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Illegal zur Arbeit

Bis zu 400.000 illegale Einwanderer leben nach Schätzungen in Frankreich, viele von ihnen arbeiten in schlechtbezahlten Jobs. Die Baubranche und das Gastgewerbe sind dringend auf diese Arbeiter angewiesen. Doch seit die französische Regierung vor einem Jahr die Gesetze gegen illegale Arbeiter verschärft hat, fürchten viele kleinere und mittlere Betriebe um ihr Geschäft. Bettina Kaps berichtet.

26.05.2008
    "Chez Ttoro" ist ein baskisches Restaurant in der vornehmen Pariser Vorstadt Saint-Maurice. Neuerdings empfängt der Chef jeden Gast persönlich, weist den Tisch zu, nimmt Bestellungen auf und schaut im Saal mit seinen 80 Gedecken nach dem Rechten, bevor er wieder in die Küche eilt. Vor der Schwingtür hält Jean-Charles Diehl inne, und sein joviales Gesicht mit dem buschigen weißen Schnauzer wirkt auf einmal bitter.
    "Ich bin ein Mann mit Herz und ein leidenschaftlicher Koch. Aber jetzt bin ich wahnsinnig wütend!"
    Dann geht er zum Herd und schmeckt die Bouillabaisse ab. Früher, da hatte Diehl ein eingespieltes Team. Fünf Angestellte gingen ihm seit vielen Jahren zu Hand, drei stammten aus Mali. Alle hat er gemeldet, gab ihnen unbefristete Arbeitsverträge und ein ordentliches Gehalt: Diehl zahlt seinen Leuten bis zu 1.800 Euro brutto im Monat.

    Doch bei einer Polizeikontrolle stellte sich heraus, dass die Afrikaner keine gültigen Aufenthaltspapiere besaßen. Bei der Einstellung hatten sie gefälschte Papiere vorgelegt und die Überprüfung ist erst seit letztem Juli Pflicht. Diehl verbrachte eine Nacht in Polizeiwache, wurde angeklagt, musste Strafe zahlen und die Malier fristlos entlassen.
    "Mein bester Mitarbeiter war Demba Dramé. Vor fünf Jahren hat er bei mir als Küchenjunge angefangen. Ich habe ihn zum Koch ausgebildet. Wir haben eine gehobene Küche, immerhin wurde ich schon von Wolfram Siebeck gelobt. Demba hat beim Kochen dasselbe Gespür wie ich, für mich ist er unersetzlich."
    Diehl hofft nun, dass er von einer neuen Regierungsverordnung profitieren kann, die es Unternehmern ermöglicht, in ausgewählten Branchen mit Arbeitskräftemangel auch bisher illegale Ausländer einzustellen. Die Bedingungen sind allerdings außerordentlich strikt.
    "Am 4. Dezember bin ich zur Präfektur gegangen und habe für meine drei Malier jeweils eine Arbeitserlaubnis beantragt. Seither warte ich, dass man mir endlich eine Antwort geben möge."
    Für jede Arbeitserlaubnis, die erteilt wird, muss Diehl 1.600 Euro bezahlen - aber das sind ihm seine Leute wert. In der Zwischenzeit hat er zwei neue Mitarbeiter befristet eingestellt, diesmal mit gültigen Papieren: eine junge Frau von den Kapverden und einen Mann aus Mauretanien. Franzosen haben sich bei ihm nicht beworben.
    Vannick Kurkdjian ist Chef einer Reinigungsfirma mit 130 Beschäftigten. Auch in seinem Betrieb arbeiten fast ausschließlich Ausländer. Bei der Einstellung prüft er die Papiere, danach nicht mehr. Zu Jahresbeginn geriet ein senegalesischer Angestellter in eine Ausweiskontrolle - seine Aufenthaltsgenehmigung war seit drei Jahren abgelaufen. Der Chef musste ihn fristlos entlassen - eine, wie er sagt, zutiefst ungerechte und auch wirtschaftlich unsinnige Maßnahme. Auch Kurkdjian will seinen Mitarbeiter behalten und ging zur Präfektur.
    "Dort sagte man mir: Eine Legalisierung ist ausgeschlossen, denn angeblich herrscht im Bereich Gebäudereinigung in meinem Departement kein Arbeitskräftemangel. Außerdem habe man auf der Präfektur die Vorschrift erhalten, sofort die Polizei anzurufen, wenn sich Ausländer ohne gültige Papiere zeigten, damit die Person unverzüglich abgeschoben werde."
    Inzwischen hat sich Kurkdjian mit 40 weiteren Unternehmern zu einem Lobbyverein zusammengeschlossen, der die Regierung von ihrer unnachgiebigen Haltung abbringen will.
    "Wir verlangen nicht viel. Wir fordern nur, dass jene Angestellte eine Arbeitserlaubnis erhalten können, die bereits vor der verschärften Gesetzgebung vom Juli 2007 einen Arbeitsvertrag besaßen und ihre Einkommenssteuererklärung vorweisen können."
    Den Unternehmern ist es bisher nicht gelungen, mit der Regierung ins Gespräch zu kommen. Für Einwanderungsminister Brice Hortefeux hat der Kampf gegen die illegale Einwanderung oberste Priorität. Auch dieses Jahr will er wieder 25.000 papierlose Ausländer ausweisen. Restaurantbesitzer Jean-Charles Diehl versteht die kompromisslose Haltung der Regierung nicht.
    "Es ist doch widersinnig: Wir haben hier Leute, Afrikaner, die respektvoll sind, überaus fleißig und motiviert. Diese Leute werden aus dem Land gewiesen, und zugleich schwächt man unsere Betriebe."
    Unterdessen sind die Woche erneut mehrere hundert ausländische Arbeitnehmer in Streik getreten. Bei einer ersten Streikwelle im April hatte das Innenministerium die, so wörtlich, wohlwollende Prüfung von 1000 Einzelfällen versprochen. Bis heute haben aber nur rund 80 Arbeitnehmer eine befristete Arbeitserlaubnis erhalten.