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Radsport
Der Double-Mann

An diesem Wochenende beginnt der 98. Giro d'Italia. Favorit ist Alberto Contador. Er muss den Sieg aber im Sparmodus erringen, denn er will im Juli auch noch die Tour de France gewinnen. Dieses Experiment überschattet alles.

Von Tom Mustroph | 07.05.2015
    Die Augen sind auf einen Mann gerichtet: Alberto Contador. Der Spanier gewann die Italienrundfahrt bereits zwei Mal. Vor vier Jahren indes wurde ihm der Sieg wegen Dopings aberkannt. Damals schon strebte er das Double Giro und Tour an. Er kam in Frankreich, auch in Folge eines Sturzes, aber nur auf Platz 5 ein. Jetzt will er es besser machen. Er habe wie ein Mönch auf dem Mount Teide auf Teneriffa trainiert, um mental wie körperlich der großen Aufgabe gewachsen zu sein, sagte er spanischen Journalisten vor der Abreise nach Italien. Sein Arbeitgeber Oleg Tinkow ist überzeugt, dass der Coup gelingt.
    "Ich denke, Alberto kommt zu jedem Rennen, um es zu gewinnen. Er ist einer der besten, nein, der beste Radsportler und einer der am besten bezahlten, gar keine Frage."
    Selfmade-Millionär Tinkow weist gern auf die üppigen Gagen hin, die er seinen Fahrern zahlt. Er war es auch, der Contador im Double-Plan bestärkte. Der Russe hatte sogar mit einer Siegprämie von einer Million Dollar gelockt, wenn die großen Konkurrenten Chris Froome, Vincenzo Nibali und Nairo Quintana mit Contador gemeinsam an allen drei Rundfahrten teilnähmen. Tinkow träumte von einer Art Formel 1 des Radsports. Daraus wurde nichts. Jetzt versucht Contador allein das Double.
    Die Gegnerschaft erleichtert ihm das Unterfangen. Die großen Rivalen Froome, Quintana und Nibali fehlen. Anwesend sind nur B-Käpitäne wie Froome-Helfer Richie Porte oder der zweimalige Giro-Zweite Rigoberto Uran. Das italienische Klettertalent Fabio Aru von Team Astana ist durch eine Infektion ausgebremst. Die Zurückhaltung der Stars löst Unmut beim Veranstalter aus. Giro-Direktor Mauro Vegni:
    „Ich denke, viele Mannschaften habe ihre komplette Saison allein auf die Tour konzentriert. Ich kann das verstehen. Wenn ich der Manager eines Teams wäre, hätte ich aber ein Problem damit, alles auf ein einziges Ereignis zu setzen. Das ist riskant. Denn wenn es bei diesem Event schief geht, ist die ganze Saison im Eimer."
    Vegni fordert für die nächsten Jahre zu einem Umdenken auf: dazu, dass auch Rennen wie der Giro mit mehr Anspruch angegangen werden. Denn:
    "Nur einer gewinnt die Tour. Die anderen verlieren alle. Und was machen sie dann?"
    fragt Vegni zu Recht. Was aber machen die anderen, wenn einer gleich beides gewinnt? Das ist das Worst-Case-Szenario für 20 von 21 teilnehmenden Mannschaften. Der Kreis der Freunde von Alberto Contador und Team Tinkoff dürften allein wegen solcherart Eigeninteressen in dieser Saison besonders klein ausfallen.