Samstag, 04. Mai 2024

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Islamische Kunst in Hamburg
"Man greift zurück auf das Abstrakte"

Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg hat seine Sammlung islamischer Kunst neu eingerichtet. Interessant sei besonders, wie das Göttliche im islamischen Glauben dargestellt wurde, ohne dabei das sogenannte Bilderverbot zu verletzen, erklärte Kuratorin Nora von Achenbach im DLF.

Nora von Achenbach im Gespräch mit Beatrix Novy | 10.04.2015
    Beatrix Novy: Das eroberte Perserreich, das leuchtende Bagdad im Mittelalter, die guten Zeiten des Osmanischen Reichs - islamische Kunst hat sich über Jahrhunderte vielseitig und eigenständig entwickelt, im Austausch und auch in Abgrenzung zu umliegenden Kulturen. Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zeigt jetzt seine Sammlung dieser Kunst in neuer Gestaltung. Auch die jüdische, buddhistische und christliche Sammlung wurden reorganisiert. Man will dem viel beklagten homogenen Islambild dessen reale Vielfalt entgegensetzen. Als allgemeines Merkmal gilt das sogenannte Bilderverbot. - Frage zunächst an die Kuratorin Nora von Achenbach: Ganz und durchgängig wurde dieses Figurenverbot ja wohl nicht durchgehalten?
    Nora von Achenbach: Auf jeden Fall. Das ist sehr wichtig. Natürlich spielt die Schrift und das Ornament eine ganz bedeutende Rolle, und das hat einen religiösen Hintergrund. Aber es gibt sehr viele Figuren, Darstellungen und Bilder im weltlichen Bereich und es gibt auch in dem Sinne kein wirkliches Bilderverbot oder Figurenverbot. Ich finde, dieser Begriff, der klingt so negativ und ist eigentlich unglücklich.
    Novy: Sie sagen, im weltlichen Bereich ist Figürliches durchaus möglich. Aber hat es sich nicht denn doch in der islamischen Kunst so durchgesetzt, dass Ornament und Schrift wichtiger wurden als alles andere?
    von Achenbach: Das ist richtig, dass das Abstrakte eine dominante Rolle spielt. Das hat aber damit zu tun, dass es vor allem auch darum geht, das Metaphysische darzustellen, und das Metaphysische, die Transzendenz ist in einem Bild nicht zu zeigen und man greift zurück auf das Abstrakte, auf das Ornament.
    Novy: Wie spiegelt sich der unterschiedliche Umgang damit in den Exponaten, die Sie zeigen zu diesem Thema?
    von Achenbach: Ja, wir haben einen Raum, der dem Thema Glauben und Spiritualität gewidmet ist, und darin wird der Besucher sehen: Wie wird denn dieses Religiöse, das Göttliche dargestellt, wenn es nicht mit Figuren gezeigt wird. Wenn wir uns bei uns das Christentum ansehen: Die Bibel wurde illustriert. Der Koran wurde nie illustriert. Gott ist nicht als Figur darstellbar. Aber das Göttliche zeigt sich zum Beispiel in der Schrift, es zeigt sich im Ornament, oder (ein drittes Beispiel, was in der Ausstellung gezeigt wird) im Licht, dem Licht als göttlichem Symbol, und das kehrt wieder auch im Christentum und im Judentum.
    Comics aus Pakistan
    Novy: Aber wie haben islamische Künstler das dargestellt? Wie muss ich mir das vorstellen im 7., 8. Oder 10. Jahrhundert, das Licht?
    von Achenbach: Das Licht kommt in vielerlei Gestalt vor. Eine ist zum Beispiel die Lüsterkeramik. Das ist eine Keramik mit einer metallisch glänzenden Glasur, und die wird auch von den Künstlern, die diese Glasur hergestellt haben, als das Licht der Sonne bezeichnet. Dann haben wir eine Standarte ausgestellt mit dem Licht einer Sure aus dem Koran, in der Gott verglichen wird mit dem Licht einer Ampel. Und wir haben Wandbehänge, die genau das darstellen, Gebetsnischen, in denen eine Lampe hängt, und die steht für das Göttliche.
    Novy: Kommen wir dann zum Schluss zu den zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern, die ja auch einen Platz in Ihrer Sammlung gefunden haben. Gab es da viel Stoff zum Auswählen?
    von Achenbach: Wir haben uns beschränkt auf den Animationsfilm und auf den Comic, und die zeitgenössische Präsentation, dieser Bereich ist so gedacht, dass er auch wechselt und dass wir auf aktuelle Dinge reagieren.
    Novy: Und davon gibt es genug.
    von Achenbach: Davon gibt es genug, ja.
    Novy: Was ist denn zum Beispiel drin in der Ausstellung? Superhelden?
    von Achenbach: Superhelden kommen vor, ja, und wir zeigen Ausschnitte aus einer pakistanischen Fernsehserie, "Burka Avenger", in der eine Lehrerin in Gestalt eigentlich einer Superheldin für Gerechtigkeit kämpft in der Burka.
    Novy: Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg richtet seine islamische Sammlung neu ein - das war Nora von Achenbach.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.