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Kreditwürdigkeit
Daten- und Verbraucherschützer kritisieren Scoring

Auskunfteien wie die Schufa ermitteln aus einer Vielzahl von Daten einen sogenannten Scorewert. Er entscheidet darüber, ob man selbst hohe Kredite zu guten Konditionen bekommt oder noch nicht einmal einen Dispo. Daten- und Verbraucherschützer kritisieren die Intransparenz bei der Ermittlung des Scorewerts.

Von Stephanie Kowalewski | 24.04.2014
    "Schufa-Auskunft hier erhältlich", steht an der Scheibe eines Kreditinstitutes, das Kleinkredite an Privatkunden vergibt.
    Jeder hat das Recht, sich einmal im Jahr kostenlos eine Aufstellung über den Datensatz zur eigenen Person geben zu lassen. (picture alliance / Wolfram Steinberg)
    Ein Scorewert ist eine einzige Zahl, die die Wahrscheinlichkeit ausdrücken soll, wie zuverlässig ein Kunde seinen Zahlungen nachkommt. Bei einem Wert von 100 muss man sich keine Gedanken machen, bei einem von 95 schon und liegt der Scorewert nur bei 85 wird es schon schwierig, überhaupt noch einen Kredit zu bekommen, sagt Franz-Josef Arndt, Geschäftsführer des Bankenverbandes NRW:
    "Dieser Wert von 85 sagt mir, dass von 100 Kunden nur 85 ihren Kredit ordnungsgemäß zurückführen, während es 15 dann nicht tun. Das scheint mir schon ein sehr hoher Wert zu sein, wo also vermutlich die meisten Banken dann doch sagen würden, dass ist mir deutlich zu hoch."
    Heißt, der Kunde bekommt den Kredit nicht. Doch wer warum welchen Scorewert hat, ist ein Geheimnis. Erst Anfang dieses Jahres hat der Bundesgerichtshof geurteilt, dass die Auskunfteien ihre mathematisch-statistischen Formeln, mit denen sie die Scorewerte aus den Daten ermitteln, nicht offen legen müssen. Ulrich Lepper, Datenschutzbeauftragter des Landes NRW, hält das Urteil für falsch:
    "Ich finde, wenn man mit Scorewerten arbeitet, besteht immer die große Gefahr, dass der Einzelne gerastert wird auf der Grundlage von Dingen, die er gar nicht überprüfen kann, die er gar nicht kontrollieren kann. Zweitens kann dabei passieren, dass bestimmten Merkmalen eine Gewichtung beigemessen wird, die absolut lebensfremd ist und überhaupt nichts mit dem kreditorischen Risiko zu tun hat."
    So wird vermutet, dass Auskunfteien auch schon mal Unterhaltungen in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook auswerten und sich ein Bild von der Wohnsituation eines Verbrauchers per Google Steetview machen. Außerdem halten sich hartnäckig Gerüchte, dass manche Auskunfteien ihren Scorewert lediglich aus Adressdaten ableiten. Dann kann es passieren, dass man - obwohl man noch nie in den Miesen war – einen schlechten Scorewert hat, weil viele Nachbarn ihre Schulden nicht bezahlen. Normalerweise nutzen die Auskunfteien aber eine Vielzahl unterschiedlichster Daten, die sie von den Geschäftspartnern geliefert bekommen, die später die Scorewerte ihrer Kunden dort abfragen, sagt Ulrich Lepper:
    "Das ist im Gesetz auch so vorgesehen, dass Unternehmen, die ein kreditorisches Risiko haben, bestimmte Daten einmelden dürfen."
    Verbraucher haben Auskunftsanspruch
    So melden Banken Details zu Krediten, Mobilfunkanbieter teilen mit, wie viele Verträge ein Kunde hat und Versandhändler melden offene Rechnungen und häufig wechselnde Anschriften. Dazu kommen Informationen über Insolvenzen, Mahnverfahren und Haftbefehle. Jeder hat das Recht, sich einmal im Jahr kostenlos eine Aufstellung über den Datensatz zur eigenen Person geben zu lassen – und zwar bei jeder einzelnen Auskunftei. Das ist wichtig, sagt Beate Wagner, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW:
    "Es kommt gar nicht so selten vor, dass veraltete oder tatsächlich unrichtige Angaben dort vorliegen und dann eben auch in solche Berechnungen einfließen. Und der Einzelne hat immer die Möglichkeit zu erfahren, welche Daten vorliegen und auch, wenn sie dann nicht korrekt sind, sie berichtigen zu lassen."
    Die Auskunfteien müssen auch mitteilen, welche Scorewerte in den vergangenen 12 Monaten an wen übermittelt wurden. Doch Daten- und Verbraucherschützer kritisieren heftig, dass die Entstehung des Scorewertes nicht erklärt werden muss.
    "Der Verbraucher hat einen Auskunftsanspruch zu erfahren, welche Daten über ihn gespeichert sind und auch welche Daten in das Berechnungsverfahren einfließen. Er hat aber keinen Anspruch darauf genau zu erfahren, wie jeweilige Daten gewichtet werden, welche Vergleichsgrößen herangezogen werden und wie die sogenannte Scoreformel lautet. Es ist leider für den Verbraucher völlig intransparent, welche Daten mit welchen Berechnungsverfahren zu diesem Ergebnis führen."
    Der NRW-Landesdatenschützer Ulrich Lepper hofft deshalb, dass bei der diesjährigen Evaluierung des Bundesdatenschutzgesetzes mehr Gewicht auf den Verbraucherschutz gelegt wird:
    "Wir haben mit Nachdruck gefordert, dass Präzisierungen stattfinden im Hinblick auf die Offenlegung der Daten, die im einzelnen verarbeitet werden. Und es muss die Gewichtung deutlich gemacht werden."