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Krieg daheim

Der neue Film "Savages" von Oliver Stone zeigt eine Gewaltorgie: Im Mittelpunkt steht das Drogengeschäft von Ben und Chon, welches sich ein mexikanisches Drogenkartell einverleiben will.

Von Christoph Schmitz | 06.10.2012
    Oliver Stones Film "Savages" schaut den Wilden von heute nicht nur bei ihren eskalierenden Metzeleien zu, sondern er inszeniert die Exzesse auch in einer wilden, ungebärdigen, mitunter schroffen Bildsprache. Dabei hat dieser Film keinen Stil. Er ist nicht in einem Strich durchgepinselt. Vielmehr collagiert er und packt unterschiedliche Ästhetiken einfach zusammen und nicht unbedingt ausgewogen und fein abgestimmt. Vollkommen souverän und mit der Lockerheit eines alten Kinoerzählers geht Oliver Stone hier ans Werk.

    Am Anfang verwackelte, grobkörnige Handyaufnahmen, wüst zusammengeschnitten, kniende Männer in einem Keller, verängstigte Blicke, Kettensägengebrüll, Schinder mit Knochenmasken und später die enthaupteten Körper in schwarzen Blutlachen. Dann der klare Pazifikhimmel über Südkalifornien, prächtige Landschaftspanoramen, Strand, Parks und Villen von Laguna Beach, strahlende Reisebürobilder. Später hochstilisierter Luxus, Gangstertreffen in Popart-Coolness, perfekte Hollywood-Explosionen, verträumte Weichzeichnungen mit glitzerndem Gegenlicht. Und verspielt, heiter und erotisch enthemmt kann Oliver Stone ebenfalls sein. Aber diese Stilcollage, die auch die Filmgeschichten über Killerpaare und Ménage-à-trois-Konstellationen von "Butch Cassidy und Sundance Kid" bis zu den "Natural born killers" hoch und runter zitiert, ist keine fein durchdeklinierte Arbeit, in der die Erzählelemente in kalkulierten Rhythmen wiederkehren. Eher grob genäht wirkt das Ganze. Und schließlich kann "Savages" nicht verleugnen, dass ein massentaugliches Unterhaltungsprodukt Zweck der Arbeit war.

    Zwar erzählt Stone einerseits eine brutale Gangstergeschichte im Drogenmilieu, doch gleichzeitig durchleutet er, wie so oft in seinen Filmen, den Zustand der amerikanischen Gesellschaft. Seine beiden jungen Hauptfiguren könnten unterschiedlicher nicht sein. Ben ist ein sanfter und zumindest anfangs friedfertiger Botaniker, der die Welt mit sozialen Projekten rund um den Globus beglücken will. Sein bester Freund Chon ist ein ehemaliger Soldat, böse, brutal, zynisch geworden durch seine Einsätze im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus.

    Mit Anbau und Verkauf von Marihuana erwirtschaften sie ein Vermögen und teilen die Liebe zur blonden Schönheit Ophelia. Sie hängt an den beiden mit Leib und Seele. Das Leben ist sexy, sonnig, bequem. Bis ein mexikanisches Drogenkartell unter der unbarmherzigen Elena und ihrem grausamen Handlanger Lado das Gras-Geschäft von Ben und Chon übernehmen will. Das Video der geköpften Dealer vom Anfang ist die erste Drohung. Und nach und nach lassen sich die kalifornischen Jungs in eine Spirale von psychischer und körperlicher Gewalt ziehen. Am Ende sind ihre Methoden nicht besser als die der Feinde.

    Oliver Stone zeigt nicht nur, mit welcher Macht die mexikanische Drogenmafia in die USA hinüberschwappt. Er zeigt auch eine durch Kriege, gedankenlosen Kommerz und luxuriösen Wohlstand verrohte und entmoralisierte amerikanische Gesellschaft, die dem Verbrechen nur wenig entgegensetzten kann. Korrupt ist dieses Amerika durch und durch. Dennis, der bestechliche Polizist der Drogenbehörde, ist ihr Inbild, gespielt von John Travolta.

    Überhaupt sind die Nebenrollen stark besetzt mit einem diabolischen Benicio Del Toro und einer eiskalten Salma Hayek. Die Nachwuchsschauspieler Aaron Johnson und Taylor Kitsch als Ben und Chon allerdings können dem Butch-and-Sundance-Duo Paul Newman und Robert Redford nicht das Wasser reichen. Was dem Film aber nicht schadet. "Savages" funktioniert auch so.