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Schneller zum Katalysator

Die Entwicklung neuer Katalysatoren ist wohl das Anwendungsfeld, das am stärksten von den Arbeiten der drei frischgekürten Chemie-Nobelpreisträger profitiert. Dass man chemische Reaktionen heute im Computer simulieren kann, beschleunigt die Entwicklung entscheidend.

Von Volker Mrasek | 09.10.2013
    Das Katalyseforschungslabor Carla an der Universität Heidelberg. Unter dem Luftabzug ein Reagenzglas mit einer whiskyfarbenen Flüssigkeit. Und darin ein Rührstab, der immer schneller rotiert, bis sich in der Lösung Luftblasen bilden.

    "Da drin sind die Ausgangsstoffe, die ich benutze, und der Katalysator. Das ist eine Rhodiumverbindung, und diese Rhodiumverbindung macht die Flüssigkeit so dunkel."

    Katalysatoren sind eminent wichtig für chemische Synthesen, wie auch Peter Hofmann betont, Direktor des Labors und Professor für Organische Chemie und Katalyseforschung an der Heidelberger Hochschule:

    "Ich schätze, etwa 80 bis 90 Prozent aller Chemikalien, die synthetisiert werden in den Industrienationen, durchlaufen in ihrer Entstehungsgeschichte irgendeinen Schritt, der Katalyse ist."

    Von daher ist die Entwicklung neuer Katalysatoren ein wichtiger Fortschrittsmotor in der Chemie. Und sicher das Anwendungsfeld, welches am stärksten von den Arbeiten der drei frischgekürten Chemie-Nobelpreisträger profitiert. Denn dass man chemische Reaktionen heute zunächst einmal im Computer simulieren kann, beschleunigt die Katalysatorentwicklung entscheidend.

    Was ist der Job eines solchen Prozesskatalysators? Er ist eine Art Heiratsvermittler: Der Kat muss sich die gewünschten Reaktionspartner schnappen, sie an sich binden und zu einer neuen chemischen Verbindung fusionieren - ohne dabei selbst chemisch verändert zu werden in seinem Reaktionszentrum, das meist Metalle enthält wie zum Beispiel das whiskyfarbene Rhodium. Hofmann:

    "Dazu muss der Katalysator natürlich die richtige Struktur kriegen. Und diese molekulare Umgebung, die zum Beispiel solche Metalle dann in Katalysatoren aufweisen, die kann man maßschneidern. Und zwar heute mit experimentellen Methoden natürlich und vor allem auch mit quantenchemischen Methoden. Also mit Modellrechnungen auf der Basis der Quantenchemie."

    Dabei, sagt Michael Limbach, Organischer Chemiker und Carla-Laborleiter, gehe es darum,

    "eine Art Passform oder eine elektronische Umgebung um das Metall zu schaffen, dass da die beiden Moleküle da gut reinpassen, aber auch wieder weggehen."

    Das ist keine leichte Aufgabe für den Chemiker! Müsste man alle denkbar möglichen Kandidaten herstellen und im Laborexperiment testen, wäre das eine zeitraubende Sisyphusarbeit. Modellrechnungen im Computer verkürzen die Prozedur zum Glück für Forscher wie Peter Hofmann:

    "Aus einer großen Vielzahl von Möglichkeiten sortiert man die aus, bei denen von vorneherein klar ist: Die sind keine vielversprechenden Kandidaten. Dann muss man sich auch nicht die Arbeit machen, die zu synthetisieren."

    So verkürzt sich die Entwicklungszeit, und Chemiker kommen schneller zu neuen Katalysatoren - und damit auch zu neuen Stoffsynthesen.

    Breite Anwendung haben quantenchemische Modellrechnungen auch in anderen Feldern gefunden. Zum Beispiel in der Biochemie und Medizin bei der Frage, wie enzymatische Reaktionen in unserem Körper eigentlich genau ablaufen. Auch das sind Prozesse, die sehr komplex sind und in Sekundenbruchteilen stattfinden, sodass sie sich dem Experimentator im Labor gar nicht erschließen. Am Computer simulieren kann man solche Umsetzungen heute aber schon - mit Programmen, in die die neuen Chemie-Nobelpreisträger ihr ganzes Forscherleben investiert haben.

    Einer von ihnen, Arieh Warshel, verriet heute seinen kühnsten Traum. In Zukunft, so der Forscher, könnte man vielleicht komplette Organismen im Computer simulieren und an ihnen testen, wie Medikamente auf molekularer Ebene wirken. Wie gesagt: eine kühne Vision!

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