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Sachsen-Anhalt
Museen wegen Mindestlohn in Schwierigkeiten

Träger vieler Museen sind Kommunen, und in vielen Kommunen fehlt das Geld. Mit dem Mindestlohn kommt auf die städtischen Museen eine neue Herausforderung zu. In Naumburg und Weißenfels, zwei Orten in Sachsen-Anhalt, sind Stadt- und Regionalmuseen in Gefahr.

Von Christoph Richter | 03.03.2015
    "Dafne", die Sage der gleichnamigen keuschen Nymphe, in die sich Apoll verliebt, ist ein deutsches Singspiel aus der Feder des Barock-Komponisten Heinrich Schütz. Sie gilt in der Musikgeschichte - lange vor Mozarts Zauberflöte - als die erste deutsche Oper. Die Musik ist jedoch verschollen. Verschollen ist aber nicht das einzig original erhaltene Wohnhaus, das steht in Weißenfels, im südlichen Sachsen-Anhalt. Das weiß glänzende, streng symmetrische Renaissancehaus mit dem steilen Dach beherbergt auch das Heinrich-Schütz-Museum. An vielen Stationen kann man sich musikalisch dem Leben des Schöpfers vieler lutherischer Chorwerke, die heute Standardrepertoire sind, widmen. Noch. Denn vielleicht muss der Museumsbetrieb, der sich der Schütz-Pflege verschrieben hat, bald radikal eingeschränkt werden. Das Problem ist der Mindestlohn von 8,50 Euro, der nun auch hier zu zahlen ist. Geld, was nicht da ist, sagt Henrike Rucker. Musikwissenschaftlerin und Direktorin des Museums.
    "Ja möglicherweise wird das Haus nicht geschlossen. Hier kommen Schulklassen, hier finden Vorträge und Konzerte statt. Wenn das alles nicht mehr stattfinden kann und hier nur noch ein Haus ist, was auf- und zugeschlossen wird, die Ausstellung geradeso gewartet werden kann, dann ist es ein totes Museum."
    Zu den Fakten: Anfang des Jahres ist das Museum - durch die Mehrkosten des Mindestlohns - in eine bedrohliche finanzielle Schieflage geraten. Ein Haus, das auf jährlich neu zu beantragende Projektgelder angewiesen ist.
    Etwa 150 Museen betroffen
    Susanne Kopp-Sievers vom Museumsverband Sachsen-Anhalt mahnt im Kulturbereich dringend Korrekturen an, ähnlich wie es kürzlich die Sportverbände mit SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles verabredet haben.
    "Wir müssen sehen, dass ja im Sportbereich noch viele andere Sachen möglich sind, wie zum Beispiel Aufwandsentschädigung für Trainer und Ausbilder. Wir haben ehrenamtlich Tätige in den Museen, die hoch qualifizierte Arbeit leisten und die nicht auf eine solche Aufwandsentschädigung hoffen können. Insofern wäre ein Gleichziehen in dem Bereich sehr erfreulich."
    Bundesweit sind die Hälfte aller Museen sogenannte Regionalmuseen, die sich mehrheitlich durch private und kommunale Trägervereine finanzieren. Ein-Mann-Museen, deren Existenz nun durch den Mindestlohn bedroht sind. In Sachsen-Anhalt ist von 150 Museen die Rede, deren Fortbestand auf der Kippe steht. So kann beispielsweise im Winckelmann-Museum in Stendal, das einzige Haus, das sich dem Begründer der modernen Archäologie und Kunstwissenschaft Johann Joachim Winckelmann widmet, die Hälfte der Mitarbeiter nur noch verkürzt arbeiten. Ein weiteres Problem: Durch den Mindestlohn werden die Volontäre in den Museen gleich als feste Mitarbeiter eingesetzt.
    "Sie sollen keine Ausbildung durchlaufen, sondern sollen frisch von der Universität, gleich wissenschaftliche Arbeit in einem Museum leisten, die sie eigentlich erst lernen wollen. Da sind wir uns mit dem deutschen Museumsbund einig, dass das ein Weg ist, der nicht akzeptabel ist."
    Forderung nach Hilfe vom Bund
    Was natürlich nicht verschwiegen werden darf: Die meisten Mitarbeiter in den Museen werden schlecht bezahlt. Ob Kassenkräfte oder die Aufsicht, selbst so manche Museumsleitung dürfte vom Mindestlohn profitieren. Dennoch bleibt er betriebswirtschaftlich für die meisten Häuser, gerade in der Peripherie ein echtes Problem, sagt Susanne Kopp-Sievers vom Museumsverband Sachsen-Anhalt.
    "Es ist nicht für alle Bereiche richtig durchdacht. Man muss dann schon den Willen haben, die Dinge anzupassen. Ganz klar."
    Zurück nach Weißenfels. Die Leiterin des Heinrich-Schütz-Museums, Henrike Rucker, ruft nach einem Engagement des Bundes.
    "Wir leben hier in dem Kernland der deutschen Kultur, wenn man so will. Das sind die Folgen der Reformation. Die Kultur ist hier als weicher Standortfaktor auch ganz wichtig für die weitere Entwicklung des Landes. Land und Bund müssten gemeinsam - für alle Museen mit nationaler Bedeutung - einstehen."
    Kommt künftig aber kein Ausgleich der Mindestlohn-Mehrkosten - denn die ZEIT-Stiftung wird nicht jedes Jahr einspringen - kann das höchst professionell geführte Schütz-Museum seine Pforten schließen. Kein staubiges Heimatmuseum, sondern eine Institution, die sich mit dem Heinrich-Schütz-Musikfest auch in der Musikwelt weltweit einen Namen gemacht hat.