Montag, 06. Mai 2024

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Promotionen
Bessere Noten liegen im Trend

Summa cum laude - diese Auszeichnung für eine Promotion wird offenbar immer häufiger vergeben. Anna Tschaut vom Promovierendennetzwerk THESIS wirft deshalb die Frage auf, ob ein Benotungssystem für Promotionen überhaupt sinnvoll ist: "Das können wir nicht auf kleine Punktwerte hinunterbrechen."

Anna Tschaut im Gespräch mit Benedikt Schulz | 05.08.2015
    Zwei Studierende mit Doktorhut und Talar während ihrer Graduation an der Uni
    Kann man die Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten überhaupt benoten? (picture alliance / dpa / Alaa Badarneh)
    Benedikt Schulz: Was ist ein Einser-Abi-Schnitt eigentlich noch wert? Diese Frage wird ja regelmäßig gestellt, weil die Anzahl an Höchstnoten in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Und der Trend zu immer besseren Noten macht ja auch vor der Hochschule nicht Halt. Dass die Abschlussnoten auch dort immer besser werden, darauf hat vor Jahren ja schon der Wissenschaftsrat hingewiesen.
    Und jetzt auch das noch: Selbst bei den Promotionen wird die Traumnote summa cum laude anscheinend immer häufiger vergeben, das berichtet heute die "Süddeutsche Zeitung" und greift dabei auf Zahlen zurück, die das Berliner Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung, kurz IFQ, zusammengestellt hat. So ganz richtig ist es nicht! Zwar ist der Gesamtanteil in den vergangenen zehn Jahren gestiegen, von circa zwölf auf sechzehn Prozent, aber zuletzt blieb er sogar einigermaßen stabil und in manchen Fachbereichen ging er sogar leicht zurück.
    Viel dramatischer sind nach Angaben des IFQ aber die Unterschiede zwischen den Standorten, zum Beispiel bei den Wirtschaftswissenschaften. Dort liegt der Anteil an manchen Hochschulen bei über 70 Prozent, bei anderen dagegen bei unter zehn. Und durch qualitative Unterschiede an den Hochschulen lässt sich das kaum noch erklären. Am Telefon ist Anna Tschaut, sie ist die Bundesvorsitzende des Promovierendennetzwerks THESIS, ich grüße Sie!
    Anna Tschaut: Guten Tag, Herr Schulz!
    Summa cum laude: eine Traumnote wird Alltag
    Schulz: Sie haben Ihre Doktorarbeit schon geschrieben. Muss ich mich eigentlich anstrengen für ein summa cum laude oder muss ich eigentlich nur die richtige Hochschule wählen?
    Tschaut: Also, ich gehe schon davon aus, dass Sie sich nicht nur für ein summa cum laude, sondern generell zum Abschluss einer Promotion anstrengen müssen. Und natürlich auch, wenn Sie eben eine besonders herausragende Arbeit leisten möchten, liegt der Hauptteil sicherlich in der Person und ihrer Anstrengung für diese Arbeit.
    Schulz: Aber wie erklären Sie sich trotz alledem die Unterschiede zwischen den Standorten?
    Tschaut: Das ist relativ schwer zu erklären. Eine ganz klare Antwort auf diese Unterschiede habe ich nicht. Das Einzige, was man vielleicht generell sagen könnte, ist, dass offensichtlich in den letzten Jahren eben spezifische lokale Faktoren einen stärkeren Einfluss darauf gewonnen haben, sei es, dass da vielleicht Differenzen in den einzelnen Fächern stärker zum Tragen kommen oder eben doch auch Einflüsse der Institutionen selber eine Rolle spielen. Im positiven und vielleicht auch manchmal in einem negativen Ausdruck.
    Schulz: Sagen Sie das mal konkret, was kann das zum Beispiel im negativen Sinne konkret heißen?
