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Mehr Selbstbestimmung und Verantwortung

In der Sophie-Scholl-Gesamtschule in Wennigsen bei Hannover haben Schüler in einem Modellprojekt über Teile ihres Schulbudgets abgestimmt. Im Vorfeld konnten sie im Internet eigene Vorschläge diskutieren. Idee der Initiative ist es, Jugendliche mit demokratischen Prozessen vertraut zu machen.

Von Susanne Schrammar | 18.12.2012
    "Du stellst Dich in die Reihe und brauchst einen Stift, dann bekommst Du einen Zettel und Du kannst maximal drei Vorschläge ankreuzen, wenn Du mehr ankreuzt, dann ist der ungültig."

    Aufregung liegt in der Luft. In langen Schlangen drängeln sich die Schüler vor den Wahlkabinen in der Pausenhalle. Drei Kreuze, dann kommt der Stimmzettel in die grauen Tonnen, die kurzerhand zu Wahlurnen umfunktioniert wurden. Wovon Politiker sonst nur träumen, ist hier Wirklichkeit: eine fast hundertprozentige Wahlbeteiligung. In der Sophie-Scholl-Gesamtschule in Wennigsen bei Hannover wird heute über den sogenannten Schülerhaushalt abgestimmt. Auch Tim und Felix, 18 und 14 Jahre alt, haben sich in die Schlange gestellt.

    Tim: "Ist auf jeden Fall eine richtig gute Sache, weil bisher haben Schülerinnen und Schüler ja nicht die Möglichkeit gehabt, demokratisch mitzuwirken, beim Prozess in der Schule etwas umzusetzen."

    Felix: "Und ich denke, das ist auch eine gute Chance, um den Lehrern zu zeigen, wir wollen uns engagieren, wir wollen etwas für die Schule tun – ich meine, die Schüler müssen hier in die Schule gehen, dann muss es denen hier auch gut gefallen."

    Als eine von bundesweit zwei Modellkommunen lässt die Gemeinde Wennigsen Schüler entscheiden, wie ein Teil des Schulbudget ausgegeben werden soll. 7000 Euro umfasst der sogenannte Schülerhaushalt, den der Gemeinderat zur Verfügung stellt. Seit Anfang des Monats konnten die mehr als 1000 Jungen und Mädchen der Sophie-Scholl-Schule Vorschläge für die Verwendung einreichen und diese im Internet diskutieren. Schulleiterin Annette Harnitz:

    "Alle Schüler konnten sehen, wie viel Bewegung sich im Internet entwickelte, konnten auch beeinflussen, kommentieren. Und jetzt vorm Urnengang wurden Druckfassungen ausgehängt und das Wählen an sich läuft hier vor Ort manuell. Und die Vorschläge sind sehr vielfältig."

    Die Resonanz, erzählt die Schulleiterin, sei außerordentlich groß gewesen, mehrere hundert Schüler haben sich an der Diskussion im Internet beteiligt, 26 Vorschläge kamen am Ende zusammen: Die einen wünschen sich Spinde mit Schlössern, andere möchten die Cafeteria vergrößern oder Whiteboards statt Tafeln in den Klassenzimmern sehen. Auch über die Einführung von Schuluniformen, neue Sportgeräte oder Aufenthaltsräumen durften die Schüler heute abstimmen.

    "Antonia und ich haben zusammen den Vorschlag gemacht, eine Knutschhütte zu errichten – steht auf dem Schulgelände, man muss nicht unbedingt darin knutschen, aber man könnte sich aber darin in den Pausen aufhalten."

    "Die Sanitäranlagen sind schon relativ alt und da, finde ich, wäre es vielleicht eine gute Idee, die Sanitäranlagen mal wieder zu erneuern. MÄDCHEN: Also, ich hab vorgeschlagen, in der Pausenhalle neue Sitzmöglichkeiten zu bauen, wieder schönere, weil die sind ja sehr beschädigt und bemalt."

    "Ich wollte neue Tischtennisplatten haben – denk, die Chancen stehen ganz gut."

    Das Konzept zum Modellprojekt "Schülerhaushalt" hat die Bertelsmann-Stiftung erarbeitet. In den nächsten Monaten sollen weitere Kommunen daran teilnehmen. Der Grundgedanke, sagt Projektleiter Alexander Koop, sei es, den Kindern und Jugendlichen in einem demokratischen Prozess Macht zu geben, selbst etwas zu entscheiden und dadurch Demokratie kennen zu lernen.

    "Die Schüler machen selbst Vorschläge, sie stimmen selber darüber ab, welches ihre Favoriten sind, sie arbeiten diese selber auch aus, mit der Verwaltung, also was wie umgesetzt werden soll, wie sie sich das vorstellen und sie gehen auch in die Diskussion mit Rat und Verwaltung um die Umsetzung ihrer Vorschläge – bis hin, dass sie die Umsetzung auch selber beauftragen und begleiten. Also, ein vollständiger Prozess."

    Dass die Gemeinde Wennigsen am Schülerhaushalt teilnimmt, hat sie ihrem parteilosen Bürgermeister zu verdanken. Christoph Meineke setzt sich seit Jahren für mehr Bürgerbeteiligung ein und hofft, dass die Schüler dabei merken, wie viel Spaß es machen kann, in der Gemeinde etwas mitzugestalten. Er verspricht, die Politik werde die Vorschläge der Schüler ernst nehmen. Denn auch wenn die Schüler mitentscheiden, das letzte Wort hat der Rat der Gemeinde.

    "Was am Anfang steht, ist natürlich die Prüfung, was kostet es tatsächlich, welche Umsetzungszeiträume gibt es – mir liegt aber sehr daran, es so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen, dass auch die Schüler sehen: Ja, es passiert was!"