Mittwoch, 08. Mai 2024

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Sexuelle Übergriffe
"Wir sind nicht die Opfer unserer genetischen Programme"

Nach Ansicht des Hirnforschers Gerald Hüther ist triebgesteuertes Verhalten nicht genetisch bedingt, sondern durch Erfahrungen geprägt. Das Showbusiness sei möglicherweise "ein Bereich, in dem besonders viele Leute die Fähigkeit zur Impulskontrolle nicht hinreichend entwickeln konnten", sagte Hüther im Dlf.

Gerald Hüther im Gespräch mit Michael Köhler | 28.01.2018
    Der Neurobiologe Gerald Hüther, fotografiert in einem hell gestreifen Hemd vor einer grünen Hecke
    Der Neurobiologe Gerald Hüther (Franziska Hüther)
    Männer sind laut dem Hirnforscher Gerald Hüther genetisch das schwache Geschlecht. Grundlage dafür sei, dass ihnen ein X-Chromosom fehle: "Frauen haben zwei X-Chromosome, die Männer nur eins": Durch das mangelnde X-Chromosom würden Männer im Durchschnitt konstitutionell schwächer, denn sie seien von Anfang an in einer Situation, in der sie "nach Halt suchen" würden.
    "Und der schönste Halt, den man findet, ist, wenn man Bedeutsamkeit erlangt. Für diese Bedeutsamkeit sind Männer, mehr als Frauen, bereit, so ziemlich alles zu tun."
    Die Erfahrungen, die man im Laufe des Lebens mache, würden Spuren in Form von Netzwerkstrukturen hinterlassen, die sich erfahrungsabhängig im Hirn herausbilden würden. Wenn ein Mann, die Erfahrung mache, dass es wichtig sei, immer wieder Bedeutung zu besitzen, aufzufallen und Anerkennung zu finden, dann strukturiere sich ein Hirn, mit dem man das dann auch besonders gut könne.
    Showbusiness und fehlende Impulskontrolle
    Den Grund für triebgesteuertes Verhalten sieht Hüther in der mangelnden Gelegenheit, die Erfahrung zu machen, "wie schön es ist, wenn man mal irgendeinem Impuls, der einem gerade ins Hirn schießt, nicht nachgibt".
    So erklärt sich Hüther auch die durch die #metoo-Debatte thematisierte Übergriffigkeit im Showbusiness. Das Merkmal derjenigen, die im Showbusiness vorankommen wollen sei: "Die dürfen nicht lange nachdenken, die müssen impulsiv sein". Daher sei das Showbusiness möglicherweise ein Bereich, "in dem besonders viele Leute rumrennen, die die Fähigkeit zur Impulskontrolle nicht hinreichend entwickeln konnten".
    "Lernen, einen Impuls zurück zu halten"
    Man habe viel zu lange geglaubt, dass das sowieso alles genetisch programmiert sei: "Wir sind nicht die Opfer unserer eigenen genetischen Programme". Der Mensch habe das formbarste Hirn und sei bis ins hohe Alter lernfähig.
    Zu dieser Lernfähigkeit gehöre für einen Mann, dass er diese Gelegenheit nutzen sollte, zu "lernen, ab und zu auch mal einen Impuls zurückzuhalten".