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Prozessauftakt
Mutmaßliches Berliner Pädophilen-Netzwerk vor Gericht

Vor dem Berliner Landgericht müssen sich von heute an drei Männer wegen sexuellen Missbrauchs verantworten. Sie sollen 13 Jungen insgesamt mehr als 400 Mal missbraucht haben. Die Männer sind 51 bis 80 Jahre alt. Das jüngste Opfer war sechs.

03.02.2017
    Der Schatten von einem Mann und einem schaukelnden Kind fallen auf den Sand auf einem Spielplatz in Braunschweig (Niedersachsen). Foto: Julian Stratenschulte/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
    Schatten auf dem Spielplatz - Symbolbild Missbrauch (dpa)
    Die drei Angeklagten sollen in Berlin ein gut organisiertes Pädophilen-Netzwerk betrieben haben. Mehr als sieben Jahre lang, von 2002 bis Ende 2009, so die Anklage, hätten sie gezielt Kinder aus sozial schwachen Familien ins Visier genommen. Sie hätten die Not der Jungen ausgenutzt, indem sie ihnen Geld gaben für "sexuelle Dienste" oder sie an andere Freier vermittelten. Allein dem 51-jährigen Hauptangeklagten werden 379 Fälle sexuellen Missbrauchs zur Last gelegt. Er soll die Jungen, die bis zu 17 Jahre alt waren, mit seinem Auto zu Freiern gefahren und sich auch selbst an den Kindern vergangen haben. Anschließend habe er ihnen Geld und Geschenke gegeben.
    Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat zuletzt kritisiert, dass die gesetzliche Grundlage fehle, um systematisch gesellschaftliche Strukturen aufzudecken, die zu Missbrauch führen. Die Kommission hatte sich in ihrem ersten öffentlichen Hearing Anfang der Woche vor allem mit Missbrauch im familiären Umfeld befasst. Dort würden Kinder am häufigsten zum Opfer von sexuellem Missbrauch, so die Kommissionsvorsitzende Sabine Andresen. Zugleich sei dort die Aufarbeitung am schwierigsten.
    Familiäre Verbindungen sind im aktuellen Fall bisher nicht bekannt geworden. Möglicherweise werden aber auch in diesem Prozess gesellschaftliche Strukturen erkennbar, die sexuellen Missbrauch begünstigen. Die Ermittler haben jahrelang recherchiert. Heute beginnt das Verfahren vor dem Landgericht Berlin-Moabit. Die drei Männer sind angeklagt wegen Kindesmissbrauchs und Menschenhandels. Ein vierter Beschuldigter muss sich in einem gesonderten Verfahren verantworten. Der 78-Jährige ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft derzeit nicht verhandlungsfähig.
    (mw/tzi)