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"In Formation" am Schauspielhaus Zürich
Über die Presselandschaft

Am Schauspielhaus in Zürich hatte ein Medienabend Premiere, der sich als Theaterstück ausgab. Nach der Vorstellung mit Mundart- und hochdeutschen Texten über Medienkonzerne, Manipulation und Medienwandel durfte das Publikum mit den Experten diskutieren. Offene Fragen bleiben. Zum Beispiel, ob richtiges Theater nicht besser wäre.

Von Christian Gampert | 21.12.2016
    Blick auf auf die Fassade des Verlags Neue Zürcher Zeitung, an der Falkenstrasse in Zürich, am Freitag, 11. April 2003. (KEYSTONE/Eddy Risch) +++(c) dpa - Report+++ |
    Diskussion im Theater: Soll der Schweizer Staat die angeschlagene "Neue Züricher Zeitung" retten oder nicht? (dpa / Eddy Risch)
    Für hilfsbedürftige Menschen gibt es das betreute Wohnen, für den Theaterzuschauer gibt es nun den betreuten Vorstellungsbesuch. Rührend kümmern sich die Schauspieler und ein Moderator in Zürich um ihr Publikum, das immer wieder um Wortmeldungen und Stellungnahmen gebeten wird. Aber es geht ja wirklich um was: um die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf das gedruckte Wort, auf die Zeitungen. Clownesk gekleidete Gestalten empfangen uns in einer Arena-Bühne, auf einem Konferenz-Tisch in der Mitte singt einer hingebungsvoll Frank Sinatras "I did it my way". Ob man es heute als Journalist (und als Leser!) noch auf eine eigene, persönliche Weise machen kann, das ist die Frage.
    Offenbar trauen die meisten Menschen ihrer Zeitung nicht mehr und informieren sich lieber gratis im Internet. Behauptet jedenfalls Guy Krneta, der Autor dieses Züricher Medien-Abends, der sich als Theaterstück ausgibt.
    Krneta, dessen Mundart-Texte sich an Originalton-Interviews orientieren, steuert ein paar Figuren und hübsche Szenen bei, debattiert ansonsten aber altbekannte Wahrheiten: große Medienkonzerne haben die Macht ergriffen, die Geldgeber bestimmen die politische Richtung der Blätter. Aber auch im Internet, wo der User angeblich König ist, liefern Algorhythmen nur ganz bestimmte Inhalte oder sogar bewusste Fehlinformationen – manipuliert wird auch hier.
    Soll man überhaupt noch eine Zeitung abonnieren? Nein, er habe alles abbestellt, "die Zittige lüget wie gedruckt", meint da ein schwyzer- bzw. Bern-dütscher Krakeeler in weißen Strumpfhosen, gespielt von Nicolas Rosat, der sich herzallerliebst aufregt - und seine Zeitungs-Schelte zum absurd allitterierenden Zyte-und-Zyttige-Surrealgedicht ausbaut…
    "I wott öii Zytig nümm. I vrzichten uf öii Zytig. I wott öii Zytig nid – nid mau geschänkt."
    Noch andere Kündigungsgründe?
    "Es haubs Läbe lang han i öii Zytig abonniert gha. Scho myni Eutere hei öii Zytig abonniert gha. Mit dere Zytig bin i ufgwachse. Mit dere Zytig han i lehre Zytig läse. Zur Zyt, wo Zytig läse no öpis gsi isch. Wo me gseit het, w öper Zytig gläse het, hinger ere Zytig schreck e gschyde Chopf. Die Zyte sy vrby!"
    Regisseur bietet ein relativ offenes Arrangement
    So kann man das natürlich sehen. Aber auch bei den Journalisten ist die Unzufriedenheit groß; sie fühlen sich oft gegängelt und benutzt. Krneta wirft immer wieder einen Blick in die Redaktionsstuben, ohne wirklich Neues zu entdecken. Für den Außenstehenden überrascht allerdings der Furor, mit dem in diesem Mitmachstück Schweizer Spezialitäten debattiert werden, etwa die massiven Einflussnahmen der Schweizer Volkspartei des Christoph Blocher.
    Kann man aus diesem Material einen Theaterabend machen? Der Regisseur Sebastian Nübling bietet ein relativ offenes Arrangement. Das Publikum darf sich äußern, angeleitet von dem gelernten Slampoeten Laurin Buser, der den souveränen Moderator gibt; und per Lautsprecher werden Einlassungen von Medienexperten zugespielt, die dann von Schauspielern konterkariert werden. Aber das geht über das normale Fernseh-Statement eigentlich nicht hinaus.
    "Ich würde für mich und von mir sagen, dass ich mich nicht falsch informiert fühle. Ich hab nicht das Gefühl, dass ich einer grundsätzlichen Verführung zum Glauben von falschen Meinungen aufsitze. Also wenn ich eindeutige Meinungen lese, dann klinke ich mich aus. Das ist bei mir anders. Ich mag es schon sehr gerne, wenn ich eine klare Haltung präsentiert bekomme."
    Der eine so, die andere so - naja. Das wirkliche Theater, die Komödie, zeigt sich nur so zwischendrin - in der schönsten Szene zog man durch den Kakao, was "der Papscht" so zu den Medien zu sagen hat; und das ist eine ganze Menge allerbanalster Lebensweisheiten.
    Die gesamte Schweizer Medien- und Chefredakteurs-Elite war in der Premiere. Man diskutierte allen Ernstes die Frage, ob der Schweizer Staat die angeschlagene "Neue Züricher Zeitung" retten solle, dann gab es Premierenbier. Das Schauspielhaus gewinnt in Zürich seine Funktion als gesellschaftliches Verständigungsmittel zurück. Das ist okay. Richtiges Theater wäre noch besser.