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Sarah Sands
Wirbel um neue BBC-Today-Chefin

Die Berufung der Ex-Chefin der Zeitung "Evening Standard" an die Spitze der BBC-Radiosendung "Today" sorgt für Diskussion. Dabei geht es weniger darum, dass Sarah Sands keine Radioerfahrung mitbringt. Sondern um die Frage, ob sie eine ideologische Journalistin ist, die einen Rechtsruck der einflussreichen Morgenshow bewirken könnte.

Von Friedbert Meurer | 11.02.2017
    Der damalige Bürgermeister von London, Boris Johnson, und die jetzige BBC4-Today-Chefin Sarah Sands. London, 11.9.2014.
    Die neue Today-Chefin soll enge Kontakte zu Boris Johnson pflegen. Hier Sands und Johnson auf einer Veranstaltung in London, 2014. (imago / Images)
    Seriös, informativ und mit britischer Unaufgeregtheit setzt die "Today"-Show täglich den Maßstab für aktuellen Journalismus. Wer mitreden will, muss morgens zwischen sechs und neun Uhr "Today" auf BBC Radio 4 hören.
    "Einige Interviews sind fantastisch, einige total fantastisch", lobt die künftige "Today"-Chefin Sarah Sands diplomatisch das Morgenprogramm. "Es ist eine wichtige Sendestrecke, wenn das politische Establishment einschaltet und zuhört."
    BBC-Mitarbeiter: Zuviele Top-Jobs gingen an externe Zeitungsleute
    Auch die 55-jährige Sarah Sands outet sich als langjährige Dauerhörerin des Programms, aber sie ist eine Zeitungsfrau. In der Ausschreibung wurde aber ganz besonders Wert darauf gelegt, dass die neue "Today"-Chefin über intensive Hörfunk-Erfahrung verfügen soll. Sands erfüllt diese Voraussetzung nicht, dagegen die, eine Frau zu sein, die zweite erst an der Spitze der Sendung. Die BBC-Belegschaft grummelt, in der letzten Zeit gingen viele Top-Jobs an externe Zeitungsleute.
    "Ich bin nicht vom Radio, ich habe als Hörerin viel Respekt vor dem Programm. Es liegt der Nation am Herzen und nie habe ich so viele Ratschläge erhalten. Die meisten sagen mir, verändere bitte nichts. Die Today-Sendung liegt irgendwo zwischen der Monarchie und dem NHS, dem staatlichen Gesundheitswesen."
    Der "Evening Standard" war pro Boris Johnson
    Unter Sarah Sands' Leitung als Chefredakteurin hat sich der "Evening Standard" als die Londoner Lokalzeitung etabliert und schreibt schwarze Zahlen. Das Blatt ist von der Ausrichtung her wirtschaftsliberal und hat sich deswegen für David Cameron als Premierminister und Boris Johnson als Bürgermeister stark gemacht. Zu ihm soll Sands enge Kontakte pflegen. Über den heutigen Bürgermeister Sadiq Khan hatte das Blatt dagegen lang und breit berichtet, er habe Verbindungen zu Islamisten.
    Möglicher Rechtsruck von "Today" befürchtet
    Und dann gibt es von Sands ein Memo aus ihrer Zeit beim konservativen "Sunday Telegraph": Journalisten sollten das Weltbild verängstigter Mittelschichtsbürger adaptieren, also z.B. möglichst viel über Jugendkriminalität berichten. Soll die renommierte Today-Morgensendung also nach rechts rücken? Der Kolumnist Charles Moore hält das für nötig:
    "In der BBC herrscht Gruppendenken. Alle haben die gleiche Meinung, zu Donald Trump, zum Brexit oder zum Klimawandel. Sie geben vor, was ein anständiger Mensch denken soll. Das verletzt die Pflichten der BBC, das die Bandbreite gesellschaftlicher Meinungen wiedergeben sollte."
    Gruppendenken gebe es nicht, sagt der BBC-News-Chef
    "Die Leute bei der BBC sind einfach Journalisten", verteidigt BBC-News-Direktor James Harding seine Mannschaft. "Es gibt kein Gruppendenken, denn Journalisten sind von Natur aus unterschiedlicher Meinung. Wenn es eine Gruppenmeinung gäbe, würden andere garantiert die andere Richtung vertreten."
    Keine ideologische Journalistin
    Die neue "Today"-Chefin reklamiert für sich, keine ideologische Journalistin zu sein. Ihre Zeitung "Evening Standard" hat außerdem den Brexit abgelehnt. Aber Sarah Sands will, dass die "Today"-Sendung mehr den Blick nach Nord- und Mittelengland richtet, also auf die Brexit-Wähler.
    "Wir haben in der Post-Brexit-Phase gelernt, dass wir unser eigenes Land nicht gut genug kennen. 'Today' berichtet hervorragend über Außenpolitik, aber wir müssen etwas besser verstehen, was in unserem eigenen Land vor sich geht."