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Occupy the World - Aufstand der Empörten

Ob in Tunesien, Griechenland, Israel oder den USA - weltweit demonstrieren Menschen gegen die Finanz- und Sozialpolitik ihrer Regierungen. Ob die Protestbewegung auch in Deutschland angekommen ist, wird sich zeigen.

Von Jeanette Seiffert unter Mitarbeit von Claudia Sarre und Andreas Noll | 14.10.2011
    Ein Spot auf der Videoplattform "Youtube": Zu sehen sind Bilder von der tunesischen Revolution, vom Tahrir-Platz in Kairo; Protestcamps in Spanien und Griechenland, die Zeltstadt im Herzen Tel Avivs. Wütende Demonstranten in der New Yorker Wall Street. Im Internet, in den sozialen Netzwerken kursieren Dutzende Videos dieser Art: Aufrufe für einen weltweiten Aktionstag, der morgen unter dem Motto "Occupy the World", "Besetzt die Welt", stattfinden soll – in Anlehnung an die "Occupy Wall Street"-Proteste in New York.

    Der 15. Oktober, so hoffen die Aktivisten, soll zum Startschuss werden für eine neue globale Bewegung. "Wir sind die 99 Prozent!" - das ist mittlerweile so etwas wie der inoffizielle Schlachtruf der "Occupy-Proteste", und das soll heißen: Wir lassen nicht länger zu, dass 99 Prozent der Bevölkerung unter den Folgen der Finanzkrise leiden, während sich ein Prozent – die Reichen – die Taschen vollmacht. Und immer wieder heißt das Schlagwort: Empört euch!

    Quasi das Urheberrecht darauf hat ein Mann, den man mit seinen stolzen 93 Jahren eigentlich eher auf dem Altenteil denn an der Protestfront vermutet: Stéphane Hessel, französischer Schriftsteller und ehemaliger Widerstandskämpfer gegen das Naziregime. "Indignez-vous", "Empört euch!", ist der Titel eines schmalen Bändchens, das vor einem Jahr erschien und sich erst in Frankreich, dann weltweit millionenfach verkaufte. In unzähligen Interviews und Fernsehauftritten predigt er seitdem den gewaltlosen Widerstand – wie hier im Deutschlandfunk:

    "Daher ist es richtig, sich zu empören und zu sagen: Weiter so geht es nicht. Wir müssen mehr Gerechtigkeit schaffen, und wir müssen uns um die Natur und die Erde beschäftigen."

    Auch wenn Hessel in seinem Pamphlet eher im Ungefähren bleibt und über Allgemeinplätze kaum hinauskommt, wird seine Schrift rasch zu einer Art Bibel für die heranwachsende Jugendbewegung. Er scheint einen Nerv getroffen zu haben. "Die Empörten" nennen sich die Demonstranten, die ab Frühjahr in Spanien, auf dem zentralen Platz "Puerta del Sol" im Herzen Madrids, für das Recht auf Wohnung und Arbeit demonstrieren; auch die griechischen, französischen und portugiesischen Ausläufer der Bewegung berufen sich auf Hessel.

    "Das Spannende daran ist, dass es tatsächlich eine globale Entwicklung ist. Also jetzt nicht, dass wirklich jedes Land davon ergriffen ist, aber dass wirklich ausgehend vom arabischen Frühling sich viele Länder haben davon anstecken lassen und auch ähnliche Formen benutzen, und auch ähnliche Themen auf die Straße bringen."

    Meint Simon Teune, Soziologe am Berliner Wissenschaftszentrum – und sieht in dieser globalen Ausrichtung sogar eine Parallele zur Studentenbewegung von 1968. Heute allerdings organisiert sich der Protest nicht in den Hörsälen, sondern vor allem im Netz: Beim sozialen Netzwerk "Facebook" haben sich mehrere tausend Interessierte auf der Seite "Occupy Germany" versammelt. Daneben gründen sich fast stündlich lokale Seiten aus allen Gegenden Deutschlands: "Occupy Bochum" gibt es ebenso wie "Occupy Sylt".