    Tschaut: Ja, also negativ in dem Sinne - wofür ich jetzt zwar keine ganz konkreten Belege habe, aber was durchaus denkbar wäre -, dass es möglicherweise an verschiedenen Institutionen Anreize gibt, Promovierende möglichst gut abschneiden zu lassen. Wobei man dazu sagen muss, grundsätzlich ist das mit Sicherheit kein empfehlenswertes Vorgehen, weil für die Reputation der Institution so was ziemlich schnell zum Bumerang werden kann, wenn die Promovierten dann später eben dieses Niveau doch nicht halten können, was ja eigentlich mit der Note der Promotion ausgedrückt werden soll.
    Positiv betrachtet könnte tatsächlich ein Einfluss vorliegen im Sinne von, dass die Institutionen unterschiedliche Rahmenbedingungen für die Promotionen haben und dadurch dann entsprechend auch andere Bewertungen am Ende rauskommen.
    Wie sinnvoll sind Noten für Promotionen überhaupt?
    Schulz: Der Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz Holger Burckhart hat noch eine andere Erklärung, er sagt, es gibt einfach verschiedene Benotungskulturen. Können Sie das bestätigen?
    Tschaut: Ich könnte mir schon vorstellen, dass es sowohl innerhalb verschiedener Disziplinen als auch im Vergleich von verschiedenen Standorten da auch so was wie unterschiedliche Kulturen ein Stück weit gibt. Also insofern, wenn man davon grundsätzlich ausgeht, muss man natürlich die weiterführende Frage stelle, inwiefern dieses Benotungssystem für Promotionen überhaupt sinnvoll ist.
    Schulz: Dann kommen wir doch mal direkt dazu: Der Sinn der Noten ist ja, dass Vergleichbarkeit angestrengt wird. Die ist ja ganz offensichtlich nicht gegeben. Braucht man nicht trotzdem irgendwie klare Maßstäbe dafür?
    Tschaut: Das ist ja gerade mit eine Herausforderung immer generell im wissenschaftlichen Arbeiten, aber eben auch mit Blick auf die Promotion: Ganz klare, fixe Maßstäbe zu entwickeln, geht sicherlich in dem Sinne in der Wissenschaft nicht. Das können wir nicht auf kleine Punktwerte hinunterbrechen. Der Wissenschaftsrat selber hat ja schon vor einigen Jahren auch empfohlen, dass man eigentlich auf so eine Notenskala eher verzichten sollte und stattdessen eher davon ausgehen sollte, es kann bewertet werden, ob jemand die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten hat oder eben nicht. Das heißt also eine einfache Differenzierung zwischen bestanden versus nicht bestanden, und dann vielleicht nur wirklich herausragende Arbeiten noch mal speziell zu kennzeichnen.
    Schulz: Besteht die Möglichkeit, dass durch die Entwicklungen der Wissenschaftsförderungen der vergangenen Jahre, durch deutlich mehr Graduiertenkollegs zum Beispiel, dass die Doktorarbeiten insgesamt einfach wirklich besser geworden sind? Einfach weil das Promovieren professionalisiert worden ist?
    Tschaut: Ich könnte mir vorstellen, dass es hier durchaus einen Einfluss gibt. Ob der tatsächlich so stark ist, dass er jetzt diese Unterschiede oder die Veränderung in der Bewertung der Promotion allein erklärt, da hätte ich vielleicht doch eher meine Zweifel. Von daher könnte das nicht der alleinige Einflussfaktor sein. Wenn er einen Einfluss hatte, würden wir das natürlich besonders begrüßen, denn das ist ja auch unsere Zielsetzung, dass die Rahmenbedingungen der Unterstützung für die Promovierenden in der Promotion so gestaltet sind, dass im Endeffekt am Ende alle sehr gut oder sogar exzellente Arbeiten abgeben können.
    Schulz: Sagt Anna Tschaut, sie ist die Bundesvorsitzende des Promovierendennetzwerks THESIS, zum Thema Benotung von Doktorarbeiten. Ganz herzlichen Dank!
    Tschaut: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.