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Philippinische Journalistin Maria Ressa verurteilt
"Wir stehen am Abgrund"

Die philippinische Journalistin Maria Ressa ist wegen Verleumdung verurteilt worden. Grundlage dafür war ein Gesetz gegen Cyberkriminalität, in dem viele einen Eingriff in die Pressefreiheit sehen. Ressa ist Leiterin der Nachrichtenwebsite "Rappler" und eine der prominentesten Kritikerinnen von Präsident Duterte.

Von Lena Bodewein | 15.06.2020
Die philippinische Journalistin Maria Ressa 2018 während einer Demonstration für Pressefreieheit in Manila
Die "Rappler"-Chefredakteurin Maria Ressa war fast zwei Jahrzehnte lang leitende Investigativreporterin für CNN in Südostasien (imago / Richard James Mendoza)
"An alle Filipinos: Es geht hier nicht nur um 'Rappler', nicht nur um unseren Fall, sondern um euch und uns alle", sagte die Journalistin Maria Ressa, nachdem sie wegen Verleumdung verurteilt worden war: "Denn die Pressefreiheit ist das Fundament jedes einzelnen Rechtes, das wir als Bürger der Philippinen haben."
Gemeinsam mit einem Reporter war Ressa angeklagt gewesen, einen Geschäftsmann verleumdet zu haben. Der Artikel hatte aus einem Geheimdienstbericht zitiert, der den Unternehmer mit Mord und Drogenhandel in Verbindung brachte; erschienen war der Text schon 2012.
Das Gesetz zur Bekämpfung von Cyberkriminalität, aufgrund dessen Ressa angeklagt war, ist erst danach erlassen worden.
Langjähriger Kampf gegen Fake News
"Wir stehen am Abgrund. Wenn wir fallen, sind wir keine Demokratie mehr. Ich habe unter Suharto in Indonesien gearbeitet, unter Deng Xiaoping in China: Da sind die Regeln klar, wenn man in diesem Graubereich zu weit geht, wirst du fertiggemacht. Lasst uns nicht dieses Spiel spielen. Sind wir eine Demokratie oder nicht? Lasst uns unsere Arbeit tun!"
So sagte Ressa heute nach dem Urteilsspruch. Zwanzig Jahre lang hat sie für den Nachrichtensender CNN an vielen Orten in Asien als Investigativjournalistin gearbeitet, und sie hat dabei Erfahrungen gesammelt, die sie in ihrem Heimatland eigentlich nicht wiederholt sehen möchte.
"We will hold the line" - "wir halten die Stellung", so lautet ihr Schlachtruf. Für ihren Kampf gegen "Fake News" wurde sie eine der Personen des Jahres 2018 für das "Time Magazine".
Vier Cover des "Time Magazine" zeigen Journalisten und Journalistinnen, die 2018 als "guardians and the war on truth" zur "Person of the Year" ernannt wurden: Jamal Khashoggi (oben links), Mitglieder der "Capital Gazette" aus Annapolis (oben rechts), Wa Lone and Kyaw Soe Oo (unten links) und Maria Ressa (unten rechts) .
Das "Time Magazine" zeigte 2018 verfolgte Journalisten als "Person of the Year" auf seinem Cover, darunter auch Maria Ressa (unten rechts) (AP / Time Magazine)
Im Internet bedroht und beschimpft
Als sie die Nachrichtenwebsite "Rappler" mitgründete, machten sie sich das Internet mit all seinen Möglichkeiten zunutze, Videos, Audios, Verbreitung über soziale Medien. Als Rodrigo Duterte zum Präsidenten gewählt wurde und seinen blutigen Anti-Drogen-Krieg begann mit Tausenden von Toten, nahmen sie sich vor, furchtlos zu berichten: von Menschenrechtsverletzungen, von der Verdrehung von Fakten, von Lügen, versteckter Propaganda.
Sie erzählte einmal: "Ich habe keine Angst, es Lügen zu nennen. Aber du kommst so schwer dagegen an – es ist, als würde er sagen: Gelb ist blau. Wie willst du gegen jemanden kämpfen, der versucht andere zu überzeugen, dass Gelb Blau ist."
Duterte tut "Rappler" als Fake News ab, finanziert von amerikanischen Konzernen, um den Philippinen zu schaden. Und im Netz wird Maria Ressa bedroht und beschimpft als Hure, Hündin, Schlange - und viel Schlimmeres.
"Sie wollen dich einschüchtern, schikanieren, und das Ziel ist natürlich, dass wir leiser werden, aufhören damit, ihre Lügen aufzudecken", erzählte Ressa. "Aber ich habe nichts zu verstecken, ich habe nichts falsch gemacht. Und ich bin entschlossen, die Regierung herauszufordern. Ich entlasse sie nicht aus ihrer Verantwortung."
Öffentlichkeitswirksame Festnahme
Wegen Steuerhinterziehung wird gegen Ressa ermittelt, dann wurde der regierungskritischen Website die Lizenz entzogen.
Nach dem Lizenzentzug für die Website Rappler gingen die Menschen in Manila auf die Straße.
Medienverbot auf den Philippinen - Kampfansage an die Pressefreiheit
Auf den Philippinen hat der Entzug der Lizenz für das Onlineportal "Rappler" für Proteste gesorgt. Die Macher der Seite werfen Präsident Duterte systematisches Vorgehen gegen kritische Journalisten vor.
Die zuständige Börsenaufsicht sagte, "Rappler" habe gegen Beschränkungen bezüglich Kapitals aus dem Ausland verstoßen. Und schließlich kam die Anklage wegen Verleumdung. Im Frühjahr vergangenen Jahres wurde Ressa öffentlichkeitswirksam in der Redaktion festgenommen.
"Ich finde es toll, dass ich im Laufe eines Jahres eine Kriminelle geworden bin", so scherzt sie nach dem Gerichtsspruch. Aber vor allem will sie weiter für die Pressefreiheit kämpfen. Ihre Anwälte gehen in Berufung. Und ihr Schlachtruf gilt noch immer: "My name is Maria Ressa. We are Rappler. And we will hold the line."