    Immer wieder berufen sich die Aktivisten dabei auf die Aufstände in der arabischen Welt, auf die Jasmin-Revolution in Tunesien, die Proteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo, die schließlich die Despoten Ben Ali und Mubarak aus ihren Ämtern fegten.

    Auch im Arabischen Frühling diente das Internet als wichtiger Katalysator für die Protestbewegung. Schon Monate bevor der Zorn der Massen auf Tunesiens Straßen für alle Welt sichtbar wird, verlangten junge Blogger und Internetaktivisten Meinungsfreiheit und politische Teilhabe:

    "Die sozialen Netzwerke waren sehr, sehr wichtig. Sie haben die Organisation der Proteste ermöglicht und sind somit über die Rolle der klassischen Medien hinausgegangen. Aus ihnen sind die Ideen der Revolution entstanden – sie haben sie dann verbreitet. So wurden aus sozialen Protesten politische Aufstände mit dem Ziel, Ben Ali aus dem Amt zu jagen. Das gelang dank Facebook und den sozialen Medien. Die Menschen wurden in Echtzeit informiert und miteinander verbunden. Das hat ein gemeinsames Bewusstsein geschaffen."

    Für Slim Amamou – nach der Revolution zeitweise Mitglied der tunesischen Übergangsregierung - und andere prominente Blogger ist der 22. Mai 2010 der eigentliche Startschuss zur Revolution in Tunesien. Als das Regime die ohnehin rigide Internetzensur im Land auf Hunderte von Blogs, Nachrichten- und Videowebseiten ausdehnt, organisieren sie via Internet eine friedliche Großdemonstration in Tunis. Als sich ein arbeitsloser Gemüsehändler im Dezember 2010 aus Protest selbst anzündet, entsteht in Tunesien eine landesweite Empörungswelle.

    Vom Ausland weitgehend unbemerkt bildet sich auch in Ägypten eine Protestbewegung. Auch sie kennt mit dem 6. Juni 2010 ein symbolisches Datum. Polizisten in Zivil nehmen an diesem Tag den 28 Jahre alten Blogger und Computerspezialisten Khaled Said in einem Internetcafé in Alexandria fest. Noch bevor man den jungen Mann verhört, schlagen ihn die Beamten brutal zusammen – am selben Tag erliegt Said seinen Verletzungen. Die Nachricht vom Tod des Bloggers verbreitet sich wie ein Lauffeuer durch das Land – via Internet. Auf Youtube tauchen selbst produzierte Videos mit angeblichen Bildern der Leiche Khaled Saids auf – untermalt mit Trauermusik.

    Schon einen Tag nach seinem Tod formiert sich in Alexandria der erste Protestmarsch. Auf Facebook entsteht die Seite "Wir sind alle Khaled Said" – die schnell auf mehr als eine Million Unterstützer anwächst. Im Januar 2011 ist es auch diesen Netzaktivisten zu verdanken, dass der revolutionäre Funke von Tunesien auf Ägypten überspringt. Nach dem Sturz der Machthaber in Tunesien und Ägypten konzentrieren sich die Proteste nun auf die Rolle der alten Eliten, die anstehenden Wahlen, aber auch auf die wirtschaftliche Lage. Wenn Busfahrer, Lehrer oder Ärzte in Ägypten in diesen Tagen auf die Straße gehen, steht häufig die Forderung nach einem Mindestlohn auf ihren Transparenten. In Tunesien scheint der politische Druck, organisiert im Netz und ausgetragen auf den Straßen, erlahmt zu sein.

