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Köln
Der Kampf um die Bäume

Weil sie dem Bau einer Straßenbahntrasse im Wege standen, wurden in Köln 233 große Bäume gefällt. Das geschah allerdings nicht ohne massive Bürgerproteste und den Einsatz der Polizei. Zurück bleiben verstörte Naturschützer und die Erkenntnis, dass Kommunen beim Klimaschutz viel Spielraum haben.

Von Britta Fecke | 08.01.2018
    Ein Mitarbeiter eines Bauhofes fällt einen Alleebaum
    Massiven Bürgerprotesten zum Trotz hat die Stadt Köln 233 alte Bäume fällen lassen (picture alliance / ZB / Stefan Sauer)
    233 großgewachsene Kastanien, Platanen und Linden haben an der stark befahrenen Straße im Kölner Süden gestanden, sie sorgten in den heißen Sommern für ein wenig Schatten. Und nicht nur das. Umweltschützer Ottmar Lattorf:
    "Wenn die weg sind, dann sind die einzigen Filter für Feinstaub und Stickoxide unsere Lungen."
    Nun sind sie weg. Den massiven Bürgerprotesten zum Trotz hat die Stadt Köln die alten Bäume fällen lassen. Sie mussten einer Straßenbahntrasse weichen, die aber erst in einigen Jahren angelegt wird.
    Die Bäume wurden unter Protest gefällt
    Ottmar Lattorf, Sprecher einer Bürgerinitiative, die sich über Jahre für das Überleben der Stadtbäume eingesetzt hat.
    "Das eigentliche Ziel dieser Planung hier ist ja die Reduzierung des Autoverkehrs. Das ist ein ökologisches Ziel, und dafür fällt man erst einmal 300 Bäume! Obwohl die Bäume nicht gefällt werden bräuchten, wenn man anders planen würde!"
    Um die alten Bäume zu schützten, ist die Bürgerinitiative im letzten Jahr bis vor das Oberverwaltungsgericht in Münster gezogen. Vergeblich. Die Bäume wurden gefällt, begleitet von Protest und Polizeieinsatz. Warum konnte die Baumschutzsatzung die großgewachsenen Bäume nicht schützen?
    Matthias Welpmann war im Kölner Stadtrat und ist aktuell Umweltdezernent der Stadt Neuss:
    "Die Baumschutzsatzung gilt in Köln für alle Bäume, die in Köln gefällt werden, egal, ob privat oder von der Stadt, ab einer bestimmten Größe, aber für die Bäume auf der Bonner Straße gilt das auf jeden Fall. Und dann muss halt so nah wie möglich nachgepflanzt werden, müssen Bäume nachgepflanzt werden."
    Schwammige Formulierungen lassen viel Spielraum
    "So nah wie möglich" ist allerdings ein wenig präzise Entfernungsangabe.
    "Das ist eben nicht genau definiert in der Satzung. Das hängt immer - wie es so schön heißt - vom Einzelfall ab. Sie müssen dann geeignete Standorte finden, das ist nicht unbedingt drei Meter daneben, aber es sollte aber auch nicht am anderen Ende der Stadt sein. Denn grade wegen der Klimawirkung von Bäumen sollte das ja im gleichen Stadtteil liegen."
    "Sollte" und "könnte": Schwammige Formulierungen lassen den Kommunen viel Spielraum.
    Konkreter wird es, wenn Pflanzen- oder Tierarten nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt sind. Das gilt nicht für Platanen, doch wenn ihre Krone der Lebensraum für eine seltene Tierart ist, könnte sie das vor der Fällung bewahren. Matthias Welpmann:
    "Wenn irgendwo ein Baum gefällt werden soll, der eine Bruthöhle für Fledermäuse beinhaltet oder so, dann können sie den nicht fällen. Oder sie müssen vorher dafür sorgen, dass die Fledermäuse ein neues Quartier finden."
    In Frankfurt sind so schon einige Bauvorhaben verzögert worden, weil geschützte Zauneidechsen erst umgesiedelt werden mussten, bevor der Bagger kam. Reptilien haben auch beim Stuttgarter Bahnprojekt für eine fast zweijährige Verzögerung gesorgt, da die geschützte Art nur im Herbst und Frühjahr umgesiedelt werden darf. Verhindern konnte der Artenschutz Stuttgart 21 aber nicht.
    Kommunen müssen nicht für Klimaschutz sorgen
    In Köln werden jetzt immerhin Bäume im selben Stadtteil nachgepflanzt und nicht am Rande der Stadt. Doch bis die neuen Bäume die ökologische Leistung bringen, wie ein ausgewachsener Baum, werden sehr viele Jahre vergehen: Eine großgewachsene Buche oder Ulme produziert im Schnitt vier Kilogramm Sauerstoff am Tag und bindet dabei sechs Kilo klimaschädliches Kohlendioxid. Hätte nicht die Möglichkeit bestanden, die Bäume wegen ihrer Klimawirkung unter Schutz zu stellen und so vor der Kettensäge zu bewahren? Matthias Welpmann:
    "Klimaschutz ist leider keine sogenannte Pflichtaufgabe, die eine Kommune machen muss. Das halte ich auch für ein großes Problem, weil Klimaschutz im Zweifel immer abgewogen werden kann für andere Belange."
    Im Grünbuch "Stadtgrün" des Bundesumweltministeriums heißt es dann auch: "Für das öffentliche Grün in den Städten und Gemeinden sind primär die Kommunen zuständig." Das Umweltamt der Stadt Frankfurt lässt inzwischen auch mögliche Folgen der Bauvorhaben für das Stadtklima prüfen.
    Sehr viele deutsche Städte müssen sich dringend überlegen, wie sie den Luftreinhalteklagen der Deutschen Umwelthilfe begegnen. Der europaweit vorgeschriebene Grenzwert für Stickstoffdioxid liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, Köln hat diesen Wert 2016 unter anderem am Clevischen Ring im Jahresmittel um mehr als die Hälfte überschritten. Dieselfahrverbote wären eine Möglichkeit die Luftqualität zu verbessern, mehr Bäume und Blätter hätten die Feinstaubwerte aber auch gesenkt.
    Doch die stehen an der vierspurigen Straße in Köln nicht mehr, trotz der massiven Proteste. Für Harald Rau, Dezernent für Umwelt und Soziales der Stadt Köln, sind die Kritiker aber nicht nur zu spät gekommen.
    "Es kann sehr richtig sein, dass es dort Proteste gibt, ich halte so eine Protestkultur auch für richtig, aber letzten Endes muss sich die Minderheit der Mehrheit beugen. Und wenn die Minderheit eine Minderheit bleibt hat sie irgendetwas falsch gemacht, denn sie hat es nicht geschafft ihre Position mehrheitsfähig zu machen."