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Jäger oder Gejagter
Tieraugen lassen tief blicken

Die Form der Pupillen verrät, ob ein Tier ein Jäger oder ein Gejagter ist. Warum diese Augen für die Tiere besonders nützlich sind, haben Wissenschaftler der Universität Berkeley in Kalifornien und dem britischen Durham jetzt genauer untersucht.

Von Anneke Meyer | 10.08.2015
    Das Auge einer schwarzen Katze
    Solche senkrechten "Katzenaugen" helfen den Lauerjägern dabei, die Entfernung zu ihrer Beute möglichst genau abzuschätzen und entsprechend gezielt zu springen. (imago)
    Er ist kein Tierflüsterer und auch nicht mit Doktor Doolittle verwandt, aber den grundlegenden Charakter eines Tieres erkennt Martin Banks durch einen Blick in die Augen. Der Professor von der UC Berkeley in Kalifornien und seine Kollegen haben an über zweihundert landlebenden Tieren untersucht, warum verschiedene Tierarten unterschiedliche Pupillen haben.
    "Durch statistische Analysen konnten wir zeigen, dass es einen starken Zusammenhang zwischen Pupillenform und ökologischer Nische gibt.
    Tiere mit senkrechten Schlitzpupillen sind sehr oft Lauerjäger. Das bedeutet sie warten im Versteck auf den richtigen Moment ihre Beute anzufallen. Ihre Augen sind sehr wahrscheinlich vorne am Kopf und sie sind sowohl tag- als auch nachtaktiv."
    Solche senkrechten "Katzenaugen" helfen den Lauerjägern dabei, die Entfernung zu ihrer Beute möglichst genau abzuschätzen und entsprechend gezielt zu springen. Um Distanzen zu bestimmen gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine davon ist das räumliche Sehen, also der Vergleich des Bildes zwischen rechtem und linkem Auge. Eine andere ist Unschärfe. Je weiter entfernt ein Gegenstand ist, desto mehr verschwimmt er. Katzenaugen kombinieren die Methoden:
    "Räumliches Sehen funktioniert nur gut mit scharfen Bildern. Das Bild wird scharf, indem die Pupille klein gemacht wird – genau wie bei einer Fotokamera. Wenn man Unschärfe benutzen will, um auf Entfernungen zu schließen, müssen die Pupillen im Gegenteil weit auf sein. Mit einer asymmetrischen Pupille geht beides auf einmal: Die Pupille ist senkrecht groß und waagerecht klein um beides optimal auszunutzen.
    Bester Panoramablick
    Auch Tiere, die sich vorsehen müssen nicht als Mahlzeit eines Jägers zu enden, haben schlitzförmige Pupillen. Sie sind aber nicht senkrecht, sondern waagerecht. Anhand eines Computermodells konnten Martin Banks und seine Kollegen zeigen, dass diese Pupillenform den besten Panoramablick erlaubt. Eine Annahme, die oft gemacht, aber bisher nie überprüft wurde.
    In Kombination mit den seitlich am Kopf sitzenden Augen, können die Tiere so gleichzeitig vor und hinter sich sehen. Darüber hinaus halten die schmalen Schlitze Sonnenlicht von oben ab. Quasi eine angeborene Sonnenbrille. Gute Voraussetzungen um hungrige Räuber im Blick zu haben. Das Ganze funktioniert aber nur unter einer Bedingung:
    "Die Voraussetzung ist, dass die Pupillen parallel zum Boden sind. Aber was passiert wenn die Tiere ihren Kopf zum Grasen senken und die Augen dann plötzlich senkrecht stehen? Und wir dachten „Oh man, das ist echt ein Problem". Und da sind wir in den Zoo gegangen und haben Videos von Ziegen und Pferden gemacht. Es ist wirklich bemerkenswert: Wenn sie ihren Kopf senken rotieren die Augen. So bleiben sie immer parallel zum Boden!"
    Unschärfe ist nicht hilfreich
    Menschen können ihre Augen bei weitem nicht so gut verdrehen wie Schafe oder Pferde. Das ist aber nicht der einzige Grund warum geschlitzte Pupillen, egal ob senkrecht oder waagerecht, für uns nicht von Vorteil wären:
    "Unschärfe ist nur auf kurzen Distanzen ein gutes Signal. Das erklärt zumindest teilweise, warum Menschen das nicht benutzen. Unschärfe ist einfach nicht besonders hilfreich wenn man groß und weit weg von den Dingen ist, mit denen man interagiert."
    Weil viele Landtiere eng miteinander verwandt sind, könnten die Pupillenformen theoretisch auch das Erbe eines gemeinsamen Vorfahren sein. Um das zu überprüfen, machten die Wissenschaftler eine Stammbaumanalyse. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass es sich tatsächlich um eine Anpassung an die Lebensweise der Tiere handelt. Allein in der Familie der Katzenartigen entwickelten sich unabhängig voneinander sechs Mal runde Pupillen. Eine mögliche Erklärung dafür sieht Martin Banks, ähnlich wie beim Menschen, in der Körpergröße: Kleine Hauskatzen oder Luchse haben Schlitzpupillen, große Katzen wie Löwen und Tiger haben runde Pupillen.
    Mit ihren Analysen können die Forscher die Vorteile bestimmter Augen für viele Tiere erklären. Manches bleibt aber auch ihnen ein Rätsel:
    "Dann sieht man einen Film wie Jurassic Park und der Tyrannosaurus Rex hat Katzenaugen..."
    Ob es sich bei dieser Abweichung um eine Laune der Evolution oder die des Regisseurs handelt - diese Frage zu beantworten überlässt Martin Banks lieber anderen.