    Dafür beginnt sich in mehreren europäischen Hauptstädten Widerstand zu regen. Ausgehend von den Jugendprotesten in Griechenland, die den Hiobsbotschaften von den Finanzmärkten folgten, springt der Funke am 15. Mai auch auf Spanien über. Die Organisation "Democracia Real Ya!", "Echte Demokratie jetzt!", ruft zu einer Demonstration auf. An einem einzigen Sonntag gehen landesweit mehr als 100.000 Menschen auf die Straße. Der gewaltige Zuspruch überrascht alle, auch die bis dahin völlig unbekannten Veranstalter: Die Geburtsstunde der nach diesem Tag benannten Bewegung "15-M". Den Demonstranten geht es nicht, wie den Menschen in der arabischen Welt, um einen Sturz ihrer Regierungen: Sie fordern eine tief greifende Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie als zutiefst ungerecht empfinden. Fabio Gándara, Sprecher von Echte Demokratie Jetzt!:

    "Als Europa sich vom Zweiten Weltkrieg erholte, war der Kontinent ruiniert, aber da wurden die Sozialsysteme für die Bürger aufgebaut. Jetzt machen die europäischen Unternehmen immer neue Rekordgewinne, aber die Politiker wollen uns erzählen, dass kein Geld da ist für die Renten, für Krankenhäuser, für die Erziehung und Bildung unserer Kinder. Das ist ein Betrug!"

    Es finden sich besonders viele Menschen wie Fabio Gandara auf den Plätzen: Jung, gut ausgebildet – und sehr wütend. Es eint sie das Gefühl, dass vor allem sie es sind, die in der Krise unter die Räder geraten. Sie empfinden sich als "verlorene Generation", als diejenigen, die für immer unsicherere Jobs immer weniger Geld bekommen – oder die nach Ausbildung und Studium gar keine Anstellung finden. Die Zahlen geben ihnen Recht: Im Frühjahr liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien bei 43 Prozent, in Griechenland, Irland und Italien um 30 Prozent. Und viele von denen, die Arbeit haben, schlagen sich mit befristeten Verträgen oder gleich mehreren Jobs durchs Leben. Das Phänomen der "Working poor", das man vor allem aus den USA kennt - jene Arbeitnehmer also, die zwar zu tun haben, davon aber nicht leben können - ist in Europa angekommen. Und aus Sicht der Demonstranten schaut die Politik tatenlos zu:

    "Die Politiker regieren nur noch irgendwelche abstrakte Finanzmärkte, für Spekulanten und Konzerne, nicht für die, von denen sie gewählt worden sind. In Spanien haben wir zudem eine zutiefst korrupte politische Klasse und ein ungerechtes Wahlsystem, das kleine Parteien benachteiligt. Darum schreien wir hier unsere Empörung in den Himmel. Wir brauchen eine ethische Revolution."

    So unterschiedlich die Schauplätze auch sein mögen: In der Forderung nach einer "ethischen Wende" sieht auch Soziologe Simon Teune ein wichtiges verbindendes Element:
    "Ich glaube, was die Proteste im arabischen Raum vereint mit denen, die wir in den letzten Monaten in Südeuropa und auch jetzt in den USA beobachten, ist, dass es eine Rückbesinnung auf die menschliche Würde gibt. Das eine waren autoritäre Systeme im arabischen Raum. In den liberalen Demokratien herrscht die Meinung vor, dass die Politik den Kompass verloren hat für die menschliche Würde, dass das eine nachgeordnete Rolle spielt und eben die Stabilisierung der Finanzmärkte die absolute Priorität hat."

    Manchmal sind es kleine Anlässe, die große Proteste auslösen – und immer schwingt dabei das Motiv der "Würde" mit. In Israel ist es einfacher Hüttenkäse, der zum Auslöser für Sozialproteste wird – just nach dem Muster des arabischen Frühlings. Genauer sind es die Preise für den Käse, die sich innerhalb kurzer Zeit verdoppeln. Schuld sind Kartelle von Unternehmen. Zehntausende Menschen gehen auf die Straßen und Plätze, in Tel Aviv besetzen hunderte Aktivisten den Rothschild Boulevard, campieren wochenlang in Zelten. Sie wollen ein Zeichen setzen gegen die soziale Schere, die sich auch in Israel immer weiter öffnet und Arm und Reich immer weiter auseinander driften lässt: Die Wirtschaft wächst, derzeit über fünf Prozent pro Jahr - aber die Bevölkerung profitiert nicht davon: Im Gegenteil, die Gehälter sinken, und damit der Lebensstandard.

