sie schaffen es und das in dieser Gemeinschaft. Es gibt viele Hindernisse, die würden die meisten gar nicht packen. Das muss man ehrlich sagen. Aber dann kommst du da an und dann wird jemand da sein, der dir hilft. Und genau das macht es aus, denke ich."
    Hindernislauf "Getting Tough"
    Eine Teilnehmerin des "Getting Tough"-Hindernislauf hangelt sich an einem Hindernis entlang. (Deutschlandradio / Lukas Scheid)
    Kurz vor dem Ziel wartet der sogenannte "Walk of Fame". Ein drei Kilometer langer Parkour, in dem ein Hindernis auf das nächste folgt. Ohnehin schon durchgefroren, waten Sportlerinnen und Sportler erneut durch Wasser, klettern über Traktorreifen und steigen über Betonwände . Doch dann ist es endlich in Sicht.
    "Im Ziel, ja man!"
    Auch Stefi Bergmann aus Wuppertal hat es geschafft, sie gehört zu den zwei Dritteln, die das Ziel am Ende erreicht haben. Die Vier-Stunden-Marke konnte sie knacken. Kurz nach ihrem Zieleinlauf zittert sie noch immer.
    "Mir ist immer noch ziemlich kalt, ich freue mich auf die Sauna, aber ich bin froh, mein Ziel erreicht zu haben. Mal gucken, ob ich mir das nächstes Jahr noch mal antue, aber eigentlich ist es immer ein schöner Fight gegen sich selbst."
    Im kommenden März beginnt die Hindernislauf-Saison 2018.
    Den vollständigen Beitrag können Sie mindestens sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.