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Sie wollen auch Hochdeutsch können!

Sie sind gekommen, weil sie es satt haben, überall auf ihren Dialekt angesprochen zu werden. Ariane Willikonsky bringt den Kursteilnehmern am "Fon"-Sprachinstitut Hochdeutsch bei. Kein leichtes Unterfangen, denn für viele Schwaben ist das "andere" Deutsch wie eine Fremdsprache.

Von Ralf Heineken | 08.04.2006
    Wer den Kurs besucht, hat schlicht die Nase voll, als Schwabe immer und überall erkannt und abgewertet zu werden.

    "Ja, das ist schon ein Spaß für den Rest der Nation? Also nicht wirklich, dass ich jetzt sagen würde angeeckt, aber ich denke schon, dass jeder da was passendes dazu sagt. Zumindest war da immer so ein zynisches Lächeln um die Mundwinkel und das reicht mir eigentlich schon."

    Schwäbisch kann so störend sein. Rainer zum Beispiel ist im Controlling tätig, in ganz Deutschland sitzen die Niederlassungen seines Unternehmens und er, der Schwabe. muss überall präsentieren und diskutieren:

    "Ich habe immer mit Leuten zu tun aus ganz Deutschland und komme mir da immer ein bisschen blöd vor. Wenn ich versuche Hochdeutsch zu sprechen rutschen mir da immer zwei Worte auf Schwäbisch rein. Ich finde, das klingt blöd, also entweder ich muss das dann richtig machen oder ich muss im Schwäbischen bleiben, aber das geht nicht, weil dann kommen immer Rückfragen, deshalb haben ich mich entschieden, das jetzt professionell zu machen.

    Oder Ulrike. Sie ist im Schulungsbereich tätig. Als Coach erstmal gegen die Vorurteile der Kursteilnehmer anzukämpfen ist wenig hilfreich. Aber auch privat macht Schwäbisch manches unnötig schwer:

    "Ich war im norddeutschen Raum und hatte Hemmungen da zu reden, und dieser Kurs hat mir eigentlich meine Hemmungen genommen. Ich kann jetzt hochdeutsch mit jemandem reden, muss nicht immer überlegen was ich sage und kann jetzt einfach erzählen und loslegen."

    Ulrike, Rainer und Margarethe sitzen an einem großen Holztisch, vor sich einen kopierten Lesetext. Vorne steht die Spracherzieherin Ariane Willikonsky. Heute steht das Eauf dem Lehrplan. Einfach nur das E?.

    "Das erste E ist das ganz normale E aus dem Alphabet."

    Klingt ganz leicht, aber für einen Schwaben hat es das E ganz schön in sich:

    "Wir lesen jetzt noch mal ein paar Sätze und ihr hört, ob euch irgendetwas auffällt? "

    Völlig normal: der Schwabe wirft das lange E von Esel munter mit dem kurzen von Essen durcheinander; und das E beziehungsweise Ä von Mädchen hat er gewöhnlich gar nicht in seinem Programm.

    Mühsam muss gelernt werden, was etwas weiter nördlich in Deutschland die pure Selbstverständlichkeit ist: Hochdeutsch eben. Nicht zu verwechseln übrigens mit Schriftdeutsch. Das versucht der Schwabe in der Regel als erstes, wenn er sich jenseits von Frankfurt verständlich machen will. Aber, sagt Ariane Willikonsky, sprechen nach der Schrift mit einer schwäbischen Schlabbergosch macht es erst richtig schlimm.

    "Ich bringe ihnen Hochdeutsch bei, damit sie nicht Honorations-Schwäbisch sprechen, weil sich das so furchtbar anhört. Das bemühte Hochdeutsch, das Sprechen nach der Schrift, ist einfach grauenvoll und kommt auch schlecht rüber. Wenn wir verarscht werden, dann ist das meistens nicht der Dialektsprecher, sondern der Honorations-Schwäbisch-Sprecher. Ich finde, entweder spricht man richtig Dialekt oder man spricht ordentliches Hochdeutsch."

    Wer einen Dialekt mit der Muttermilch aufgesaugt hat, wird ihn nie mehr los. Die Kunst ist, hochdeutsch als Fremdsprache zu unterrichten und zu lernen. Nicht anders als Französisch oder Griechisch. Und dann je nach Situation hin und herzuspringen. Das ist auch das Ziel der Spracherziehung:

    "Ich glaube, reich ist der, der beides kann. Das Schwäbische hat eben so Qualitäten wie der Sportler, Vadder und Mudder, das hängt hinten im Hals, das wirkt zurückgenommen, ist wenig kommunikativ, das ist verdruckt und ist schlecht verständlich. Wenn ich ein R spreche und sage Sportler, dann hört der das auch besser, es kommt besser beim anderen an. Ich finde wünschenswert wäre, beides zu haben und dann eben auch zu switchen, mal schwäbisch, mal hochdeutsch, je nachdem wie es gebraucht wird"

    Immer mehr Schwaben kommen zu Ariane Willikonsky. Obwohl das Training nicht billig ist: 45 Euro kostet eine Stunde Einzelunterricht, bis zu 300 Euro ein ganzer Kurs. Ohne Erfolgsgarantie: starker Wille und Lernfleiß sind nötig. Aber wer durchhält, der profitiere sein ganzes Leben davon, sagt Willikonsky:

    "Sprache ist Wirkung und dadurch ist Sprache Macht ? Sprache macht stark