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Schaden Vorsorgeuntersuchungen mehr als sie nutzen?

Erst gestern war man sich im Bundestag einig, dass die Früherkennung von Brustkrebs ausgeweitet werden soll. Durch ein Mammographie Screening, also radiologische Reihenuntersuchungen, ließe sich die Zahl der Todesfälle deutlich verringern. Nun kommt eine Studie dänischer Wissenschaftler zu einem ganz anderen Ergebnis.

19.10.2001
    Landauf, landab wird die Werbetrommel für die Mammografie zur Früherkennung von Brustkrebs gerührt. Mammografie rette Frauenleben, so die Befürworter. Dem widersprechen jetzt die beiden dänischen Wissenschaftler Peter Goetzsche und Ole Olsen vom Nordic Cochrane-Zentrum nach gründlicher Analyse aller internationaler Studien.

    Der Epidemiologe Ole Olsen fasst zusammen: "Unser Ergebnis ist, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür gibt, dass ein Mammografie-Screening die Sterblichkeitsrate senkt. Im Gegenteil: Wenn die Grundannahme nicht stimmt, dass der Arzt Brustkrebs besser heilen kann, je früher die Frau kommt, dann führt die radiologische Früherkennung zu mehr unnötigen Eingriffen und Therapien und schädigt die Frauen."

    Schon in einem Artikel, der im vergangenen Jahr in der Zeitschrift "Lancet" veröffentlicht worden war, stellten Goetzsche und Olsen das jahrzehntelange Axiom: "Je früher ein Brustkrebs erkannt wird, umso besser ist er heilbar" in Frage und lösten damit eine hitzige weltweite Kontroverse aus. Schließlich galt die radiologische Früherkennung bis dahin als wissenschaftlich gut belegte Intervention und zumindest für Frauen ab 50 als uneingeschränkt sinnvoll. Nun haben sich die dänischen Epidemiologen im vergangenen Jahr nochmals alle internationalen Studien vorgenommen, mit den Studienleitern korrespondiert und weitere Daten angefordert. Sie fanden sich in ihrer Kritik bestätigt.

    In Deutschland wird häufig mit einer 30-prozentigen Mortalitätsreduktion für ein flächendeckendes Mammografiescreening geworben. Doch nur eine Studie, die schwedische Two-County-Studie, fand überhaupt einen solch hohen Nutzen. Gerade diese Studie aber bekommt von den dänischen Forschern eine schlechte Note: mangelhaftes Studiendesign, unterschiedliche Zahlen in verschiedenen Protokollen - und ein Studienleiter, der sich seit Jahren weigert, Einsicht in seine Rohdaten zu gewähren.

    Und noch auf ein anderes Problem der radiologischen Früherkennung weisen die Wissenschaftler hin. Durch die Mammografie werden auch Veränderungen in der Brust entdeckt und therapiert, die Frauen nie in ihrem Leben bedroht hätten. Die Folge: die Zahl der Brustkrebsdiagnosen steigt dauerhaft an, auch die Zahl der Operationen und aggressiven Therapien nimmt zu. Allerdings haben die wenigsten Studien diesen Effekt überhaupt untersucht; ihr Augenmerk galt nur der Verringerung der Sterblichkeit.

    Im Internet finden sich zwei Versionen der Studie: Der komplette Text als pdf-Datei (Acrobat Reader erforderlich): http:// image.thelancet.com/lancet/extra/fullreport.pdf Ausgabe im Cochrane-Review: www.cochranelibrary.net

    [Quelle: Eva Schindele]