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Kassenärztliche Bundesvereinigung
Es droht die Zwangsverwaltung

Misswirtschaft, Korruption, Bereicherung: Nach den Skandalen in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) macht Gesundheitsminister Hermann Gröhe Druck. Sollten die geforderten Beschlüsse zur Rückforderung hoher Zahlungen auf der Vertreterversammlung der KBV nicht gefasst werden, droht die staatliche Zwangsverwaltung.

Von Gerhard Schröder | 23.05.2016
    Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen.
    Gesundheitsminister Hermann Gröhe fordert von der KBV die Rückzahlung unberechtigter Zahlungen. (dpa / Marius Becker)
    Nur noch wenige Stunden bleiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV, um das Schlimmste zu verhindern: Die Entmachtung von Vorstand und Vertreterversammlung und die Einsetzung eines staatlichen Kommissars, der die Geschäfte übernimmt. Ein Horrorszenario, das KBV-Chef Andreas Gassen zumindest äußerlich gelassen kommentiert.
    "Des Weiteren haben wir einen geschlossenen Teil, in dem auch Beschlüsse anstehen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die auch getroffen werden, sodass ich keine wirkliche Sorge habe, dass der Staatskommissar in die KBV kommt."
    Es geht um Misswirtschaft, Korruption, und Bereicherung, um überhöhte Ruhestandsgelder, zwielichtige Immobiliengeschäfte und Intrigen in der Führungsspitze. Vier Seiten umfasst das KBV-Sündenregister, das Gröhe dem Vorstand am 12 Mai zuschickte. Versehen mit einem letzten Appell, die Missstände abzustellen:
    "Das Schreiben weist auch darauf hin, dass, sollten diese Beschlüsse nicht gefasst werden, ein Beauftragter eingesetzt wird, der dann an die Stelle von Vorstand und Stellvertreterversammlung tritt."
    Großzügige Mietzuschüsse und Ruhestandsgelder
    Im Mittelpunkt der Affären und Skandale steht Andreas Köhler, der frühere Vorstandschef der KBV, der jahrelang nach Belieben schalten und walten konnte. Seinen Abschied 2014 ließ er sich mit einem fürstlichen Ruhestandsgeld versüßen. Dann kamen immer neue Merkwürdigkeiten ans Licht. So zahlte die Ärztevereinigung einer ehemaligen Mitarbeiterin noch Jahre nach ihrem Ausscheiden ein sechsstelliges Jahresgehalt, übernahm Unterhaltszahlungen für die Ex-Frau eines Topmanagers oder großzügige Mietzuschüsse für den Vorstandschef.
    "Ich hab mal das sehr harte Wort gesagt, ist das nicht schon organisierte Kriminalität."
    Sagte Dieter Kreye diesem Sender. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Mecklenburg-Vorpommern und zählt zu den wenigen, die seit Jahren gegen Filz und Korruption in der KBV ankämpfen, aber nur wenig Gehör fanden.
    "Der Griff in die Kasse passiert immer wieder mal. Aber warum kann das über so lange Zeit und so unbehelligt passieren und in diesem Ausmaße, da denke ich, dass es Ko-Faktoren gibt, die sollten wir aufklären, damit wir für die Zukunft Voraussetzungen haben, solche Entwicklungen zu verhindern."
    "Wir brauchen einen Neuanfang"
    Gröhe fordert jetzt die Rückzahlung unberechtigter Zahlungen. Auch ein dubioses Immobiliengeschäft, mit dem die neue KBV-Geschäftsstelle in Berlin finanziert wurde, muss rückabgewickelt werden. Wir brauchen einen Neuanfang, fordert Wolfgang Krombholz, der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns im Gespräch mit diesem Sender:
    "Es wird hoffentlich die Stunde der Bereinigung sein, einer Bereinigung von Themen, die wir jetzt seit einem Jahr auf dem Tisch haben."
    Der Gesundheitsminister macht Druck, endlich, sagt KV-Manager Kreye, der sich wundert, warum Gröhe so lange gewartet hat. Immerhin ist die KBV ein wichtiger Teil der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, zuständig für die Verteilung der Honorare an die Ärzte. Deshalb nun die Drohung mit staatlicher Zwangsverwaltung:
    "Das wäre ein dramatischer Eingriff, und ich hoffe, dass diejenigen, die bislang sehr zögerlich waren mit der konsequenten Aufarbeitung der Fehlentwicklungen, daraus die Lehre ziehen, dass dies kein guter Weg ist."
    Kreye meint die derzeitige Führungsmannschaft um KBV-Chef Andreas Gassen, der sich bislang nicht den Ruf eines entschlossenen Aufklärers erworben hat. Und es bleibt nur noch wenig Zeit, diesen Eindruck zu revidieren.