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Schwerer Abschied von Gaddafi

Seit einem halben Jahr kämpfen die Rebellen um die Macht in Libyen und zugleich um internationale Anerkennung. Europäische Staaten gewährten diese schon früh, und selbst die Arabische Liga hat den Nationalen Übergangsrat inzwischen anerkannt. Doch nicht alle tun sich so leicht.

Von Marc Engelhardt | 27.08.2011
    Libyens afrikanische Nachbarn zögern damit, den Abtritt von Muammar Gaddafi zu akzeptieren. Ein Sondergipfel der Afrikanischen Union am Freitag sollte das Dilemma lösen – und tat es dann doch nicht. Die Anerkennung sei schlicht unmöglich, erklärte Südafrikas Präsident Jacob Zuma danach.

    "Derzeit wird in Tripolis noch um die Macht gekämpft. Die Truppen des Übergangsrats haben es bis dahin geschafft, der Kampf ist aber noch nicht entschieden. Alles ist im Fluss. In Sirte verhandeln beide Kriegsparteien miteinander. Vor diesem Hintergrund können wir den Übergangsrat schlicht nicht als Regierung anerkennen."

    Doch die Forderung, die die Afrikanische Union stattdessen erhebt, ist kaum realistisch: sie plädiert für eine Übergangsregierung, an der auch Gaddafi-treue Kräfte beteiligt sein sollen. Ein afrikanischer Vermittlungsversuch mit genau diesem Ziel war allerdings bereits im April gescheitert. Die stellvertretende UN-Generalsekretärin Asha-Rose Migiro rief die 54 Mitgliedsnationen deshalb auf, sich zu bewegen.

    Doch ob das gelingt ist fraglich. Denn der Abschied von Gaddafi fällt den meisten afrikanischen Regierungen schwer. Die schrillen Auftritte des selbsternannten Königs afrikanischer Könige ertrug man zwar auch innerhalb von Afrika nur mit zusammen gebissenen Zähnen – ebenso wie Reden, in denen Gaddafi etwa die Teilung Nigerias in einen muslimischen Norden und einen christlichen Süden forderte. Doch all das wurde afrikanischen Nationen vergolten – in barem Geld, weiß Adams Oloo, Politologie-Professor an der Universität Nairobi.

    "Gaddafi war der Hauptgeldgeber der Afrikanischen Union und vieler afrikanischer Staaten. Libyen hat viel in afrikanische Geschäfte investiert. Und in Afrika sind die Interessen der Elite nun einmal wichtiger als die der Gesellschaft. Viele Staatsoberhäupter haben persönlich Geschäfte mit Gaddafi gemacht und wollen deshalb, dass er bleibt."

    Ob in Tschads Hauptstadt Ndjamena oder im kenianischen Nairobi, überall stehen Luxushotels, die Gaddafis Staatsfirmen klammen Regierungen für Millionensummen abkaufte. Gaddafis Staatsairline schloss manche Staaten zum ersten Mal an die Welt an. 400 Millionen Dollar soll Gaddafi alleine in einen afrikanischen Kommunikationssatelliten gesteckt haben.

    Gaddafi kaufte in Afrika Tankstellenketten, Raffinerien und Pipelines. Sein Herz schlug für Despoten wie Simbabwes Präsident Robert Mugabe, dem Gaddafi half, als niemand anderes mehr helfen wollte. Auch für Bürgerkriege hatte Gaddafi stets Geld und Waffen übrig: ohne Gaddafi hätten die Darfur-Rebellen nicht so lange durchgehalten, und viele Diktatoren etwa in Zentralafrika und im Kongo sich nicht an der Macht halten können. Beobachter glauben sogar, dass Gaddafi zuletzt die Shabaab-Miliz in Somalia finanzierte

    Nicht nur den Islamisten fehlt jetzt ihr Finanzier, sondern auch ungezählten Regierungen – und der auf Gaddafis Betreiben hin gegründeten Afrikanischen Union. Adams Oloo.

    "Die AU steht vor einer finanziellen Krise. Es ist offen, ob die Nachfolger Gaddafis den gleichen Enthusiasmus für Afrika zeigen werden. Die anderen afrikanischen Regierungschefs reden viel, aber geben nichts. Jemand anderen zu finden, der die AU finanziell am Leben erhält, dürfte sehr schwer sein."

    So hält sich die AU am letzten Strohhalm fest, indem sie Gaddafi nicht verleugnet. Doch damit dürfte sie sich für die kommende Regierung bereits überflüssig gemacht haben. Libyens Übergangsrat lässt jedenfalls nicht erkennen, dass ihm an der Anerkennung aus Afrika überhaupt etwas liegt.