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Mastputenbetrieb
Verbandsklage gegen neuen Bau

In Deutschland werden jährlich 37 Millionen Puten in konventionellen Betrieben gehalten. Unter Bedingungen, die alles andere als tiergerecht sind, so der Deutsche Tierschutzbund. Das Staatsziel Tierschutz werde damit deutlich verfehlt. Mit einer Verbandsklage will man so auch gegen den Bau eines neuen Putenmaststalls im nordrhein-westfälischen Kreis Warendorf vorgehen.

Von Annette Eversberg | 01.09.2015
    Masthähnchen in einem der Ställe der Agrarproduktionsgesellschaft Agp Lübesse.
    Anders als bei Masthühnern gibt es für die Putenmast kaum gesetzliche Regelungen (picture alliance / dpa)
    Inzwischen ist der Antrag auf den Bau eines Putenmaststalls bei Bauamtsleiter Sigurd Peitz vom Kreis Warendorf eingegangen.
    "Der Stall soll entstehen westlich von Sassenberg, außerhalb des Ortes der Gemeinde. Der Stall hat eine Grundfläche von rund 1.700 Quadratmeter, und in dem Stall sollen 8.000 Puten oder 4.000 Putenhennen untergebracht werden."
    Bei der Planung sollen die Proteste der Bürgerinitiative, die sich gegen den Putenmaststall wehren, ernst genommen werden, verspricht der Kreis. Staub- und Keimbelastung sollen beim Bau verhindert werden. Auch der Tierschutzbund wird eingebunden. Sigurd Peitz.
    "Es ist jetzt so, dass seit rund eineinhalb Jahren es vom Land einen Erlass gibt, dass Genehmigungsbehörden, immer dann, wenn im landwirtschaftlichen Bereich Tiere gehalten werden, die anerkannten Tierschutzverbände zu informieren sind. Und dann ist es so, wenn dann Argumente vorgetragen werden, dann setzen wir uns selbstverständlich damit auch auseinander."
    Der Deutsche Tierschutzbund hat jedoch grundsätzliche Bedenken, die nicht nur für diesen Stall, sondern für die Putenhaltung insgesamt in Deutschland gelten, sagt sein Sprecher Marius Tünte.
    "Es ist bei Puten grundsätzlich so, dass wir kaum gesetzliche Regelungen haben. Anders als bei Masthühnern und Mastschweinen gibt es eher so freiwillige Elemente, und eben nur ganz allgemeines Tierschutzgesetz. Und dagegen verstößt aus unserer Sicht die Putenhaltung grundsätzlich, weil die Tiere viel zu wenig Platz haben und auch die Zuchtlinie ist völlig überzüchtet. Wenn dann noch eine schlechte Haltung dazu kommen, wenige Beschäftigungsmöglichkeiten, dann ist das aus unserer Sicht tierschutzwidrig."
    Fünf Hennen eng gedrängt auf einem einzigen Quadratmeter seien allgemein in der Putenhaltung üblich, so der Tierschutzbund. Die Züchtung auf Brustmuskelfleisch werde den Tieren zur Qual. Dies sei nach der Selbstverpflichtung der Geflügelwirtschaft erlaubt. Den Einwänden der Tierschützer widerspricht der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft. Allerdings kann auch er nicht bestreiten, dass es keine verbindlichen gesetzlichen Regelungen für die Putenhaltung gibt.
    Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel will die Nutztierhaltungsverordnung ändern. Im Rahmen einer Bundesratsinitiative. Puten sollen mehr Platz bekommen. Veterinäre sollen die Bestände regelmäßig kontrollieren, der Halter soll überprüft werden. Besonders, wenn es Anzeichen von Kannibalismus durch Federpicken geben sollte, denn die Folgen können tödlich sein, erläutert Dr. Lars Schrader vom Friedrich-Löffler-Institut.
    "Die Haut wird verletzt, sie fügen sich tiefe Wunden dann teilweise zu, sie verfolgen sich auch. Wir beobachten anders als bei Legehennen das Picken auch an der Kopfregion, was auch zum Verenden der Tiere führt."
    Dafür werden den Puten noch die Schnäbel gekürzt. Nicht artgerecht, sagen Tierschützer. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat im Juli eine Initiative gegen das Schnäbelkürzen ergriffen. Im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung mit der Geflügelwirtschaft.
    "Das Schnäbelkürzen ist ein sogenannter nichtkurativer Eingriff, er ist für das Tierwohl per se nicht notwendig, um das Tier zu heilen. Es ist eine Frage, die mit der Haltung zu tun hat. Und deswegen halte ich diesen Eingriff in das Tierwohl für einen, der möglichst vermieden werden sollte."
    Den Tierschützern geht das nicht weit genug. Allerdings schließt auch der Minister eine gesetzliche Regelung zur Putenhaltung nicht grundsätzlich aus. Die Geflügelwirtschaft will bei den Puten erst etwas ändern, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Genau wissen Halter und Wissenschaftler bisher tatsächlich nicht, was im Falle der Puten wirklich artgerecht ist, so Lars Schrader.
    "Wir wissen aus eigener Untersuchung, dass eine Beschäftigung von Puten alleine nicht ausreicht, dieses Beschädigungspicken zu vermeiden. Wir planen auch Untersuchungen zu machen, dass die Ställe durch eine bessere Strukturierung, die dann einzelnen Puten mehr Rückzugsmöglichkeiten bietet, dieses Beschädigungspicken zusätzlich vermieden werden kann."
    Solange bis es gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse und eine von der Geflügelwirtschaft geforderte EU-weite Regelung über die Putenhaltung gibt, will der Deutsche Tierschutzbund allerdings nicht warten. Marius Tünte.
    "Das ist eine Sache, wo die Politik gefordert ist. Puten haben keine Lobby in Deutschland. Und deswegen ist es auch für uns so wichtig, auf verschiedenen Kanälen aktiv zu werden. Unter anderem mit der Verbandsklage."