    Die 26-jährige Daniella Nathaly Kind ist ausgebildete Tanztherapeutin und muss dennoch bis zu sieben Jobs parallel ausüben, um sich über Wasser zu halten:

    "Es geht nicht auf, wenn ich 30 Schekel, also sechs Euro die Stunde verdiene, und die Äpfel kosten 19 Schekel, um die drei Euro. Man muss kein Mathegenie sein, um zu sehen, dass da etwas nicht stimmt. Man kann nicht ständig Preise erhöhen, wenn man nicht auch die Löhne erhöht. Schau, in diesem Appartement habe ich mit meinem Exfreund gelebt: Es ist wirklich ein kleines Appartement, ohne Wohnzimmer. Es hat wohl die kleinste Küche Tel Avivs. Und auch da gibt es eine kleine Verschwörungstheorie: dass die Küchen deshalb so klein sind in Tel Aviv, dass wir darin nicht kochen können und deshalb ausgehen müssen. Und das hat uns rund 7000 Schekel, rund 1300 Euro gekostet. Es ist nicht nur die Miete oder das Geld für Bildung oder Gesundheit. Es zeigt, dass die Arbeit dieser Regierung und die Wirtschaft nicht funktioniert. Wir wollen etwas anderes, ein soziales Land."

    Geht es also vielleicht doch nur um reine Verteilungskämpfe? Darum, sich angesichts knapper werdender finanzieller Ressourcen einen Teil des Kuchens zu sichern? Oder steckt etwas anderes, tiefer Gehendes hinter den Protesten? Der Soziologe Simon Teune jedenfalls sieht ein Muster, das überall sichtbar wird, eine Stoßrichtung, die über das rein Wirtschaftliche hinaus geht: Der Wunsch nach mehr Teilhabe.

    "Was der arabische Frühling ausgelöst hat in den Menschen, die von der Krise betroffen sind im Westen, ist, dass sie sich sehr angespornt haben von dem Mut, der da zu sehen gewesen ist. Das ist eine enorme Energie, die in Spanien zuerst aufgenommen worden ist und die dann ja auch in den Platzbesetzungen übernommen worden ist. Die Idee, dass man sich den öffentlichen Raum wiedererobert."

    Ein Symbol für diese Rückeroberung des öffentlichen und damit auch des politischen Raums: Die roten Sofas auf dem Rothschild-Boulevard, die einige der Demonstranten aufgestellt haben. Die Innenstadt wird zum Wohnzimmer, in dem es sich die Okkupanten bequem machen.

    "Es ist unglaublich, dass es jeden Tag größer und auch kreativer wird. Jeder hat was zu sagen, macht dies auf seine Weise. Es ist, als ob die Leute nur auf die Gelegenheit gewartet haben, aus ihren Wohnungen zu kommen und hier ein neues Zuhause zu schaffen."

    Eine ähnlich Symbolik geht auch von den "Occupy Wall Street"-Protesten in den USA aus. Von jener Bewegung also, die jetzt das Vorbild abgibt für die Proteste, die am Wochenende weltweit geplant sind.

    Beendet den Krieg, besteuert die Reichen – wir sind die 99 Prozent… - skandieren die Demonstranten. Seit fast vier Wochen campiert der harte Kern im Zucotti-Park in der Nähe der Wall Street, bestens ausgerüstet mit Feldküche, Laptops und mobiler Presseabteilung. Aus der zunächst kaum wahrgenommenen Initiative formierte sich eine riesige Bewegung. Mittlerweile hat sie sich auf viele andere amerikanische Städte ausgedehnt. Doch wer sind diese Menschen, die so plötzlich ihrer Wut Luft machen über Perspektivlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt und die sich rapide verschlechternden sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen?

    "Ich denke, es ist die Mittel- und die Arbeiterklasse. Die Leute, die sich durch die Finanzkrise gekämpft haben und sich nicht davon erholen bei der momentanen Wirtschaftslage. Wir kämpfen so hart. Das wird weder von den Linken noch von den Rechten zur Kenntnis genommen."

