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"Mann der Hoffnung"

Der polnische Film "Walesa - Mann der Hoffnung" ist ein nationales Ereignis, ein politisches und historisches. Der 87-jährige Regisseur Andrzej Wajda lässt die Nation kollektiven in ihrer jüngeren heroischen Geschichte schwelgen.

Von Sabine Adler | 05.10.2013
    "Wir müssen Gott danken", sagt Präsident Komorowski, "dass Lech Walesa diese schwere Situation meistern, den richtigen und mutigen Weg finden konnte. In der Organisation, die er geführt hat, habe ich einen Teil meines Herzens gelassen."

    Der 87jährige gefeierte Regisseur Andrzej Wajda verhilft der in zwei Lager gespalteten Nation zu einem kollektiven Schwelgen in ihrer jüngeren heroischen Geschichte.

    An diesem Wochenende startet der Walesa-Film in den Kinos, häufig mit zehn Vorstellungen an einem Tag, weil ihn Millionen sehen wollen. Wer heute mindestens 40 ist, fühlt sich schon wegen der Musik 20 Jahre zurückversetzt.

    "Hier wohnt der Boss einer 10-Millionen-Mitglieder-Gewerkschaft?", fragt ungläubig die italienische Starjournalistin Oriana Fallaci. Mit der Distanz der weitgereisten Beobachterin hat sie die historische Dimension des Wandels, den Walesa anführt, messerscharf erfasst. Er im Auge des Orkans, aber fast schon mit Tunnelblick, fürchtet sich geradezu vor der Tragweite. Diese nachgespielte Interview-Situation ist der rote Faden des Films, über die Zeit von 1970 bis 1989. Walesa, der geradeaus denkende, geerdete Solidarnosc-Chef, der sich bedingungslos für andere in die Bresche wirft, aber auch fast krankhaft stolz ist, und ein Choleriker, der sich ständig verhaspelt. Meisterhaft gespielt von Robert Wieckiewicz. Unbedingt ein Oscar-Anwärter für den besten Schauspieler.

    "Ich hatte Angst, denn es war ein Risiko, Walesa so echt wie möglich zu spielen. Deswegen fragte ich alle Kollegen beim Dreh, ob das geht. Mir lag es fern, ihn zu karikieren, zu parodieren. Andererseits wusste ich, dass wenn es gelingt, es umso perfekter wird. Wenn ich aus der Maske kam und schon aussah wie Walesa, aber noch nicht so sprach, dann fehlte was."

    Agnieszka Grochowska verleiht Walesas zarter Frau Danuta eine Eindringlichkeit, die meist leise darherkommt. Nur einmal platzt ihr der Kragen, komplimentiert sie sämtliche Gewerkschaftsaktivisten und Jornalisten, die in Scharen die winzige Wohnung bevölkern, hinaus.

    Zusätzlich zu den sechs Kindern verpflegt sie jeden Gast. Ihr Mann - ständig im Gefängnis, arbeitslos, auch im Sommer 1980, als sich der Streik anbahnt. Danuta hat Angst.

    Danuta Walesa: "Ich habe keine Lust dich im Gefängnis zu besuchen oder auf dem Friedhof."
    Lech Walesa: "Sie werden nicht schießen. Ich will gehen nicht, aber ich muss."

    "Ich will nicht, aber ich muss.” - Walesa Motto. Beim Streik. Als Polens erster frei gewählter Präsident. Wajda zeigt die bewegte, spannende Zeit so ruppig, wie sein Held noch heute daherkommt. Die Resonanz: positiv.

    "Vor allem Robert Wieckiewicz gefällt mir in der Rolle, Super!
    Walesa ist ein komplizierter Charakter, aber ich habe ihn immer geschätzt. Er hat seine schwachen, aber auch guten Seiten, es ist und bleibt unser Lech Walesa."
    Und zwei betagte Damen :

    "Ja, das war unser Leben, ich bin gerührt. Der Film entspricht unseren Erinnerungen, unseren Erlebnissen. Was wir durchgemacht haben!"

    Zwei Freundinnen verlassen untergehakt das Kino.

    "Super! Ich bin extra aus Kanada gekommen und bin so froh, dass ich den Film gesehen habe. Ich werde alles tun, um ihn nach Kanada zu holen."

    Und Walesa über Walesa? Ein wenig beleidigt.

    "Ich war neugierig, wie Leute wie Wajda mich sehen. Er meinte, dass ich es wegen meines Hochmuts geschafft habe. Nur, wenn ich so hochmütig wäre, wie er findet, hätten mich die Arbeiter kaum auf den Schultern getragen."

    Am Ende des Streiks der von da an immer mächtigeren Solidarnosc, die den Sozialismus zum Einsturz bringen wird, ist sein siebtes Kind da:

    "Ich danke Euch, geht jetzt nach Hause! Sorgt für Nachwuchs! Habt Dank!"