Dienstag, 07. Mai 2024


Reisetagebuch Tag 9

"Ngorongoro", das hat genauso viel Magie wie "Serengeti", vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Der Krater wird auch als achtes Weltwunder bezeichnet. Ich stelle mir vor, wie das Zebraflugzeug von Michael Grzimek über den Kraterrand fliegt und Kurs auf große Gnu- und Zebraherden unten auf dem 500 Meter tiefer gelegenen Kraterboden nimmt. Die Realität ist weniger magisch: Die Ebenen rings um den Krater sind staubig und öde, der Krater selbst ist überfüllt mit Touristen.

Von Dagmar Röhrlich | 06.12.2007
    Zum Abschied von Seronera sind wir bei Markus Borner zum kontinentaleuropäisch-englischen Frühstück eingeladen. Markus hat Brioche gebacken, sein Kollege Alastair Nelson aus Südafrika sorgt für Rühreier mit Speck und Würstchen und wir haben unsere letzten Verpflegungsreste zusammengekratzt: eine überraschend gut schmeckende Ananas, die wir auf der Hinfahrt auf dem Markt in Mto wa Mbo erstanden haben. Das alles ist eine gute Grundlage für die Fahrt zu unserem Zeltlager am Ngorongoro-Kraterrand.
    Anders als auf der Hinfahrt haben wir genügend Zeit. Wir müssen erst um 18:00 Uhr am Kraterrand sein, wo wir Pete Morkel treffen wollen, den Leiter des Nashorn-Projektes der Frankfurter. Also haben wir Zeit für einen Abstecher zu einem weiteren magischen Ort, denn Olduwai, die "Wiege der Menschheit" liegt auf dem Weg. Hier haben Louis und Mary Leakey die ersten Fossilien von Homo habilis, des frühesten Angehörigen unserer Gattung, ausgegraben und dazu noch ein paar Vormenschenfossilien. 45 Kilometer weiter südlich liegt dann noch Laetoli, wo Fußspuren von 3,7 Millionen Jahre alten Vormenschen gefunden worden sind. Es ist also zutiefst historischer Boden hier. Wir fahren mit einem Kurator des örtlichen Museums in die Schlucht zu den Orten, an denen die Leakeys die ersten Fossilien fanden. Wenn man sich die Gegend ansieht, kann man sich gar nicht genug über ihr Glück wundern. Ein Schild "Hier Homo habilis" haben sie ja nicht gehabt und die Schlucht ist endlos lang und voll Geröll.

    Nach der heißen und staubigen Olduwai-Schlucht ist der Rand des Ngorongoro-Kraters eine wahre Erholung. Von Estelle und Pete Morkels Haus direkt über dem Lerai-Wald kann man den westlichen Teil des Kraters bis zum Magadi-See überblicken. Osama, der schwarze Kater von Estelle und Pete kommt auch heraus und verschwindet im hohen Gras. Er sieht aus wie eine ganz normale europäische Hauskatze, aber er verhält vollkommen anders. Permanent ist er auf der Hut und beobachtet mit äußerster Aufmerksamkeit den Himmel. In Tansania haben Katzen viele Feinde: Löwen, Hyänen und vor allem viele große Raubvögel betrachten sie als leckere Happen.

    Es ist kühl, denn wir sind auf etwa 2500 Metern Höhe und die Sonne geht bald unter. Bevor es dunkel wird, zeigt Pete uns noch das Wrack von Michael Grzimeks Zebraflugzeug mit der Kennung D-ENTE. Grzimek stürzte am 10. Januar 1959 ab, weil sein Flugzeug mit einem Geier kollidierte. Massai-Krieger fanden später die Trümmerteile und brachten sie zu der Ngorongoro-Station. Hier liegen sie zerfetzt und verbeult noch heute. Pete fragt uns, ob es nicht Interesse und Mittel gäbe, die Trümmer nach Deutschland zu bringen. Wir fragen uns das auch.


    Dann dämmert es und wir setzen uns auf die Terrasse mit Blick über den Krater. Pete Morkel ist Tierarzt und einer der erfahrensten Nashornspezialisten in Afrika. Für die Frankfurter Zoologische Gesellschaft betreut er seit sechs Jahren die Spitzmaulnashörner im Ngorongoro-Krater. Vor 50 Jahren gab es 100 Spitzmaulnashörner im Krater und in den Gebieten drum herum. Durch Jagd und Wilderei waren sie fast ausgerottet, doch inzwischen gibt es hier wieder 24 Tiere im Krater. Ihre Zahl nimmt langsam zu und darüber freut sich Pete sehr. Das Problem ist jetzt vor allem der Tourismus, denn Nashörner reagieren trotz ihrer einschüchternden Gestalt sehr sensibel auf die Störungen durch die Menschen. 300.000 Touristen besuchen den Krater pro Jahr und die Nashörner sind die Hauptattraktion. Wenn sich also eines der 24 Nashörner zeigt, zieht es sofort die Safariautos an wie die Fliegen. Dummerweise mögen Spitznashörner keine Menschen, ja sie haben Angst vor ihnen.

    Hinweis: Einen Beitrag über das Nashornprojekt von Pete Morkel können Sie morgen, 16:35 Uhr, im Deutschlandfunk in der Sendung "Forschung aktuell" hören. Das Hörfunkfeature "Grzimeks bedrohtes Erbe" können hier nachlesen.
    Die Massai leben weiterhin in ihren traditionellen Dörfern auf den staubigen Ebenen des Kraterhochlandes.
    Die Massai leben weiterhin in ihren traditionellen Dörfern auf den staubigen Ebenen des Kraterhochlandes. (Holger Kroker)
    Ein Kurator erklärt seinen Besuchern, wo Mary Leakey den ersten Homo habilis fand.
    Ein Kurator erklärt seinen Besuchern, wo Mary Leakey den ersten Homo habilis fand. (Holger Kroker)
    Und wenn die Nashörner auch nur winzig klein am Horizont zu sehen sind, kommen die Touristen trotzdem in Scharen.
    Und wenn die Nashörner auch nur winzig klein am Horizont zu sehen sind, kommen die Touristen trotzdem in Scharen. (Holger Kroker)