    Klagt der Umwelt- und Friedensaktivist Justin Weeder. Eine derartige Protestwelle habe es in den USA bislang so noch nicht gegeben, meint der Soziologe Stephen Duncombe von der New York University - eine ideologisch, demografisch und politisch unglaublich vielfältige Ansammlung von Leuten. Dass sie keine klaren Forderungen stellten, geschweige denn ein politisches Programm vorzuweisen hätten, sei der Bewegung nicht vorzuwerfen: Im Gegenteil, sagt der Uni-Professor, gerade darin liege ihre Stärke.

    "Weil eine Bewegung, die keine verbindlichen Forderungen stellt, allen offensteht, die sonst vielleicht abgeschreckt würden. Dies ist eine neue Form der Artikulation. Noch wissen wir nicht, was dabei herauskommt, aber ich denke, das ist erst der Anfang."

    Der amerikanische Traum ist vorüber – steht auf einem Transparent. Tatsächlich hat ein großer Teil der US-Bevölkerung das Vertrauen in die Zukunft verloren und erwartet Lösungen von der Politik. Welche Rolle diese neue Bewegung im politischen Amerika spielen wird, kann auch Stephen Duncombe nicht vorhersagen. Am morgigen weltweiten Day of Rage – am Tag der Wut – sind zahlreiche Protestaktionen in ganz Manhattan geplant. Die Wall-Street-Gegner organisieren unter anderem eine riesige Massen-Tanzparty.

    Keine klare politische Richtung und Agenda, keine festen Organisationsstrukturen, keine Führungsfiguren: Das kennzeichnet auch die deutschen Ableger. Zwar wollen sich das globalisierungskritische Netzwerk "Attac", die Netzrebellen "Anonymous" und die Gewerkschaft Verdi an den Aktionen beteiligen: Dennoch ist es schwer, die Bewegung zu verorten; einzuschätzen, wohin sie treiben könnte, ob sie Bestand hat und langfristige Veränderungen hervorrufen könnte. Und so hoffen die vielen einzelnen Organisatoren und kleinen Grüppchen hier in Deutschland, dass die Aufrufe im Internet am Wochenende möglichst viele Menschen auf die Straßen und Plätze treiben.

    "Inside this Room, all my dreams become reality…” ("I have a dream")"
    Diese Hoffnung könnte jedoch ins Leere gehen. Bisher jedenfalls gibt es noch keine eindeutigen Anzeichen, dass die Proteste in aller Welt auch auf Deutschland ausstrahlen. Und das, obwohl sich die Krisensymptome längst auch hier zeigen, trotz positiver Wirtschaftsdaten: Die Zunahme von Leiharbeit und befristeten Verträgen, Reallohneinbußen, steigende Gesundheitsabgaben. Kurz: Immer prekärere Lebensumstände und fehlende Perspektiven, gerade für junge Leute. Aber diese Symptome würden noch nicht als gemeinsames Problem wahrgenommen, gegen das man vereint vorgehen kann, meint der Protestforscher Simon Teune. Und er sieht noch einen weiteren Grund, warum man in Deutschland zwar gegen Bahnhöfe, Windräder oder Atomkraft, aber nicht unbedingt gegen soziale Missstände demonstriert: Die Proteste gegen die Hartz-Gesetze 2004, die zwar ausdauernd waren und viel Zulauf hatten, aber von der Regierung Schröder seinerzeit fast vollständig ignoriert worden sind:

    ""Das ist eine Erfahrung, die sehr lange noch nachwirkt und die die Menschen im Grunde genommen auch entmutigt, bei solchen Themen auf die Straße zu gehen. Sozialpolitik ist kein Thema, mit dem man in Deutschland Menschen auf die Straße bringen kann bis jetzt. Aber wer weiß, wie sich das entwickelt – das muss nicht für immer so sein, ich bin gespannt, was am Wochenende jetzt passiert."