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Eifel-SPD geht neue Wege
Per Stellenanzeige zur Bundestagskandidatur

Normalerweise suchen die Parteien in den eigenen Reihen nach Kandidaten für die Bundestagswahl. Die Eifel-SPD ist neue Wege gegangen und hat stattdessen eine Stellenanzeige aufgegeben. Am Wochenende wählte die Partei nun den Politneuling Jan Pauls zum Kandidaten für den Wahlkreis Bitburg.

Von Anke Petermann | 28.11.2016
    Der SPD-Favorit für die Bundestagskandidatur im Wahlkreis Bitburg, Jan Pauls, stellt sich am 07.11.2016 in Bitburg (Rheinland-Pfalz) vor.
    Die Eifel-SPD schickt Jan Pauls ins Rennen um die Bundestagskandidatur. (dpa/ picture-alliance / Harald Tittel)
    Seit dem Wochenende steht fest: Die Eifel-SPD schickt einen Polit-Neuling ins Rennen um die Bundestagskandidatur, den Aachener Maschinenbau-Ingenieur Jan Pauls. Sie fand ihn und seine Mitbewerber per Stellenanzeige – bundesweit ein Novum.
    Ein Newcomer aus Aachen bringt im ersten Wahlgang die Mehrheit der 67 SPD-Delegierten in der Bundestagswahlkreis-Konferenz Bitburg-Prüm hinter sich. Viele Genossen loben das Verfahren:
    "Immer in Hinterzimmern Kandidaten aussuchen, das ist überdenkenswert. Das sollte man nicht so tun. Also, ich find’s positiv." - "Ich war am Anfang ein bisschen skeptisch, aber ich glaube, es steht uns als SPD gut an, neue Wege zu gehen." - "Und das ist demokratisch, und darüber bin ich begeistert."
    Wo bleiben die sozialdemokratischen Eigengewächse?
    So weit alles gut, wäre da nicht die Frage, hat die geschrumpfte Eifel-SPD keine guten Eigengewächse mehr? "Nein, überhaupt nicht", wehrt Astrid Schmitt ab, Vorsitzende des SPD-Kreisverbands Vulkaneifel. Der hatte immerhin einen eigenen lokalen Kandidaten aufgestellt. Was allerdings kein Protest gegen das neue Verfahren sein sollte, präzisiert die Dauner Kreischefin:
    "Wir sind ja drei Kreisverbände, die zum Bundestagswahlkreis Bitburg gehören. Der Kreisverband Bitburg-Prüm hat sich für dieses eher ungewöhnliche Verfahren entschieden. Wir in der Vulkaneifel haben das klassisch gemacht, indem wir unsere Mitglieder gefragt haben sozusagen, die Ortsvereins-Vorsitzenden: 'Will jemand kandidieren, habt ihr jemanden?' Und das ist dabei rausgekommen."
    Rauskam, dass der 32-jährige Maschinenbauingenieur Jan Pauls bei der Bundestagswahl im September 2017 als Quereinsteiger versuchen soll, dem Generalsekretär der Rheinland-Pfalz-CDU den schwarzen Wahlkreis abzujagen.
    32-jähriger Maschinenbauingenieur als Quereinsteiger
    Wie das geht, hat Nico Steinbach vorgemacht, in etwa gleichaltriger SPD-Kreischef von Bitburg und Initiator des neuen Verfahrens mit Stellenanzeige und Assessment-Center.
    "Ich habe vor einem halben Jahr ebenfalls im etwas kleineren Landtagswahlkreis das Wunder geschafft und erstmals seit Bestehen des Landes Rheinland-Pfalz, also knapp 70 Jahren, den Wahlkreis für die SPD gewonnen."
    Kein Wunder, dass Steinbachs Ideen Gewicht bei den Genossen haben. Der junge Kreischef hat mit seiner Stellenanzeige den Bewerberpool für die Bundestagskandidatur auf fast 120 Interessenten zwischen 20 und 70 Jahren vergrößert, den Blick nicht nur von Politikwissenschaftlern auf das Experiment der Eifel-SPD gelenkt, außerdem zur offensiven Personalentwicklung in einer alternden Partei geblasen.
    "Wir haben Kontakte auch insbesondere zu jüngeren Leuten auch hier in der Region geknüpft, die sich beworben haben, die wirklich auch gesagt haben, wir haben Spaß, uns politisch einzubringen, zu engagieren, und die werden wir auch über unsere internen Entwicklungskonzepte, aber auch die nächste Kommunalwahl, für die Gremienarbeit mit einbinden."
    Instrument zur Personalentwicklung einer alternden Partei
    Auch für den unterlegenen lokalen Bewerber aus Daun, den jungen SPD-Neuling und Landschaftsarchitekten Tobias Geisbüsch, ist das Scheitern beim Rennen um die Bundestagskandidatur erst der Starpunkt der Partei-Karriere:
    "Ich werde mich ja nächstes Jahr dann auch im Vorstand bewerben beim SPD-Ortsverein Daun. Und 2019 sind Kommunalwahlen, also es geht weiter. Nee, ist doch schön: Die Delegierten hatten eine schöne Auswahl, und jetzt werde ich natürlich den Jan unterstützen."
    Jan Pauls, der junge Bundeswehr-Offizier, schon auf Wohnungssuche in Prüm, Er überzeugte die Delegierten mit kurzen klaren Aussagen und einer Prise sozialdemokratischer Selbstkritik.
    Nicht ständig die "Nazi-Keule" schwingen
    Alle, auch die Genossen, hätten gegen die AfD zu oft die Nazi-Keule geschwungen.
    "Stattdessen ist es – glaube ich – ganz wichtig, Populisten, wo man kann, ins Leere laufen zu lassen und nicht drauf anzuspringen und ihnen keine Bühne zu bieten, dadurch. Aber, an den Stellen, wo es nicht anders geht, klare Kante zu zeigen. Denn Menschen zu diffamieren, herabzuwürdigen oder auszugrenzen – da ist Zivilcourage gefordert."
    Ein auswärtiger Polit-Neuling als SPD-Bundestagskandidat – ist das der Abschied von der regional verwurzelten Mitglieder-Partei? Nico Steinbach schüttelt den Kopf.
    "Nein. Also, ich behaupte auch nicht, dass unser Verfahren unbedingt automatisch Schule macht, aber es ist ein Format, um in gewissen Situationen auch das Traditionelle zu ergänzen."