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Diplomierte Schnüffler

Privatdetektive brauchen in Frankreich einen akademischen Abschluss, sonst bekommen sie keine Lizenz. An der Uni Assas II in Melun bei Paris sind derzeit rund 20 Studenten eingeschrieben. Sie lernen in Praxis und Theorie das professionelle Schnüffeln und Spionieren - und erwerben Kenntnisse in Betriebswirtschaft und Jura.

Von Michael Naumann | 07.05.2007
    Von außen wirkt das Gebäude wenig eindrucksvoll. Das Holzgebälk hat schon viele Wetter erlebt und von den Mauern blättert der Putz. Wer es nicht weiß, würde hier in Melun sicher keine Uni vermuten. Schon gar nicht eine, die die künftige Elite französischer Detektive ausbildet.

    " Derzeit sind wir die einzige Hochschule in Frankreich, die dieses Studium anbietet. Und wir bekommen viele Anfragen aus der ganzen Welt, sogar aus Brasilen oder Japan. Überall interessieren sich die Menschen für unsere Universität."

    Für Institutsleiter Marc Gjidara besteht kein Zweifel: Detektive faszinieren die Menschen. Genährt durch unzählige Filme und Romane haften ihnen die Aura des Mysteriösen an, des Unnahbaren und Geheimnisvollen - des Helden, der unbeirrt Stück für Stück die Wahrheit zusammensetzt und letzten Endes die Täter überführt. Die Begeisterung für den Beruf spiegelt sich in der Zahl der Studienbewerber.

    " Im ersten Jahr hatten wir über 500 Anträge für 24 Plätze. Inzwischen begrenzen wir uns auf 21 Studenten. Das ist die Grenze, denn mehr kann der Arbeitsmarkt ohnehin nicht aufnehmen."

    Einer, der die Aufnahme geschafft hat, ist Jean Derny. Jean ist ausgebildeter Elektro-Ingenieur und hat schon in der Nuklearindustrie gearbeitet. Eines Tages gab ihm sein Chef den Auftrag, etwas Firmeninternes herauszufinden. Das machte ihm so großen Spaß, dass er nun seit letztem Herbst für sein Detektiv-Diplom büffelt.

    " Was mir hauptsächlich noch sehr schwer fällt, das ist der juristische Bereich. Denn ich habe ja als Elektro-Ingenieur bisher keinen Zugang dazu gehabt. Mit technischen Dingen kenne ich mich also besser aus, aber nicht mit Gesetzen. Aber generell gibt es eigentlich kein Gebiet, das ich nicht mag. Denn es ist alles sehr vielseitig, genau wie der Job des Detektivs ja auch.."

    Rechtskunde, Informationsbeschaffung und -bewertung, Schriftkunde und Observation sowie das Ver- und Entschlüsseln von Botschaften - in drei Jahren Ausbildung lernen die Studenten alles, was einen guten Ermittler ausmacht. Als Oberaufsicht über den Lehrplan fungiert kein Geringerer als der Vizepräsident der französischen Detektiv-Union, Christian Borniche.

    " Um Detektiv werden zu können, braucht man ein gutes juristisches Verständnis, aber auch in technischen Dingen sollte man sich auskennen, zum Beispiel für Fotos oder Tonaufnahmen. Man braucht ein Gespür für die Methoden des Detektivwesens, eine gute Beobachtungsfähigkeit... Aber am allermeisten braucht man Leidenschaft und ganz viel Geduld."

    Das gilt auch für das Studium selbst. Die Ausbildung ist intensiv und umfangreich. So will es die französische Regierung: Im Jahr 2003 hat sie die Lizenzvergabe neu geregelt, weil es unter den über 3.000 Detekteien im Land bis dato zu viele Hochstapler gab. Die Reform sollte die Abzockerei eindämmen. Seither werden Detektive nur noch zugelassen, wenn sie das entsprechende Hochschulstudium haben.

    " Es ist ein sehr sensibles Berufsfeld. Die Arbeit des Detektivs greift nämlich sehr in das Privatleben von Personen ein. Deshalb ist es wichtig, dass Detektive eine umfassende Ausbildung haben. Vor allem müssen sie die Gesetze genau kennen, um sie einhalten zu können."

    Mancher Studienanfänger streicht früh wieder die Segel, weil ihn die komplexen Lehrinhalte überfordern und die Illusionen über den vermeintlich coolen Traumjob nehmen. Bei Jean Derny besteht diese Gefahr nicht, er wusste genau, worauf er sich einlässt.

    " Ein guter Ermittler muss eine Menge können. Man muss geduldig sein, aber auch schnell reagieren können. Wir müssen die Lage verstehen und gewisse Dinge manchmal auch vorausahnen. Es gibt niemanden, der uns dabei hilft. Wir arbeiten ja meist allein. Und da müssen wir mitunter blitzschnelle Einschätzungen treffen."

    Erst recht, wenn es um das eigene Leben geht. Denn mitunter kann einen das Schnüffeln auch in manch gefährliche Situation bringen.

    " Einer meiner Kollegen aus der Firma wäre beinahe schon einmal einem Anschlag zum Opfer gefallen. Sein Auto wurde absichtlich von einem LKW gerammt. Der LKW-Fahrer kam wegen versuchten Mordes ins Gefängnis. Ich weiß, dass es gefährlich werden kann. "

    Allerdings kennt Jean seine Grenzen: Sobald es zu gefährlich würde, überließe er die Sache dann noch lieber der Polizei. Er wolle kein Draufgänger sein, sondern ein guter, sprich seriöser Detektiv werden.